Das öffentlich-rechtliche Fernsehen Griechenlands hat oft sehr sehenswerte Filme im Programm. Gestern abend konnten wir einen unserer Lieblingsfilme anschauen: „Good Morning Babylon“ der Gebrüder Taviani (1987). Bei Wikipedia kann man die Handlung und einige nörgelnde Kritiken nachlesen (hier), die meiner Meinung nach dem Zauber dieses Films keineswegs gerecht werden. Ach, wer die Poesie der Bilder verstünde! Vor allem das Ende wird in der Kritik vollkommen unterbewertet, während es mich zum Weinen brachte, und ich hinausging in die mondhelle Nacht und meinen Kummer mit den schweigenden Olivenbäumen besprach.
Zwei Brüder, Nicola und Andrea, Söhne eines Patriarchen (Steinmetzmeister in Pisa), starten jung, hoffnungsvoll in die Neue Welt, finden nach schweren Zeiten Erfolg und zwei reizende Frauen, die gleichzeitig schwanger werden – immer gehen sie und die Frauen im Doppelpack oder, wie bei meinen heutigen Katzenfotos: doppelt gemoppelt (hier). Ihren Erfolg verdanken sie ihrem Zusammenhalt und der Geschicklichkeit, für den damals berühmten Regisseur Griffith und seinen Film „Intoleranz“ riesige Elefanten zu schaffen. Den Prototyp dafür hatten sie in Eigenbau im Wald gebaut – aus Zweigen, alten Plakaten und Gips.
Dieser Elefant wird durch den neidischen, die armen Italiener verhöhnenden Regieassistenten abgefackelt.
Das Glück bleibt ihnen dennoch treu. Doch dann kommt es vor dem Theater, in dem der Film mit den Elefanten seine Uraufführung erlebte, zu Tumulten: die USA sind in den Ersten Weltkrieg eingetreten. Griffith, der für seinen Film „Geburt einer Nation“ gefeiert worden war, ist mit „Intoleranz“ nun nicht mehr up-to-date. Überstürzt müssen die hochschwangeren Frauen in die Klinik gebracht werden. Beide Kinder werden gerettet, aber die Frau Nicolas stirbt. Der, nun tief unglücklich, kann das Glück des Bruders nicht mehr ertragen: das Ungleichgewicht zwischen ihnen ist gestört. Nicola bleibt unversöhnlich und kehrt nach Italien zurück, wo er als Kriegsfreiwilliger in die Armee eintritt. Der „glückliche“ Bruder Andrea kann seinerseits nicht ohne seinen Bruder leben und lässt sich von den US-Streitkräften anwerben. Und so treffen sie auf dem italienischen Schlachtfeld (vor der Kirche, die sie vor ihrer Auswanderung mit dem Vater und den anderen Brüdern meisterlich renoviert hatten) erneut zusammen, tödlich verwundet beide. Mit einer Kriegs-Reporter-Kamera filmen sie sich sterbend gegenseitig.
Und warum weinte ich? Weil die beiden sich filmen, damit ihre kleinen Söhne das Gesicht ihrer Väter kennenlernen. Und weil Andrea zuletzt seine blutigen Hände hebt und damit die kleinen Söhne in der Ferne segnet. Es ist eine Wiederholung einer Anfangsszene, als ihr Vater sie einst segnete, als sie in die Fremde zogen.
Der Vater hatte damals gesagt: Zusammen seit ihr stark undwerdet Erfolg haben. Trennt euch nie, bleibt immer im Gleichgewicht, denn wenn das gestört wird, werdet ihr zu Feinden.
Brüder waren sie, Brüder sind sie, aber sie trennen sich, als der eine mehr vom Glück begünstigt ist als der andere – und sie schlagen sich gegenseitig tot, als ihre Regierungen ihnen das Schlachtfeld dafür bietet. Das einzige, was ihnen noch bleibt, ist, ihre Kinder sterbend zu segnen.
Die letzte Szene, die mich so anrührte, ist in den Zusammenfassungen des Plots unterbewertet oder fehlt ganz. Offenbar haben die Autoren sie gar nicht verstanden, weil ihnen die dazugehörende Lebenserfahrung fehlt.
Für mich ist sie die wichtigste Szene. Ich fühlte den tiefen Schmerz der vaterlosen Kinder, deren Väter in einem fernen Krieg zum Täter und Opfer werden. Mir war, als ob mein eigener Vater, der vor Stalingrad fiel, als ich ein Säugling war, noch einmal, aus der Ferne des Raumes und der Zeiten, herübergrüßte mit seinen blutbedeckten Händen und mich segnete, und er segnete ebenso die Kinder der Männer, die auf der „Feindesseite“ starben. Seine Brüder. Meine Gewschwister.
Geschwister sind die Menschen. Aber seit Kain und Abel zerstreiten sie sich, wenn der eine es besser trifft als der andere. Jedenfalls vorübergehend besser. Denn im Tod sind sie wieder gleich.

