Wenn ich große Ausstellungen besuche, muss ich auswählen. Doch wie? Wo bleibe ich stehen und warum? Ein Motiv ist sicher die Neugier, die Bewunderung für das Neuartige, Raffinierte, Komische, Gekonnte. Darunter aber liegt noch eine andere Schicht, und das ist die beinahe unbewusste Abgleichung der Werke anderer Künstler mit dem, was mich selbst beim Malen und Zeichnen antreibt. Und das ändert sich bei mir im Laufe der Jahre, ja sogar von Jahr zu Jahr. Bis jetzt habe ich keinen für mich immer und überall geltenden Stil gefunden. Ich fühle mich immer mal in die eine, dann wieder in die entgegengesetzte Richtung gezogen. Ich darf das, denn ich will ja nicht meinen Lebensunterhalt mit der Malerei verdienen und brauche keinen sofort erkennbaren Stil als Markenzeichen.
Im folgenden stelle ich Eigenes und auf der Art Athen Gesehenes zueinander, jeweils unter einem vorherrschenden stilistischen Merkmal.
Akribie. Ich bewundere sie, möchte manchmal „wie Dürer“ zeichnen und habe einige seiner Kupferstiche tatsächlich kopiert. Vielleicht erinnerst du dich?

Kopie nach Dürers Hieronymus im Gehäus, Detail (selbst)
Skurriles: Es zieht mich immer wieder in seinen Bann. Kopiert habe ich zB die grimassierenden Köpfe von Leonardo.

grimassierende Köpfe, Kopie nach Leonardo da Vinci (selbst)
Diese beiden Tendenzen gehören oft zusammen und werden in manchen Bildern der Art Athen zur Meisterschaft gebracht. Manches zeigte ich schon gestern. Hier noch ein Beispiel:
Informell. Frei gesetzte Farben und Formen, die sich locker über die Fläche verteilen, finde ich immer wieder faszinierend und habe mich auch selbst darin versucht, freilich nur auf kleinem Format und vorzugsweise mit Wasserfarben.
Nikos Kryonides, dessen Bilder mir gestern auffielen, macht sie zu seinem unverkennbaren Stil.
Ich mag informelle Malerei sehr. Vor vielen Jahren sah ich in Berlin eine großartige Ausstellung dazu, „Würde und Mut“ war sie betitelt, und es stimmt ja, Mut braucht es, um sich im Informellen zu bewegen. Zu schnell kann man ins Bedeutungslose und Gleichgültige abgleiten. Das folgende Bild finde ich sehr gelungen:
informelle Collagen Auch diese Ausdrucksmöglichkeit zieht mich sehr an, und ich habe eine recht umfangreiche Sammlung solcher Blätter,zB dieses:
Also blieb ich gestern auch vor drei freilich viel strengeren Collagen stehen. Zwei aus einem „Tryptichon“.
„Informell“ und auch „konkret“ ist schön und gut. Aber soll ich deshalb die freie Zeichnung von Menschen und Dingen geringer schätzen? O nein! Ich liebe sie und habe sie immer wieder praktiziert, bis heute.
Und so blieb ich auch mit Bewunderung vor einem Jünglingsportrait stehen, das der hier sehr bekannte (Jg 1910) Maler Jannis Tsarouchis zeichnete. Ich bin freilich mehr an dem Individuellen des Menschen und weniger, wie er, an dem archetypischen Ausdruck interessiert.
Manches fand ich in den Ausstellungsräumen, das sich gar nicht mit Eigenem verband, das mich trotzdem stark ansprach. Ich zeige zum Abschluß einen Ausschnitt aus einer Arbeit aus Teebeuteln. Fand ich toll!
Doch obgleich ich diese Arbeit toll fand – sobald eine Idee überstrapaziert und in allen möglichen Gestalten durchdekliniert wird, wenn sie zum“Markenzeichen“ des Künstlers wird, wird mir schummrig zumute. Der Mann muss doch ne Macke haben, denke ich dann: auch im Traum wird er Teebeutel sehen und daraus Skulpturen der verschiedensten Art mit ungeheuerlicher Geduld und Finesse herstellen… Wird er sich je davon befreien können, dass sein Name als Künstler mit Teebeuteln verbunden wird?
Perfektion und Marktwert erreicht man wohl nur, wenn man bereit ist, sich eine spezielle Macke zuzulegen und alles, was in die Breite geht, zu vermeiden.








