Zur Hälfte des Jahres – der Sommer hatte noch gar nicht recht begonnen – verließen wir die kleine Truppe des Welttheaters beim Hirten Fotis, und alle fielen in einen tiefen Schlaf.
Du hast keine Ahnung, wovon ich rede? Dann schau mal hier vorbei: die letzte Zwischenbilanz des Welttheaters.
Sechs Monate sind seid dem letzten Auftritt vergangen ((https://gerdakazakou.com/2023/06/12/welttheater-vor-dem-5-akt/), und ich rechnete schon gar nicht mehr mit einer Wiedereröffnung des Theaters. Da erscheint plötzlich die blinde Dichterin Domna auf der lichtlos-winterlichen Bühne. Traurig und einsam wandelt sie hin und her.
Während ich ihr zuschaue, erinnere ich mich an ihren letzten Gesang:
Müssen immer weiterfliehen
woher, wohin treibt es uns fort?
Wir lagen flehend auf den Knien
entrannen bösem Brand und Mord.
Das Meer verschlang uns und die Berge
sie warfen uns in ihre Klüfte
In Höhlen fanden wir Herberge
und wankten traumlos durch die Grüfte.
Wir teilten Speise mit den Toten
und nährten uns von Milch und Kraut
Das Leben wollten wir ausloten
Die Sonn verbrannte uns die Haut.
Der Himmel über uns erbleichte
es wurde Licht, es wurde Nacht
Wir nahmen das, was man uns reichte
wir schliefen und sind aufgewacht.
Da war ein Mensch, er stand bescheiden
mit seinem Hund und sprach uns an.
Wollt ihr mit mir die Schafe weiden?
Denn Hilfe brauch ich, sprach der Mann.
Wenn ihr mir helft, habt ihr zu essen
und habt ein Dach, das euch beschützt
hier könnt ihr eure Flucht vergessen
und tun, was euch und andern nützt.
Doch fort, o fort die Wogen rollen
wir müssen immer weiter fliehn
in uns ist Flucht, in uns ein Wollen
ein Jagen, Stoßen, Vorwärtsziehn.
Wär ich ein Baum, ich könnte wurzeln
im tiefen Grund und stark und still
die Äste breiten, statt zu purzeln
und stolpern zwischen Soll und Will.
Ihr antworteten die Spirits mit schelmischem Singsang:
Lu-Ho-Wa-Ro
Das Oben sinkt runter,
was kraftvoll wird matt
was grün war wird bunter,
die Knospe wird Blatt
was jung ist, will werden,
was stillsteht verdirbt
und fällt auf die Erden,
was reif ist, das stirbt.
Leise nähere ich mich der Bühne. Da höre ich, dass Domna nun ein Gedicht von Friedrich Hölderlin rezitiert. O, es ist „Hälfte des Lebens„! Nur dass der Sommer jetzt schon lange vorbei ist und der Winter, den der Dichter fürchtete, Realität wurde.
Domna
Mitte des Lebens.
Mit gelben Birnen hänget
Und voll mit wilden Rosen
Das Land in den See,
Ihr holden Schwäne,
Und trunken von Küssen
Tunkt ihr das Haupt
Ins heilignüchterne Wasser.
Weh mir, wo nehm’ ich, wenn
Es Winter ist, die Blumen, und wo
Den Sonnenschein,
Und Schatten der Erde?
Die Mauern stehn
Sprachlos und kalt, im Winde
Klirren die Fahnen.
Während ich ihr zuhöre, wird mir beklommen ums Herz. Was ist geschehen? Wo sind ihre Gefährten? Wo die kleine Clara, wo Jenny-the-Kid, wo Danai und Trud? Was ist aus Abud und Hawi, was aus Wilhelm und seiner Sehnsucht nach Isolde geworden? Ich kann sie nirgends entdecken….

Oh Gerda, was sind das für ge-wichtige Dichterworte! …Darin liegt und klingt und schwingt so viel….🙏♥️🌌👂🪽🙋
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Schön, dass du das Welttheater wieder aufgegriffen hast😍. Ich habe es vermisst.
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😊🙏
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