abc-etüden: Eine Wahlkampf-Posse

Rosa-grün, Achtsamkeit und verwursteln sind die drei Wörter, die Herbert gespendet hat und aus denen wir diesmal unsere Kürzestgeschichte basteln sollen. Was liegt da näher, als an den laufenden Wahlkampf zu denken?

Die Einladung wurde von Christiane ausgesprochen und wie immer und dankenswerter Weise von lz vorzüglich graphisch gestaltet.

 

Eine Wahlkampf-Posse.

Rosa-grün gemustert prangt die Krawatte
An des Redners Brust, denn er hatte
Im Sinn, den politischen Diskurs zu lenken
Auf die Versöhnung von Fühlen und Denken .
Denken allein würde der Welt eine Katastrophe bescheren
Achtsamkeit sei vonnöten, um die Katastrophe abzuwehren
Und sie, die Achtsamkeit, sei wie ein rosa Blütentraum
in des Lebens Früchte tragendem grünen Baum.
„He, Sie“, ruft da ein Kerl aus dem Saal herauf
„So’ne wie Sie, die fehlten uns grad“, und steht auf.
Drohend naht er, die Muskeln geschwollen
Die Augen trüb. „Ich weiß, was Sie wollen
Sie wolln die blutrote Fahne der Revolution
  weichwaschen auf nen rosafarbenen Ton
Damit wir weiter der Herren Hände lecken
Und sie sich unserer Arbeit Lohn in den Hintern stecken.
Sie grün-rosa Herr, Sie Verwurschtler, komm runter
sonst verwuschtle ich dich mal und mach dich noch was bunter!“
Aufruhr im Saal. Wo sind die Ordnungskräfte?
Was würde werden, wenn jeder so kläffte?
Und während sie ihn niederringen, den Proleten
Erhebt der Redner die Hände als ob sie flehten:
„Möge der Klassenkampf von uns weichen,
Möge das Rot zu Rosa verbleichen
Dann kommt der Segen zu uns herab geflossen*
Und jeder lebt herrlich. Ich dank euch, Genossen!“

*In der ökonomischen Theorie spricht man vom „trickle down-Effekt“, das bedeutet: von dem erwirtschafteten Wohlstand tröpfelt manches runter zu den ärmeren Schichten der Gesellschaft, so dass sie auch was davon haben. Siehe auch https://www.google.gr/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&cad=rja&uact=8&ved=0ahUKEwiI0_DerqzWAhWrFZoKHfJ7CEQQFggmMAA&url=https%3A%2F%2Fde.wikipedia.org%2Fwiki%2FTrickle-down-Theorie&usg=AFQjCNH5SIgBxxQC5cyUiG3RDBCnMZFNpw

Rot-Grün-Verquirlung

und invers: Rosa-Grün-Verquirlung

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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24 Antworten zu abc-etüden: Eine Wahlkampf-Posse

  1. kunstschaffende schreibt:

    Sehr interessant, ich habe jetzt durch Dich zum ersten Mal davon gehört! Alleine die Klassifizierung: Untere Schichten, finde ich sehr Diskriminierend und es zeigt, es wird nie aufhören gewisse Menschen zu Untertanen und Untermenschen abzustempeln.
    Es zeigt, es gibt keine zivilisierten Menschen in den oberen Schichten, ihre verlogene Humanität ist nur noch heuchlerisch und widerlich! Für mich ist diese Klasse der Oberschicht zurückgeblieben und im Geiste arm!

    So, jetzt habe ich mich wieder Mal furchtbar ereifert!🙈🙊

    Liebe Sonntagsgrüße Babsi

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  2. kunstschaffende schreibt:

    Vielleicht hast Du recht! Die Geschichte zeigt es uns ja, Revolutionen haben auch keine besseren Menschen hervorgebracht!
    Dann kann man nur sagen, der Mensch ist halt so!😕

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  3. Christiane schreibt:

    Gehört habe ich von der Theorie auch schon. Von den Folgen auch.
    Danke für den Denkanstoß, kann vor der Wahl (ha!) nicht schaden.
    Liebe Grüße
    Christiane

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  4. Hella schreibt:

    tolles Gedicht, Kompliment! H.

