Du möchtest vielleicht Anregungen fürs Spielen mit Kindern oder Enkeln? Dann schau mal, was mein zehnjähriger Freund D und ich heute trieben.
Wir beginnen wieder mit dem abwechselnden Legen-Farberaten-Umdrehen. Die Dynamik unserer Koopation hat sich leicht verändert, wir reagieren nun spontan auf erkennbare Strategien des anderen, indem wir sie unterstützen oder zunichte machen – als Spaß und ohne Aggression. Es entstehen Verdichtungszonen und unabhängige Formen. D ist übrigens inzwischen weit besser als ich im Farberaten, er rät 17 Mal richtig, hat sich die Formen seit dem letzten Mal gemerkt. Die Fotos macht er mit meinem iphone: ich erkläre ihm, wie er es halten muss, wie man die Fotos beschneidet und Kontraste verstärkt.
Witzig finde ich, wie sich die zentrale Figur – ein Engel? – durchs Umdrehen verändert hat.
Als nächstes spannen und verkleben wir Papier, das ich von der Rolle abschnitt, auf einen Leinwand-Untergrund. Jeder nimmt sich ein Stück Kohle, und wir zeichnen abwechselnd. Wir wechseln, wenn die Bewegung abgebrochen wird. Ursprünglich hatte ich 10 Wechsel vorgeschlagen, aber im Eifer des Spiels vergessen wir das Zählen.
D hat noch nie mit Kohle gezeichnet, aber er lernt schnell, sie auf die unterschiedlichste Weise einzusetzen: mit der Spitze, mit der Seite …
und dann auch mit großem Vergnügen schwarz ausfüllend.
Unsere gemeinsame Zeichnung gefällt ihm sehr (und mir auch), und er stellt sie selbstbewusst auf die Staffelei, nachdem wir ihr noch einen Rahmen verpasst haben. Einen Titel gibt er nicht, findet aber, dass es sich um etwas Außerirdisches handele.
Inzwischen gewittert es draußen heftig. Die Blitze machen ihm etwas Angst, und wir stellen die Tür zu. D will jetzt noch eine Zeichnung machen und gibt einen Titel vor „Unwetter“. Diesmal schneidet er das Papier selbst zu, und wir verklammern es mit einer festen Unterlage. Wie schon zuvor liebt er besonders das Schwärzen. Ich setze Boot und Fisch hinein und gebe dem Bild dadurch einen „realistischen“ Anstrich.
Da ich seine Freude am Schwärzen bemerke, zeige ich ihm, wie er mit einem Pinsel eine einheitlich schwarze Fläche erzeugen kann. Ich zeige ihm auch, wie man mit einem Radierer ins Schwarze hineinzeichnen kann. Das Endprodukt – „Elpida“ = Hoffnung – findet er ganz gut, aber etwas „gewöhnlich“. Das Abstrakte sagt ihm mehr zu. Diese Neigung zum Abstrakten habe ich auch bei meinem 11-jährigen Besucher festgestellt.
Und da wir noch etwas Zeit haben, improvisieren wir das „Unwetter“ als Stück in drei Akten:
1. Akt: der Seemann (D) liegt bequem in seinem Boot (Sofa), das Segel (ein weißer Rock) hängt schlaff vom Mast (Besen). 2. Akt: Ein Sturm (ich) fängt an zu tosen und zu brüllen, das Licht flackert, dann wird es ganz duster, der Mast schwankt, das Segel treibt davon. 3. Akt: Der Sturm lässt nach, das Licht kommt wieder, die Sonne (Strahler) bricht durch die Wolken. Gerettet! –
Wir spielen dasselbe dann nochmal mit vertauschten Rollen: D ist der Sturm und Wettermacher, ich der Seemann. Spontan füge ich einen 4. Akt hinzu: der Seemann (ich) jammert, das Meer sei sehr gefährlich, er wolle nie mehr zur See fahren. Nein, er wolle in Zukunft zu Haus bleiben. Das Segel wird zum weißen Rock, der Mast zum Besen – was sie ja in Wirklichkeit auch sind – und ich beginne, den Raum zu fegen.
Das ist ein gelungener Höhepunkt für einen Jungen, der die männlichen und weiblichen Stereotype doch sehr verinnerlicht hat. Sie anzuerkennen und spielerisch damit umzugehen, ist meines Erachtens der beste Weg, um sie langsam aufzulösen.
Das letzte Bild sieht farbverstärkt etwas freeundlicher aus:

Toll. Spanned. Lustig. Lehrreich 😊
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Großartig😊
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Hier wird einmal trefflich gespielt…recht so 🙂
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Ganz wundervoll, Gerda! Er wird diese Stunden mit Dir nie vergessen. Sie werden ihn immer begleiten.
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