Kunst am Sonntag: Ottilie Röderstein (Malerinnen)

Soeben las ich Susanne Hauns heutigen Eintrag, besah mir auch das beigefügte Video. Susanne besuchte eine Sonderausstellung mit den Werken von 99 Künstlerinnen des Bröhan Museums in Berlin https://www.broehan-museum.de/ausstellung/ansehen-kunst-und-design-von-frauen-1880-1940/. Es handelt sich wohl um eine der vielen Bemühungen, weiblichen Künstlerinnen einen Platz in der Kunstgeschichte zu geben. „Wie brav, wie angepasst“, dachte ich, als ich die Bilder betrachtete. Käthe Kowitz sticht aus der Sammlung hervor wie eine seltene Distel in einem Blumenstrauß.

Solche Gedanken kamen mir auch, als ich die großen Plakate sah, die eine Sonderausstellung von Ottilie Röderstein im Frankfurter Städel anzeigten. Aha, sagte ich mir, da hat man wieder mal eine Malerin ausgegraben. Wer kennt schon Ottilie Röderstein? Ich jedenfalls nicht.

Nachdem ich durch die Ausstellung gewandert war, war mir auch klar, warum sie heute so gut wie unbekannt ist: Sie war eine ausgezeichnete Portraitistin für die „gehobenen Kreise“, daher zu Lebzeiten (1859-1934) erfolgreich und ökonomisch unabhängig, aber für die Kunstentwicklung völlig bedeutungslos.

O ja, sie ist begabt, willensstark und fleißig, Sie setzt sich gegen die Widerstände, die vor allem von der eigenen Mutter gegen die gewählte Lebensform vorgetragen werden, durch. Sie kämpft darum, eine gute Ausbildung als Malerin zu bekommen, geht von Zürich nach Berlin und dann nach Paris…. Sie schafft es, durch Auftragsarbeiten, Verkäufe und Unterrichtung anderer Frauen sich von der Bevormundung durch die konservativen wohlhabenden Eltern zu befreien. Was  sie erreicht, macht sie zum Programm auch für ihre Geschlechtsgenossinnen. Zusammen mit Mitkämpferinnen setzt sie es durch, dass 1911 die ersten Mädchen in Frankfurt zur Abitursprüfung zugelassen wurden. Sie lebt offen in einer Beziehung mit einer anderen Frau.

All das kann sie erreichen, weil sie beim Malen  „auf Experimente verzichtet“. Sie malt, wie man es von einer Frau aus besseren Verhältnissen erwartet.  Sie malt ausgezeichnet – im „klassischen Portraitstil“. Nur wenige Werke in dieser Sonderausstellung zeigen einen zaghafen Versuch, neuere Entwicklungen aufzunehmen: impressionistische oder Japonerien etwa,  die sich mit dem „gutbürgerlichen Geschmack“ ihrer Kunden durchaus vertragen.

Wirklich stark ist sie in den späten Zeichnungen. O ja, sie ist eine Kämpferin, man sieht es. Aber es reicht nicht dafür, aus dem konventionellen Milieu auszubrechen und neue Wege in der Kunst zu öffnen.

Zuvor war ich in der ständigen Sammlung „Zeitgenössische Kunst“, ebenfalls  im Städel. Es ist eine wirklich sehenswerte Sammlung – gut aufgebaut, mit repräsentativen Beispielen der Kunstentwicklung  in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Wirklich „zeitgenössisch“ ist die Sammlung freilich nur für Menschen meiner Generation, jüngeren wird sie wohl schon „klassisch“ oder gar recht verstaubt vorkommen.

Waren Malerinnen präsent? Ich habe viele viele Werke, die für mich bedeutend waren, fotografiert, mein Sohn, der unabhängig von mir in der Sammlung unterwegs war, ebenfalls. Nur eine Künstlerin kam mir unter (ihm gar keine): Maria Lassnig (1919-2014), vertreten durch ihr „Selbstportrait mit Affen (geliebte Vorväter)“ von 2001.

Ich weiß nicht, ob noch andere weibliche Künstler vertreten waren. Als von männlichen Kollegen verwendetes Bildmotiv sind Frauen jedenfalls immer noch reichlicher vorhanden. Allerdings geht auch da ihre Präsenz zurück, will mir scheinen.

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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7 Antworten zu Kunst am Sonntag: Ottilie Röderstein (Malerinnen)

  1. Gisela Benseler schreibt:

    Die 2 späten Portraits der Künstlerin/Kämpferin gefallen mir am besten.

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  2. Alexander Carmele schreibt:

    Ich mag deinen Ton – da lese ich sogar etwas über Kunstgeschichte, was mir durch vielerlei anderer Erlebnisse etwas verlitten worden ist. Wunderbarer Bericht!

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  3. Eine feine fleißige Malerin also, Ottilie Röderstein.
    Von den Bildern, die Du von ihr zeigst, gefällt mir ihr Bild des Mannes in weiß sehr.

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  4. PPawlo schreibt:

    Es wundert mich, dass keine bahnbrechende Künstlerin ausgestellt wurde. Es gab sie doch, auch wenn sie’s meist viel schwerer hatten. Schau mal hier:
    https://www.lostwomenart.de/chapter/im-schatten-der-maenner/
    Hier findest du ganz unten bekannte Beispiele. Herzlich, Petra

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    • gkazakou schreibt:

      Danke Petra. Ja, es ist schon merkwürdig. Auf der einen Seite machen sie eine Grossausstellung einer wenig bedeutenden eher seichten Künstlerin, auf der anderen Seite fehlen Frauen in der Sammlung zeitgenössischer Kunst fast vollständig. Erneut und immer wieder wird die „eigentliche Kunst“ zur Männersache.

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