Ich möchte, angeregt durch den heutigen Beitrag von Jutta hier (Jutta ist wahrhaftig eine Ideengeberin!) heute mal von meiner kunsttherapeutischen Arbeit plaudern. Der titelgebende Satz „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“ hier– ist die Kernthese der modernen Gestalttheorie und wurde – ihr erratet es! – bereits von Aristoteles formuliert. Der Satz lässt sich aber auch umdrehen! Das ist kurios und ein wenig paradox: Die Summe der Teile ist mehr als das Ganze. Seht her! Das Ganze ist ein weißes Blatt Papier, die Summe der Teile ist … etwas ganz Eigenständiges, Aussagekräftiges, eine besondere Gestalt (rechts das Ausgangsmaterial – links das Ergebnis. Demonstration Dr. Avi Goren-Bar)Das machte ich mir in meiner kunsttherapeutischen Gruppenarbeit zunutze. Wenn du jedem das gleiche Ausgangsmaterial gibst – ein leeres Blatt DinA4 Papier -, wird jeder etwas anderes daraus gestalten. Dieses „andere“ wird Aufschluss geben über seine Befindlichkeit, sein Wollen und Denken. Mit diesem Bild könnten wir dann weiterarbeiten…
Der erste Schritt: Jede/r TeilnehmerIn bekommt ein Blatt Papier, das er/sie nach eigenem Geschmack zerreißt oder zerschneidet. Die Teile – und zwar alle ausnahmslos – sollte er/sie dann zu einem Bild zusammenfügen.
Großes Staunen! Man war überrascht, bewunderte, wunderte sich auch. Nun ließ ich alle eine persönliche Signatur aus Knete herstellen und auf ihrem Bild platzieren, dazu auch einen Titel finden und draufschreiben.
und um zu demonstrieren, dass man aus seinem Leben tausend Sachen machen kann, ohne das geringste hinzuzusetzen, ließ ich die TeilnehmerInnen nun neue Bilder finden.
Nun aber galt es zu demonstrieren, dass das Ganze eben doch mehr ist als die Summe seiner Teile: Die einzelnen sollten sich mit ihrem Bild in ein gemeinsames Bild einbringen. Das war ein gar nicht so einfacher Prozess, denn man musste kooperieren und Kompromisse finden. Das Gesamtbild besprachen wir dann, und wenn sich jemand unbequem eingeordnet fand, durfte er um Korrektur bitten und sie auch vornehmen – bis alle zufrieden waren.
Dies war mein erster Versuch unter dem Slogan: Ich mache was aus dem, was ich habe. Ich habe dasselbe wie die anderen auch, aber ich mache daraus mein Ding. Und wenn wir alle das, was wir machen, zusammenfügen, kommt schon was recht Prächtiges dabei heraus.
Gerade im Griechenland der Krise schien es mir geeignet, Mut zu machen, um aus dem wenigen etwas ganz Eigenes und Wundervolles zu gestalten. Und zu erfahren, dass, wenn man sich in einer Gruppe einbringt, noch tausendmal reichere Ergebnisse erzielen kann. Und wenn man mit seinem ersten Produkt nicht zufrieden ist, kann man – einzeln oder gemeinsam – ein anderes machen und wieder ein anderes, bis es einem oder allen wirklich gefällt.
Das Folgende ist ein Beispiel aus der individuellen Arbeit mit einer Frau (eine Sitzung). Ihr seht vier Stadien von der ersten Legearbeit bis zum befriedigenden Ergebnis.
oder diese individuelle Arbeit eines Mannes, in drei Stadien:
Und noch ein paar Beispiele, die ersten beiden von Männern, das dritte und vierte von Frauen (erste Phase)
Jedes Bild ist ein hoch persönlicher Ausdruck, ein Fingerprint, mit dem man dann weiterarbeiten kann. Und das alles aus fast nichts: aus einem weißen Blatt Schreibmaschinenpapier… und gelegentlich ein bisschen Knete oder, stattdessen, ein paar Buntstiften.
„Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile…“
Deine Beispiele sind sehr schön, denn die Einzelteile sollen ja auch ein einheitliches Ganzes bilden und nicht nur als Summe zusammengefügt werden ( z.B. auf einen Haufen gelegt werden – was ja sozusagen auch ein „Ganzes“ wäre).
Ebenso ist eine Silbe auch nicht die Summe ihrer Laute.
LG von Rosie
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Danke dir herzlich Rosie für dein Weiterdenken.
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🙂
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wow – hochinteressant- welch gute Ansätze und sicher auch Fortschritte.
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danke Afrikafrau. Fortschritt ist ein schwieriges Wort. Dies ist für die Teilnehmer ein klitzekleines Steinchen in einem Prozess der Selbstwahrnehmung und der Gruppenfähigkeit.
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Wie eingängig die Arbeit mit einem Blatt Papier sein kann! Und so heiter. Nichts ist in Stein gemeißelt. Bin deinem Beitrag mit großem Vergnügen gefolgt, Gerda.
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Danke dir sehr für dies Wörtchen „heiter“, das mir so wichtig ist.
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Liebe Gerda, vielen Dank für diesen schönen Einblick in deine Arbeit! Mich spricht das sehr an und ich bin begeistert, wie unterschiedlich, wie ausdrucksstark die Ergebnisse sind. Ich grüße dich sehr herzlich!
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Du kennst das Gefühl der Freude, Jutta, wenn in einem Schreibkurs mit einfachen Mitteln so schöne Ergenisse erreicht werden. Das ist das wunderbare an solcher Arbeit, dass ich nicht aus dem Staunen herauskomme unde mich laufend beschenkt fühle.
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Liebe Gerda, das kenne ich tatsächlich sehr gut – auch außerhalb von Schreibkursen 😉
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Es ist doch eine Freude, wie kreativ Menschen sind. Auch die, die behaupten, dass sie es nicht sind. Und jeder Mensch ein Universum …
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Du sagst es! Ein klitzekleiner Anstoß – und schon setzt sich etwas in Bewegung. Es macht so froh, wenn es geschieht.
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Ja, es ist immer eine Freude zuzusehen, wenn Menschen ihre Ressourcen mobilisieren ….
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Diesen Spruch ‚des ganze ist mehr als die Summe seiner Teile‘ habe ich auch einmal in einem Lied in dem gerapt wurde gefunden.
Gebt einmal auf Youtube ‚Genetikk – Yes sir!‘ ein.
LG Chiliwein
😀
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das meinte ich gestern, aös ich scgrieb, dass ich mich wieder sehr auf deine eigenen Geschichten freue …
liebe Grüße
Ulli
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