Schwierig, darauf eine kurze Antwort zu finden oder genügend Zeit dafür. Das Thema ist für mich auch noch nicht beantwortet und eingeordnet. . Ich gebe mich eher dem momentanen inneren Drang hin. Ich finde , dass man auch in verschiedenen Stilen entdeckt werden kann. Ganz überlegt aufsetzen möchte ich mir keinen. Vieles deckt sich mit deinen Erfahrungen. Und doch erkennt man dich ja auch so in deinen Kunstwerken wieder.
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danke, liebe Petra. Ich freue mich zu hören, dass man Inhalt den verschiedenen Stilrichtungen doch auch mich als eigene Stimme heraushören kann.
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Gerda, das ist wirklich großartig, besonders, was Du gezeichnet und gemalt hat. Ich habe es einmal „en family“ gezeigt und einmal auf meinem Blog.
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In meiner Arbeit als Plastiker vermeide ich Wiederholung. Meine frau meint, ich solle eine Idee viel mehr ausprägen Dafür gibt es Argumente , etwa dass man spezifische Techniken immer besser zu meistern lernt.
Heute begann ich mit kunsthandwerklichen Arbeiten zu etwas, was ich solitär vor 10 Jahren mal gemeistert hatte. Grund war, dass ich erkannte, dass die damalige idee tragfähig ist, Varianten davon anzufertigen. Auch 10 Jahre danach war die damalige Idee gut.
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ich hatte hier eine Antwort geschrieben, wo ist sie? Inzwischen habe ich ja auch deinen Neubeginn gesehen. Ich finde das Wiederaufnehmen schwierig, außer es entwickelt sich von selbst im Inneren als Bedürfnis. Wie ich es mit den Kohlezeichnungen machte, die ich am Anfang des Sommers wieder aufnahm. Was dabei herauskam, war etwas ganz anderes als das, was ich vor vielen Jahren aufgab. Dir wünsche ich gutes Gelingen mit deinem Vorhaben.
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Ich merkte gestern, dass etwas die Sorgfalt fehlte. Das muss anders fortgeführt werden.
Das wiederaufnehmen als reine Kopie wäre absurd. So war es sicher auch mit deinen kohlezeichnungen
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Es ist die Vielfalt, die Kunst auszeichnet, liebe Gerda, und so wie Du es praktizierst, finde ich es am spannendsten. Immer wieder Anderes, immer wieder Neues und das Neuer dann wieder auf den Kopf gestellt…
Das Teebeutelbild ist wirklich etwas Besonderes, aber ich kann mir nicht vorstellen, daß der Künstler nur bei Teebeuteln bleibt *g*
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Es gab noch etliche andere von ihm geschaffene Exponate, alle aus Teebeuteln kunstvoll zusammengefügt, aber auf die hatte ich schon keine Lust mehr.
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🙂
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Wenn es sich auszahlt?!
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das ist bei Kunst immer die Frage, lieber Gerhard. Diese Teebeutelarbeiten sind sehr pusselig, sicher sehr zeitaufwendig. Ob es sich für den Künstler „lohnt“, ist fraglich. Ich vermute, dass er jetzt einfach mal die Möglichkeiten dieses Materials durchspielt, weil er es spannend findet. Und wenn er damit durch ist, etwas Neues ausprobiert. Problematisch würde es, wenn die Galerie ihn auf diese Sache festlegen wollte, weil sie gut ankommt.
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Im oktober gibt es hier eine Ausstellung zum 100ten Geburtstag von dieter stein. Er hätte eine internationale Karriere haben können, widersetzte sich aber dem damaligen Trend und wurde so wieder zum regionalen Künstler.
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danke für den Hinweis. Ich sah mir gleich mal Arbeiten im Netz an.
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Ich hatte mir im Frühjahr etwas zu ihm erzählen lassen. Bei der Ausstellung hoffe ich noch mehr zu erfahren.
Er machte Gemeinschaftsausstellungen ( bei seiner hoch entwickelten Kunst ungewöhnlich).
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Es kommt drauf an. Manchmal ist es unumgänglich, Gemeinschaftsausstellungen zu machen, wenn es keinen großen Markt gibt. Und wie du schreibst, hat sich dieser Künstler entschlossen, lokal zu bleiben und also auch, Kooperationen vor Ort einzugehen.
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