Welttheater, 3. Akt, 3. Szene: Überlebenskunst (2)

Was zuletzt geschah: Jenny hat sich Claras Geschenkebox unter den Arm geklemmt und ist den steilen Abhang zu Wilhelm, dem Überlebenskünstler, hochgeklettert.  Sie beginnt eine Unterhaltung, um ihn einzuwickeln und so ein Frühstück zu ergattern, ohne die Geschenkbox einzutauschen.

Jenny

Guten Morgen, lieber Mann

schaust du dir auch die Gegend an?

Wilhelm

Ganz recht, meine Kleine.

Und du? Ganz alleine?

Jenny

Nein, da unten sind noch andere

doch ich alleine wandere.

Die andern sitzen gerne im Kreis

begucken Pflanzen, Stein und Gneis

Erzählen Geschichten als alter Zeit

die wissen sehr viel, sind furchtbar gescheit.

Sind sehr edle Damen

die aus der Großstadt kamen

und sich in dieser Bergnatur

erholen wolln, Gesundheit pur.

Und du, was treibst du selbst allhier?

Wilhelm

Sehr gern erzähle ich es dir:

Ich bin der Wilhelm, hab den Willen

dass – wenn sich alle Menschen killen

und alles wird vergiftet sein –

ich überlebe ganz allein.

In diesen Bergen ist mein Lager

das ich gesichert gegen Nager

und jede andre Unbill habe

Ich bin geschickt, von Haus aus Schwabe.

Jenny:

Ach ja? Wie nett, das kenn ich auch!

Die Schwaben haben diesen Brauch.

Wilhelm

Im Lager ist das, was ich brauchen werde

wenn alles leer und tot ist auf der Erde

Konserven mit Butter und Schinken und Speck

Und Werkzeug für jeden erdenklichen Zweck

Auch Filter für Wasser und viel Vitamine

Natürlich gibts auch ne Kaffeemaschine….

Soll ich dir mal mein Lager zeigen?

wir brauchen nur hinab zu steigen

und durch die Schlucht am Ende links

Ich hab da Essen und auch Drinks.

Hab lange keinen Gast gesehn

Na komm, so lass uns gleich hingehen.

Jenny

Sehr gern, doch denk ich, auch die Frauen

 wolln gerne hören und beschauen

was du so sammelst und warum

in deinem Refigurium

Wilhelm (lachend)

Du bist gescheit und gar nicht dumm.

Korrekt heißt es Refugium,

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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4 Antworten zu Welttheater, 3. Akt, 3. Szene: Überlebenskunst (2)

  1. Gisela Benseler schreibt:

    Ich bin sehr erstaunt über Jennys wohlgeformte Rede.. Möglicherweise erreicht sie dadurch einiges…(Aber daß sie Clara die Geschenkebox raubte, nehme ich ihr übel.)

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    • gkazakou schreibt:

      Sie nennt das „leihen“. Ja, die gesetzte Rede. Jenny redet ja eigentlich anders. Aber sie nimmt schnell auf und eignet sich den Stil anderer Redner an, um ihn einzusetzen, wenn es nötig ist. Sie hebt das Ansehen ihrer Gruppe und dadurch auch ihr eigenes. Es ist ein Trick. Dass er verfängt, liegt daran, dass Wilhelm gar nicht der Grobian ist, für den ich ihn zunächst gehalten habe. Er ist im Herzen ein feiner Kerl, der sich freilich auch gern schmeicheln lässt und dem seine Einsamkeit zusetzt. (so ungefähr).

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