Welttheater, 4. Akt, 23. Szene: Danai und Hawi

Was zuletzt geschah: Wilhelm und Abud haben sich heftig gestritten, indem sie sich ihre jeweiligen rassistischen Vorurteile an den Kopf warfen. Abud geht allein weg, Richtung Lager, um sich seinen „Lohn“ zu holen. Danai nimmt den kleinen Hawi in ihre Obhut. Wilhelm bleibt mit gebrochenem Bein allein am Rande des Sumpfes zurück.


Wir wenden uns Danai und Hawi zu, die sich wandernd entfernen. Die Szenerie wandelt sich langsam, sie wird friedlicher und lichter.

Danai:

Schwer liegt die alte Erfahrung auf dem Grunde der Seelen

der Jungen, denen selbst Erfahrung noch mangelt.

Ich hoff nur, Abud ist vernünftig und beschließt nicht zu stehlen

und findet den Weg, dass er straffrei durchs Leben sich hangelt.

Hawi:

Abud ist sehr schlau,

er sagt zu mir: klau!

wenn sie dich mal finden

dann musst du dich winden

und schrein,

ich bin klein

dann lassen sie dich laufen

und wir könn uns was kaufen.

 

Meine Mama hat zu mir gesagt

Klaue nie, das ist nicht recht.

Sie hat sich lieber abgeplagt

sie findet Diebstahl ziemlich schlecht.

Danai:

Wir machen jetzt erst mal ne Pause

und suchen, was wir essen können.

Dabei erzähl mir von zu Hause

bevor die Männer kam’n zu brennen

das Dorf ganz nieder, wie du sagst

Erzähl mir nur, wenn du es magst.

 

Hawi (während die beiden Beeren suchend hin und her gehen)

Das Land, aus dem ich weggelaufen

ist schön mit großen Bergen drin

in denen wilde Flüsse rauschen

drin konnt ich baden, wie ich bin.

 

Wir hatten eine kleine Hütte

aus Stein war sie mit Wellblechdach

fürs Waschen gab es eine Bütte

und drüber war das Seifenfach.

 

Da schrubbt sie mich, sie sagte immer

wer sauber ist, der wird nicht krank.

Da half kein Weinen und Gewimmer.

Die Bütte stand auf einer Bank.

 

Jetzt hab ich mich nicht mehr gewaschen

als nur zuletzt in einem Bach.

Was sammelst du da in die Taschen?

Ist das das Kraut, das mich grad stach?

Danai:

Gewiss, das ist ein gutes Kraut

das brennt schon ziemlich auf der Haut.

Doch hilft es Kräfte aufzubauen

Man kann es auch sehr gut verdauen.

 

Auch diese Wurzeln nehmen wir

die fraß zum Glück uns weg kein Tier.

und von den Büschen nimm die roten,

sind bisschen scharf, ich mein die Schoten

da zwischen all dem Grün versteckt.

die haben schon Tote auferweckt.

Hawi:

Wie ist es mit den schwarzen Beeren?

Die kann man sicher auch verzehren?

Danai:

Nur manche, manche lieber nicht,

die reifen sind mein Leibgericht,

doch gib ja acht, wenn sie nicht reif,

dann wird dein Körper kalt und steif,

sobald du allzu viel gegessen.

Von Vögeln werden sie gern gefressen.

Hawi:

Die sehn fast aus wie unsre Bohnen

die haben alle, wo wir wohnen.

Man muss sie trocknen und die Schalen

abpelln, dann kann man sie auch mahlen.

Danai:

Du meinst Kaffee? Dann liegt dein Land

das für den Kaffee sehr bekannt

in dem du selber bist geborn

vielleicht am Afrikanisch Horn?**

 

Da lebt ich auch, bevor ich floh

Dieselbe Heimat! Das macht froh!

bet’ami tedesichalehu

Hawi

Versteh ich nicht, was sagst denn du?

Danai:

Ich sagte dir „Ich freu mich sehr“

Amharisch* kannst du wohl nicht mehr?

Hawi:

Bei uns heißts Baay’een gammada

so sagte es die Frau Mama.

Danai: 

Ach so, Oromo* habt ihr dort gesprochen?

Das kann ich nicht, es tut mir leid.

So ist das Land entzwei gebrochen

Doch weiß ich immerhin Bescheid

dass wir im selben Land geboren.

Und beide haben wirs verloren.

 

Ich will dich gern die Sprache lehren

Doch nun voran, noch ein paar Beeren,

Dann gehn wir zu der Höhle hin

wo ich schon längst zu Hause bin.

Hawi:

Du wohnst in einer Höhle drin?

Danai:

Genau, und es ist gar nicht weit.

Komm, lass uns gehn. Bist du bereit?


*Amharisch und Oromo sind die zwei am häufigsten in Äthiopien gesprochenen Sprachen (Übersetzung mit Google Translator). Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von sehr unterschiedlichen Sprachen, davon sind mehrere offiziell anerkannte Verkehrssprachen. 

**Horn von Afrika nennt man den nordöstlichsten Teil von Afrika. Zum Horn gehören die Staaten Somalia, Äthiopien, Dschibuti und Erithrea, ferner die von Somalia abgespaltenen autonomen Regionen Puntland und Somaliland.  Wir erfahren nicht, aus welchem dieser Staaten Danai und Hawi kommen, ich vermute aber, dass Danai aus Erithrea, Hawi aus Äthiopien kommt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

die bei uns auf den Feldern wachsen

draus macht man Kaffee, weiß nicht wie.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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4 Antworten zu Welttheater, 4. Akt, 23. Szene: Danai und Hawi

  1. Gisela Benseler schreibt:

    Danke, Gerda! Das ist alles sehr aufschlußreich und weiterführend. ☺️🖐️♥️🌱

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  2. Gisela Benseler schreibt:

    Wilhelm und Abud, beider Schicksale bleiben offen und problematisch.

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