Welttheater, 4. Akt, Szene 43 c: Abud erzählt von Mansa Musa

Was zuletzt geschah: Domna hat Wilhelms Erzählung aufgegriffen und mit ihrer eigenen verknüpft. Fotis geht gemütlich darüber hinweg, er mag wohl keine Tragik und kann mit tiefsinnigen Gesprächen wenig anfangen.

So willst du gehn? Ach bleib doch noch zur Nacht!

Was willst du draußen jetzt in der Natur?

Weißt du nichts Spaßiges? Ich hätte gern gelacht.

Wie spät ist’s wohl? Ich habe keine Uhr.

 

Er fordert Abud auf, nun zu erzählen.

Wie ists mit dir, du schwarzer Mann

Ich finde, jetzt bist du mal dran,

Ganz sicher kommst du von weit her.

und weißt Geschichten, bitte sehr!

Abud:

 Geschichten kenn ich viel, doch weiß ich nicht

was euch gefällt und was ihr hören wollt

Fotis

Fang einfach an, dies ist ja kein Gericht

wo gleich, wenns nicht gefällt, ein Kopf schon rollt.

Abud

Dann sag ich euch, was wir, in unserm Land

von Mund zu Mund uns immer weitersagten,

Wenn wir in Armut und ganz abgebrannt

an keine Zukunft mehr zu glauben wagten.

 

Mein Land war einst sehr groß und auch sehr reich.

Viel Gold und Elfenbein und köstliche Essenzen

die trugen Karawanen hin und her, und auch zugleich

die Kunst, den Ruhm, das Wissen über alle Grenzen.

 

Der größte Herrscher war ein Mann, der Mansa Musa hieß

ihm glich an Reichtum niemand bis auf heute.

Er zeigte es der ganzen Welt, als er sein Land verließ

und mit ihm seine Frau und viele tausend Leute

 

Mit Gold beladen waren die Kamele

und mit Brokat die Dienerschaft bekleidet

Damit es auch an Essen niemals fehle

auch tausend Rinder, unterwegs geweidet.

 

So zogen sie von Mali zu dem Nil

durch Steppen, Berge, Wüsten hin.

Sein Gold verschenkt er, wie es ihm gefiel,

denn Großmut war sein Wesen und sein Sinn.

 

Er zog nach Mekka, um den Hadsch zu machen

zu Allahs Ruhm, und kam auch richtig an.

Doch als zur Rückkehr endlich sie aufbrachen

da war er beinah schon ein armer Mann.

 

Er musste sich nun selber Gold ausleihen

in Kairo von den Händlern, die er einst beschenkt,

mit Zinsen jetzt, doch tat er es verzeihen

und war kein bisschen in dem Stolz gekränkt.

 

Tat heimwärts ziehn mit dem, was ihm verblieben

und neues Land dem Reiche einverleiben.

So ist sein Ruhm bis heute eingeschrieben

ins große Buch, das die Gelehrten schreiben.

Fotis

Ich hörte gerne die Geschichte

vom reichen Mann, den es nach Mekka zog.

Ich gebs gern zu, ich liebe so Berichte

und hoffe nur, dass er uns nicht belog.

 

Ich hab bisher noch nie von ihm gehört

wann war denn das und wo, in welchem Land?

Ich hoff, dass es die anderen nicht stört

wenn dumm ich frag, ist er euch denn bekannt?

Jenny

Ja frag nur, denn ich glaub, der Abud spinnt

und lügt uns grade frech was ins Gesicht.

Hawi:

Er lügt nicht, nein, den kennt doch jedes Kind!

den Mansa Musa, was, den kennst du nicht?

der war so reich, wie keiner je zuvor

 

Jenny

Nun redet schon ihr zwei im Chor!

doch überzeugt michs nicht, denn das ist klar

in Afrika ist ziemlich trüb das Leben

Wilhelm

Und doch, was Abud sagt, das ist schon wahr.

es hat den Mansa Musa wirklich mal gegeben.

 

Er war der Herrscher übers Malireich

das ging vom Ozean bis weit hinein

ins Zentrum Afrikas, und war ein Scheich

mit einem Haufen Gold und Edelstein.

