Ich möchte nicht in die Debatte über das Verhältnis von Malerei und Fotografie einsteigen, sondern nur an drei Beispielen, die ich kürzlich im Städel zu Frankfurt sah, zeigen, wie unterschiedlich die Fotografie im bildnerischen Schaffen eingesetzt werden kann.
1. Gerhard Richter (*1932): Unscharfe fotorealistische Malerei.
Unscharf und fotorealistisch – ein Widerspruch? Ja, und ein wenig verstörend. Da sieht man eine Bootsfahrt; das Gemälde hat die Ästhetik eines alten Fotos, das ein bisschen verwackelt ist. Man sucht die Menschen und ihren Ausdruck trotzdem zu fixieren, aber es will nicht recht gelingen. Sie gleiten vorbei, Optasien* in verflüssigtem Raum und nie stilstehender Zeit. Unscharf bzw unklar ist auch, wo das Foto endet und die Malerei beginnt. Richter hat immer wieder an dieser Grenze gespielt, irritierend und zum Denken anregend durch die Ungewissheit, was man vor sich hat.
*οπτασία (Optasia) ist griechisch, bedeutet so etwas wie Erscheinung, Augentäuschung, Vision. Ich finde den Ausdruck hier sehr passend, weil das Auge getäuscht und etwas zur Erscheinung gebracht wird. das man nicht fassen und fixieren kann.
2. D.O.Paeffgen (1933-2013): Fotoprojektion mit Überrzeichnung
Ein recht gleichgültiges Foto wird durch eine einfach erscheinende lineare Intervention zum ausdrucksstarken Gemälde. Die Technik ist etwas verwickelter, als es scheint: das Foto wurde auf die Leinwand projiziert und dann bearbeitet, wobei Paeffgen Wert darauf legte, das Ganze wie beiläufig mit dem Filzstift aufs Photo gekritzelte Linien erscheinen zu lassen. Die Wirkung ist verblüffend. Die Frau in der Mitte („Araberin“) hat eine enorme Präsenz, während die mitfotografierten Männer zu bedeutungslosen Randfiguren heruntergestuft werden.
3. Anselm Kiefer (*1945): Foto und Blei
Dieses nach der Schlacht von Kunersdorf* betitelte großformatige Werk (1988) besteht zum größten Teil aus einer Bleiplatte. Im unteren Mittelfeld aber wird eine bleigraue Fotografie sichtbar. Zoomt man heran, erkennt man einen Mann, der in Feldherrenmanier auf einem Hügel steht. Es ist der Künstler selbst, der sich 1969 in einer höchst umstrittenen Aktion („Besetzungen“) an verschiedenen Orten Europas mit dem „deutschen Gruß“ ablichten ließ.
Blei als Werkstoff scheint mir angesichts dieser Thematik angemessen zu sein. Aufgewachsen sind wir – Kinder des Krieges – in einer bleiernen Zeit.
*Die Schlacht von Kunersdorf fand am 12. August 1759. also vor 243 Jahren statt. Friedrich II („der Große“) erlitt eine furchtbare Niederlage gegen die vereinten Heere von Österreich-Ungarn und Russland. „Die Verluste seiner Armee beliefen sich auf über 19.000 Mann, darunter 6.179 Tote. 28 Fahnen, eine große Anzahl Geschütze und 110 Munitionswagen waren verloren gegangen. Mithin hatte Friedrich über 40 % seiner Soldaten verloren. Die Russen verloren 566 Offiziere und 13.615 Mann, die Österreicher 116 Offiziere und 2.215 Soldaten“ (Wikipedia). Ja, so sprach und spricht man: Friedrich verlor 40% seiner Soldaten, während es doch besser hieße: Die Mütter, Frauen, Kinder, Geschwister von 22.009 Sodaten verschiedener Nationen verloren ihre Männerr, Väter, Brüder, Söhne.
Fast wäre es damals schon mit Preußens Gloria zu Ende gewesen. Die deutsche und europäische Geschichte hätte einen völlig anderen Verlauf genommen. Doch wie wir wissen: es kam anders. Besser? Schlimmer? Wer kann das wissen?
Die Fahnen waren wohl ein besonderer Verlust! Der Blitz treffe alle Nationalisten mit ihren Kriegen!
Das erste Werk ist höchst interessant. So eine Mischung von Fotos und Malerei finde ich sehr verlockend. wobei mir gar nicht klar ist, ob es sich hier überhaupt um eine solche Mischung handelt.
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Doch, es scheint so.
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Ich weiß nicht, ob man Richter (oder andere) an ihren Werken misst, die sie vor 30, 40 Jahren gemacht haben.
Diese verwischten Bilder, da gibt es ja Hinweise aus den Filmen über ihn.wie er da verfuhr.
Paeffken ist mir auch bekannt
Zu Kiefer:
Auch in meiner Heimat gab es Furchtbares: 15, 16 Jährige, die einen letzten Widerstand bilden mussten.
Letztes Jahr, angesichts der Diskussion um eines Gedenksteines am Wald, noch viel furchtbarer, mussten Hitlerjungen Erschiessungen vornehmen. Sie wurden gezwungen, das zu tun.
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Die Vielschichtigkeit in Anselm Kiefers Bild ist gewaltig; mir ist es in die Knochen gefahren… gut, dass Dora mich aus diesem Grauen befreit. Danke, Gerda!
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Danke, Friedrich. Dora ist auch für mich ein Schatz, sie gibt mir Leichtigkeit und Genuss des Hier und Jetzt. Sonst würden Wissen und Ahnen mir das Herz abdrücken.
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Ja das Leid der Frauen, Mütter, Kinder, vorerst aber der sterbenden Soldaten selbst ist so unermeßlich, daß „Nie wieder Krieg!“ unser deutscher fester Vorsatz war und es auch weiterhin ist.
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So möge es sein, Gisela.
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Ja, so möge es sein.
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Dieses viele Sterben, das Morden in den Kriegen. Es wird nicht besser, egal wieviele Jahre vergehen …
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