Zyklamen und Goldkrokus

Als wir heute zu einem Ausflug aufbrechen, sind wir auf altchristliche Kirchen und zerfallene Pracht der letzten Herrscher von Byzanz gefasst. Denn unser Ziel ist Mystras, eine Stadt mit bewegter und bewegender Geschichte, heute nur noch eine erhabene Ruine, ein paar Kilometer vor Sparta im Taygetosgebirge gelegen

Die Straßenbaubehörde aber hat anderes mit uns vor. Mitten im Gebirge ist die Straße plötzlich gesperrt, und wir werden auf eine schmale sehr kurvenreiche Nebenstraße umgeleitet, die immer höher hinauf  führt. Schön ist es hier oben, aber unser Ziel werden wir so nicht erreichen.

Im Dorf Karveli, wo wir anhalten und beschließen umzukehren, wollen wir uns die Füße vertreten. Das Dorf wirkt menschenverlassen, aber nicht verwahrlost, im Gegenteil: die Straßenränder sind hübsch geweißt, Tische, Stühle und Bänke stehen ordentlich auf dem Dorfplatz mit der riesigen Platane,  eine große  Kirche, Blumenkübel, die Veranda einer kleinen Taverne, denn im Sommer kommen Wanderer vorbei, auch Ausflügler wie wir.

Ich folge einem Schild „zur Grundschule“, neugierig, ob sie noch existiert (natürlich nicht). Unter Platanen und Nussbäumen geht es den Hang hoch, der mit bleichen Zyklamen übersät ist. Und dann sehe ich sie: erst Büschel, dann Polster und schließlich ganze Teppiche mit Goldkrokussen. Und ich denke: Wer hier aufwuchs, wird sie nie vergessen. Und wird immer wieder zurück in sein Dorf kommen, wird hier und da ein wenig reparieren und bauen, auch wenn er hier nicht mehr dauerhaft leben kann. Denn gerade die Motorisierung, die solche abgelegenen Orte leichter erreichbar macht, hat zu ihrer Entleerung und Verödung beigetragen.

 

 

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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9 Antworten zu Zyklamen und Goldkrokus

  1. wildgans schreibt:

    In ein verlassenes, aber schönes Dorf und zu wunderbaren Blumen hat euch die Straßenbaubehörde geführt…
    Grüße von Sonja

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  2. Liebe Gerda

    Es ist wie aus einer fernen Zeit, die stehen geblieben ist und ich finde es wunderschön!
    Ist in dieser Gegend im Winter Schnee? Und die Taverne hatte due geschlossen? Wie weit ist es in die nächste Stadt, wo man einkaufen kann?
    Und wie alt ist dieses Bergdorf? Die Historie würde mich interessieren⁉️ Konnten sich die Bewohner gut selbst bzw. waren sie weitestgehend autark?
    Oh man, daß ist so interessant!
    Ich frage Dir Löcher in den Bauch, wie Deine Dora! War sie heute nicht dabei?😁
    Liebe Grüße Babsi

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  3. Selbst versorgen sollte es heißen!🙈

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    • gkazakou schreibt:

      Viel weiß ich nicht über dieses Dorf, liebe Babsi. Aber all diese Taygetos-Dörfer waren autark. Die meisten wurden in den Jahrhunderten gegründet, als die Piraterie die Küsten Griechenlands verheerte. Da zogen sich die Bewohner in die Berge zurück. Dort gab es Wasser und fruchtbares Land, da konnten sie Gemüse ziehen, Obstbäume pflanzen, Tiere halten. Und sie waren in relativer Sicherheit. Die nächste Stadt ist sehr weit (Karveli von Kalamata: 19 km; andere viel weiter). Vor Ort gab es meist einen Laden mit dem Nötigsten und ein Cafe, außerdem kam bisweilen ein Mensch mit Karre vorbei, auf dem allerlei Luxuswaren feilgeboten wurden, zB Bänder und Litzen, Knöpfe und Haushaltswaren. Die gibt es auch heute noch, in Form von Autos mit Ladefläche. Die Straßen waren damals Wege für Esel und Fußgänger. Jetzt sind sie asphaltiert, aber noch immer sehr schmal, bei Gegenverkehr und Steinschlag wird es schwierig. Die Orte sind im Sommer gut besucht. Viele gehen in den Ferien in ihre Dörfer zurück, auch den Kindern gefällt es, und so bleibt die Verbindung erhalten. Aber dort zu leben, ist nur möglich, wenn man auf die heute normalen Annehmlichkeiten des Lebens verzichten mag. Vor allem fehlt das frühere Sozialleben. Die Schulen sind verlassen. Ärztliche Dienste gibt es nicht.

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  4. Verlassene Dörfer haben immer so etwas Trauriges, als wären sie vergessen worden.
    Aber viele Menschen kommen wieder, weil sie die Schönheit der kleinen Bergdörfchen erkannt haben.
    Goldgelb sind die Krokusse und einladend recken sie ihre Köpfchen aus dem Grünen.
    Wunderschön, liebe Gerda

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  5. kopfundgestalt schreibt:

    Sehr gepflegt, dieses Karveli. Postkartenidylle.
    Da müssen viele hilfreiche Geister am Werke sein…

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