Die Wörter für Christianes abc-etüden hat diesmal Cynthia gespendet. Es sind
Seelenverkäufer
obskur
ergattern.
Als Ideengeber für meine kata-strophische Reimerei habe ich mich des Romans „Tote Seelen“ von Nikolai Gogol* bedient.

Tschinns Auftritt, Legebild-Collage aus dem Kleinen Welttheater (https://gerdakazakou.com/2023/01/17/welttheater-3-akt-7-szene-tschinns-auftritt-fortgesetzt/)
Von toten Seelen
Tschitschikow – so hieß der Mann
Der, entschlossen, nicht zu darben,
Dachte, dass man kaufen kann
Arme Menschen, wenn sie starben.
Diese Menschen oder Seelen
Waren Waren ohne Rechte
Und da ihnen Rechte fehlen
Warn sie schlimmer dran als Knechte.
Mit der Zahl der Seelen prahlten
Ihre Herrn, es macht’ sie reich.
Doch welchen Sinn hat, dass sie zahlten
Für Menschen, wenn sie tot und bleich?
Herr Tschitschikow macht’ sich erbötig
Die toten Seelen aufzukaufen,
Die Steuern kosten, ganz unnötig!
Ihr Herr konnt’ den Entgelt versaufen.
Verwerflich ist, was Tschitschikov
Sich ausdenkt, um sich Geld zu schaffen?
Ach was! er ist nur klug, nicht doof.
Soll er den Reichtum nur begaffen?
Du findest sein Geschäft obskur?
Seelenverkäufer sollt‘ man hängen?
Warum? Sie woll’n ja auch das nur
Wonach sich alle Menschen drängen:
Sie wollen ihren Vorteil suchen
Das Glück an seinen Hörnern packen.
Ein Stück ergattern von dem Kuchen,
Den andre Menschen ihnen backen.
Das ist normal. Wer zahlt schon gerne
Die Rechnung, die ins Haus ihm flattert,
Wenn von den Früchten nur noch Kerne,
und nutzlos ihm, was er ergattert?
Wann kommt die Zeit, wo keine Seelen
Gekauft, verkauft, besessen werden?
Wo man nicht haben kann, nicht stehlen
Des andern Arbeit hier auf Erden?

Tschinn und Kairos, Legebild-Collage aus dem „Kleinen Welttheater“ (https://gerdakazakou.com/2023/01/20/welttheater-3-akt-8-szene-tschinn-zum-dritten-hotelanlage/)
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* Nikolai Gogol (1809–1852) veröffentlichte im Mai 1842 den ersten Teil eines als Trilogie geplanten Romans, den wir als „Tote Seelen“ kennen. Die Zensur ließ diesen Titel damals nicht zu, denn Seelen seien unsterblich und daher niemals „tot“. Nun wurden aber die Leibeigenen Russlands als „Seelen“ gezählt. Für diese „Seelen“ bezahlten die Gutsherren eine staatliche Kopfsteuer – und zwar lästigerweise bis zur nächsten Revision auch dann, wenn die Träger dieser Seelen verstorben, also „tote Seelen“ waren.
Land und Seelen dienten bei Kreditaufnahme als Sicherheit. Der schlaue Held in Gogols Roman – ein Aufsteiger – hatte nun die Idee, für wenig Geld „tote Seelen“ aufzukaufen und damit die Rechtstitel für Bankkredite zu erwerben, die ihm ein reiches Leben ermöglichten. Er war ein Seelenkäufer. Bereitwillige „Seelenverkäufer“ fand er unter den Gutsbesitzern, die froh waren, wenn sie den Posten („tote Seelen“) aus ihren steuerlichen Verpflichtungen streichen konnten….
Ende der Vorrede.
Nie gelesen, zugegeben. Danke für den Hinweis.
Aber das ändert nichts an der Berechtigung deiner Grundfrage, und da sehe ich schwarz: Es erscheint mir unwahrscheinlich, dass Menschen ihren eigenen Vorteil freiwillig, aus Fairness, aufgeben, religiöse Überzeugung/Gebote hin oder her. 🤔
Erkältete Nachmittagskaffeegrüße 🥴🤧🎶🛋️☕
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