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  5. Ulli schreibt:

    Ich wünsche mir ja klare Farben, rot ist rot und nicht rosarot und grün ist waldgrün, nicht olivgrün, schwarz kann schwarz bleiben, statt grau zu werden etc. – in einer Welt, in der die Pastelltöne regieren könnten klare Farben=klare Handlungen (vielleicht) eine bessere Welt schaffen?!
    Heute Morgen las ich von der „wichtigsten“ Wahl und staunte…
    liebe Gerda, ich grüße dich herzlich vom graukalten Uselberg
    Ulli

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  6. Gerhard schreibt:

    Geradezu clownesk! Bravo.
    Das Trickle-down müsste schon etwas stärker ausfallen, damit nicht solche Schiefstände/Klüfte entstehen. Regnen müsste es sozusagen…

    Vile Spaß weiterhin mit Deinen Tiriadenn 🙂

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  7. www.wortbehagen.de schreibt:

    in Deiner Posse steckt die Wahrheit, liebe Gerda, und Du bringst sie gekonnt und locker in einer Etüde hier an, von der ich nur an lustig dachte und an sonst wenig… *g*
    Von diesem trickle down-Effekt hatte ich bisher nichts gehört und auch was ich in Wikipedia dazu finde, erscheint mir – gelinde gesagt – mehr als sarkastisch. Oben immer mehr, damit unten auch noch etwas ankommt… mannohmann
    Oder feht mir hier nur das Verständnis???

    Lieber Abendfgruß von Bruni an Dich

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    • gkazakou schreibt:

      Nein, dir fehlt nicht das Verständnis, liebe Bruni. Das fehlt anscheinend anderen. Diese infame Theorie ist sehr verbreitet, ja sie beherrscht im Grunde unser ganzes Wirtschaftssystem. Nimm nur mal die Milliarden, die die Europäische Zentralbank seit Ausbruch der Bankenkrise in den Kreislauf der Wirtschaft gepumpt hat. Wieviel ist davon bei dir oder bei den Lohnabhängigen, den Gemeinden und den Pflegediensten, den ärmeren Ländern und Regionen angekommen? Nichts. Angekommen ist dagegen sehr viel „ganz oben“, wo sich 95% sämtlicher Vermögen in wenigen Händen ballen. Wolken, die nicht regnen wollen….

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  8. Elke H. Speidel schreibt:

    Erinnert mich an das „gesunkene Kulturgut“ des Volkskundlers Hans Naumann, unter dem er Vorstellungen, Verhaltensweisen, Produktmoden und ähnliches versteht, die aus einer „sozialen Oberschicht“ in „untere soziale Schichten“ „sinken“ und sich dabei zu Trivialitäten verändern, während die „oberen“ Schichten längst wieder neue und andersartige Denk-, Verhaltens- und Produktarten entwickelt haben, durch die sie sich dauerhaft von den „unteren“ Schichten absetzen können (und wollen).

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    • gkazakou schreibt:

      Ja, stimmt. Das ist eine geläufige Interpretation des sogenannten trickle-down effect. Danke für die Ergänzung. Nicht nur der produzierte Wohlstand tröpfelt (angeblich) auf die niederen Massen nieder, wenn es denen da oben gut geht, sondern auch deren Moden. Es ist etwa wie bei den second hand Läden für exquisite Marken: auch du, Frau aus dem Bürgertum, darfst, wenn die da oben ihr Armani-Jacket satt hat (meist nach einmaligem Tragen) für geminderten Preis hineinschlüpfen. Und wenn du, nach mehrmaligem Tragen, ebenfalls das Modell wechseln willst, kannst auch du, Frau von der Straße, es dir erwerben. Recyclen von oben nach unten. Dasselbe gilt auch für Denkmodelle.

      „Die da unten“ werden manchmal sauer und weigern sich, die „überwundenen“ Modelle der Reichen und Schönen für sich zu akkomodieren. Man sieht das bei Wahlen.

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  9. Elke H. Speidel schreibt:

    Wobei ich es manchmal als besonders arrogant empfinde, wenn „die da oben“ zitierend nachäffen, was sie „denen da unten“ (zu Recht oder zu Unrecht) als Distinktionsmerkmal unterstellen. Das gilt für Musik- und Tanzrichtungen genauso wie für bewusst „gebraucht“ (bis zerfetzt) aussehende Kleidung. Auch dadurch können sozial Stärkere ihre vermeintliche Überlegenheit ausspielen – indem sie den ärmeren Schichten genau das nehmen, wodurch die sich ihrerseits (absichtlich oder unabsichtlich) abgesetzt haben von anderen.

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    • gkazakou schreibt:

      das ist ein interessanter Aspekt, an den ich gar nicht dachte. der unechte Pauper. Ich hatte übrigens mit 20 eine prägende Erfahrung, in Algerien, das damals grad unabhängig geworden war. Da ich mir Blasen gelaufen hatte, zog ich die Schuhe aus und ging barfuß (was ich sowieso sehr gerne tue). Die Kinder kommentierten mitleidig: sie hat keine Schuhe! Für sie war der Besitz von Schuhen so wichtig! denn sie schützten gegen Fußverletzungen und Erkrankungen.
      Der Wohlhabende tut sich was drauf zugute, dass er auf manches verzichten kann, was der Arme sehr nötig brauchen würde oder sich als Luxus ersehnt.

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