Legebild: Gib dem Frieden eine Chance!

Kenne diesen offenbar sehenswerten Film leider (noch) nicht, aber die Handlung darin liest sich sehr interessant und berührend mit Tiefsinn!
Neid auf das Glück anderer, vor allem auch nahestehender Menschen kann niemals gut ausgehen, Kriege sind immer unsinnig, totbringend, zerstörend und das Schicksal mischt die Karten….
Gib dem Frieden eine Chance!
Diesen Satz kann man auch in unserer inzwischen so unsicheren Zeit, nicht laut und oft genug in die Welt hinausschreien!
Liebe Grüße, Hanne
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Danke, Hanne. Tatsächlich ist Krieg innerhalb von Familien, Gruppen, Völkern oft am allergrausamsten. Man hasst mehr und leidet mehr als im Krieg mit Unbekannten.
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Wenn der Frieden weltweit eine Chance hätte, würden selbsternannte Herrenmenschen keine Gründe mehr finden, ihr Ego zu befriedigen… Deshalb gibt es Kriege. Und das solange, wie sich die Untertanen dafür abschlachten lassen.
Danke für den Filmtip. Werde ich mir in einer Mediathek ansehen.
Liebe Grüße Lore
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Viel Freude beim Gucken!
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Menschen sind wir alle, nur als Menschen sind wir gleich und gerät dieses Gleichgewicht von Gut und Böse, Glück und Pech, Freude und Leid aus dem Gleichgewicht, gibt es Hader, Streit und der Bruder erschlägt den Bruder…
Fehlt dem einen das, was der Nachbar hat, wird er doch oft schon grün vor Neid und Toleranz, die kennt er nur theoretisch.
Es muß ein feiner Film sein, aber ich kenne ihn leider nicht.
Was macht die Menschen denn gleich? Ein Mensch versucht doch meist, seine Besonderheit zu erkennen und wenn ich hier ringsum die Autos ansehe, dann frage ich mich, wieso alle Autos so hoch, so riesig, so bombastisch sein müssen. Sind wir denn alle Selbstdarsteller? Möchte jeder schöner, besser, reicher sein als der andere?
Warum wollen wir denn nicht alle friedlicher, freudiger, liebenswürdiger und höflicher sein?
Gleich? Wollen wir gleiches Aussehen, gleiche Ansichten? Ich glaube, das wollen wir alle nicht und liegt da nicht der Hase im Pfeffer?
Der Mensch ist ein komisches seltsames Wesen, aber etwas Bsonderes sind wenige von uns.
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Tja, der war wieder im Spam, liebe Bruni. Immer wieder sage ich dem Spamfilter: „Kein Spam“, aber der will sich nicht erzierhen lassen, hat seinen eigenen Kopf. Inhaltlich? Es überfordert mich jetzt, zum Gleichheit und Ungleichheit grundsätzlich Stellung zu beziehen. Was ich sicher verabscheue, ist, wenn man den Menschen von außen einen „Gleichheitsstempel“ aufdrückt wie Herden: diese Herde und jene Herde und hier noch eine dritte und vierte und hunderdste. Die eine Herde trägt zB den Stempel „deutsch“, eine Unterherde „links“, eine andere „rechts“, diese die „Einheimischen“, jene „die Immigranten“…. Dasselbe mit Ethnien, mit Staaten, mit Glaubensrichtungen, Hautfarben, Geschlechtern und tausend anderen „Unterscheidungsmerkmalen“, die kollektiv von außen vorgegeben werden. In der Binnensicht kommen die Unterschiede zum Tragen, oft genug wieder als Streit und Konkurrenz bis hinein in die Familien und sogar ins Individuum hinein, das mit sich selbst im Sttreit liegt.
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Wo mein Kommentsr gelandet ist, weiß ich nicht, Gerda 🙂
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er war im Spam 😦
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komisch, komisch
An diese Herdenunterschiede glaube ich auch nicht. Italiener sind nicht unbedingt temperamentvoller als ein Mensch, der in Deutschland geboren wurde.
Ich habe eine Freundin, Italienerin, schüchtern, sonnenscheu, sehr zurückhaltend. Ihr Mann ist Deutscher und sie lebten viele Jahre im Harz, dem sie heute noch nachtrauert. Liegt da nicht die Vermutung nahe, daß es zb auch die Gegend ist, die die Menschen mitprägt?
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Du hast den Film so einfühlsam beschrieben, dass ich mich kaum traue, ihn mir als solchen anzuschauen, um nicht enttäuscht zu werden…
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Schau ihn dir ruhig mal an. Ich kann nicht wissen, ob er dir auch so gut gefällt wie uns, die ein Faible für den italienischen Film und hier besonders für die einfache unkomplizierte Symbolkraft der Bilder und Handlungen haben.
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