Abud

Ein Scheich war er zwar nicht, denn er war noch nicht alt

doch sonst ist richtig, was der Wilhelm sagt.

Er war ein Mann von prächtiger Gestalt

und hat zum Hadsch nach Mekka sich gewagt.

Clara

War das denn weit? Ist er zu Fuß gelaufen?

und wenn er Hunger hat, kann er sich dann was kaufen?

Abud

Weit war es schon, er ist zu Pferd geritten

und brauchte dennoch viele Jahre.

Die Sklaven und die Tiere sind geschritten

Die Frauen aber trug man auf ner Bahre.

Jenny

Und wenn er so berühmt war, warum reden

die Menschen nicht von ihm, als nur ihr zwei?

Er müsste doch bekannt sein einem jeden

so ähnlich wie Karate Kid und der Karl May.

Abud

Bei uns kennt jeder ihn, und nicht nur grad wir beiden

er lebte wirklich so vor siebenhundert Jahren.

Das Malireich war groß und niemand musste leiden

in jener Zeit, es ging ihnen sehr gut, den Vorfahren.

 

Doch grad ihr Gold war schließlich ihr Verhängnis

denn auch die Weißen hörten es und wurden gierig

sie brachten unsre Leuten in Bedrängnis

seither war unser Leben nur noch schwierig.

Danai

Da hast du recht, Abud, in eurem Malireiche

lebt‘ es sich gut, auch konnt‘ man schon studieren.

Im Abendland war es noch nicht das Gleiche,

die Menschen waren arm und mussten frieren.

 

Dann drehte sich das Los, und dort wo eben

noch Wohlstand war, ertönte Kriegsgeschrei.

So geht es leider oft in diesem Leben.

Was wir gesammelt haben, schwindet eins zwei drei.

 

Nun seid ihr es, die übers Meer gekommen

weil ihr zu Hause nichts zu essen habt.

Nicht nur die Weißen habens euch genommen.

Ihr selber wart es, die den Anlass gabt.

 

Wie denn? fragst du. Nun, weil ihr keinen Frieden

im eignen Land zu halten wart bereit.

Wenn ihr die Streitsucht hättet streng vermieden

wärt ihr vor jedem Unglück wohl gefeit.

 

Nun seid ihr arm, und schlagt euch auf die Köpfe

doch davon werden auch nicht voll die Töpfe.

Domna (für sich)

Sonst ungestört die alten Eroberer.
Und schonst du auch des müßigen Hirten nicht,
Und haben endlich wohl genug den
Üppigen Schlummer gebüßt die Völker?

Wer hub es an? wer brachte den Fluch? von heut
Ists nicht und nicht von gestern, und die zuerst
Das Maß verloren, unsre Väter
Wußten es nicht, und es trieb ihr Geist sie.

Zu lang, zu lang schon treten die Sterblichen
Sich gern aufs Haupt, und zanken um Herrschaft sich,
Den Nachbar fürchtend, und es hat auf
Eigenem Boden der Mann nicht Segen.

Und unstät wehn und irren, dem Chaos gleich,
Dem gärenden Geschlechte die Wünsche noch
Umher und wild ist und verzagt und kalt von
Sorgen das Leben der Armen immer.

(Friedrich Hölderlin: Der Frieden, Strophen 6-9)

 

Der Herrscher Mansa Musa von Mali (Katalanischer Weltatlas, 1375)

 

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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6 Antworten zu Welttheater, 4. Akt, Szene 43 c: Abud erzählt von Mansa Musa

  1. Gisela Benseler schreibt:

    So hat es ihn tatsächlich gegeben, den afrikanischen Herrscher Mansa Musa. Wer hätte von ihm je gehört, wenn Du ihn nicht aufgespürt hättest, Gerda, nach langem Suchen in den alten Schriften?

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  2. Sehr interessant, da muss ich auch noch mehr Frau Google fragen!
    Das hat Mutti immer gesagt, wenn sie was wissen wollte, ansonsten hat sie auf das World Wide Web geschimpft!😁

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