Nun der November begonnen hat, wende ich mich der 11. Raunacht am 5. Januar zu (hier). Was für eine Karte habe ich damals eigentlich aus dem Stapel der Tarotkarten gezogen, um zu sehen, womit ich mich elf Monate später, im November, schwerpunktmäßig befassen wollte? Es war – zum dritten Mal für dieses Jahr! – der Bube der Münzen! Herrje! seufzte ich, was will dieser Bube nur von mir, dass er mich ständig auffordert, mich mit seinen Qualitäten zu befassen?
Dann aber entschloss ich mich, genau dies noch einmal, und diesmal gründlicher zu tun. Ich betrachtete das Bild eingehend: Der Jüngling steht auf einer weiten blühenden Ebene. Mit sanfter Gebärde hebt er seinen Schatz ans Licht und betrachtet ihn innig. Was ist der Schatz? Die Ressourcen, sagte ich. Oder auch die Talente, mit denen wir wuchern sollen(*). „Gaben“, sagt man auf deutsch. Jemand ist „begabt“. Es wurde einem etwas mitgegeben. Etwas, auf das man sich nichts einzubilden braucht, denn man hat es nicht durch Fleiß erworben,
Als ich dies nun wieder lese, fällt mir ein, dass eine meiner Ausstellungsbesucherinnen zu mir sagte. „ich weiß nicht, ob es das das richtige Wort ist, aber: Sie haben Talent“. Und ich nickte und dankte und nahm es hin, obgleich ich im Inneren mit Picasso kommentierte „Talent ist Fleiß“.
Ich lese nun weiter, was mir im Januar durch den Kopf ging: „Der Jüngling schaut ganz entspannt auf seine Talente, hält sie locker in der Hand wie einen Vogel, der gleich wegfliegen will. Oder der grad gelandet ist? Nach rechts, in die Zukunft gerichtet ist der Blick. Aus der Zukunft heranschwebend sein Glück? Wie auch immer: der zugefallene Schatz der Gaben will beachtet und gepflegt und genutzt werden.
Das ist eine Verpflichtung. Tut man es nicht, macht man sich schuldig als Jemand, der seine Anlagen nicht nutzte, seine Talente vergeudete. „Du sollst mit deinen Talenten wuchern! Tust du es nicht, bist du ein fauler Knecht und wirst in die Finsternis verbannt.“ So heißt es im biblischen Gleichnis (*). Das Thema ist also durchaus angstbesetzt. Ich glaube, das ist auf der neurografischen Zeichnung zur Junikarte ausgedrückt.“
(*) Das Gleichnis von den Talenten, mit denen man wuchern soll, wird im Neuen Testament gleich zweimal erzählt. Es ist eine Geschichte, die schwer zu verdauen ist. Bei Matthäus beginnt sie so: Es ist wie mit einem Mann, der auf Reisen ging. Er rief seine Diener und vertraute ihnen sein Vermögen an. Dem einen gab er fünf Talente Silbergeld, einem anderen zwei, wieder einem anderen eines, jedem nach seinen Fähigkeiten. (Talent = griechische Maßeinheit, ca 26 kg Silber entsprechend). Zwei der Diener verdoppeln in der Abwesenheit ihres Herrn den anvertrauten Betrag, der Dritte aber fürchtet, etwas falsch zu machen, und vergräbt ihn aus Angst vor Strafe. „Herr, ich wusste, dass du ein strenger Mann bist; du erntest, wo du nicht gesät hast, und sammelst, wo du nicht ausgestreut hast; weil ich Angst hatte, habe ich dein Geld in der Erde versteckt. Hier hast du es wieder.“ – Sein Herr antwortete ihm: „Du bist ein schlechter und fauler Diener! Du hast doch gewusst, dass ich ernte, wo ich nicht gesät habe, und sammle, wo ich nicht ausgestreut habe. Hättest du mein Geld wenigstens auf die Bank gebracht, dann hätte ich es bei meiner Rückkehr mit Zinsen zurückerhalten. Darum nehmt ihm das Talent weg und gebt es dem, der die zehn Talente hat! Denn wer hat, dem wird gegeben, und er wird im Überfluss haben; wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat. Werft den nichtsnutzigen Diener hinaus in die äußerste Finsternis!“
Dann aber entschloss ich mich, das Thema im November anders aufzufassen, und schrieb: Im November aber will ich unbeschwerter damit umgehen. Gaben fließen uns täglich neu zu. Wir brauchen nur die Hände und die Sinne zu öffnen, um den Reichtum des Lebens zu fühlen und zu genießen.
Und so machte ich damals eine neue neurografische Zeichnung der Karte, die für den November gelten sollte:

Nach der recht strengen Disziplin, der ich mich im Sommer unterwarf (zwei Ausstellungen auszurichten, ist ohne solche Disziplin nicht möglich), gehe ich dem November entspannt entgegen. Ich will freundlich empfangen, was er mir zu bringen hat, und das Beste draus machen.
Im übrigen gilt es, das durch die Ausstellungen Gewonnene nun auch mit leichter Hand an die weiterzugeben, denen es Erleichterung und Freude verschafft. „Mit leichter Hand“ – darauf kommt es beim Verschenken ja an! Und auch das will geübt sein.
Talent ist nur Übung und Übung macht den Meister.
Muss endlich unsere Tarotkarten wieder finden ☺️
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Die Tarotkarten sind für mich ein intelligentes Spiel – Bilder eben, die man auslegen kann ganz nach Bedarf.
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Talent ist eine Gabe .. aber besonders in der Kunst
ist der besondere Blick und Gefühl das I-Tüpfelchen … und das ist in deinen Werken stark sichtbar 😀
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vielen Dank! „Talent ist Fleiß“ sagte Picasso, und auch das stimmt. ich habe viele Menschen mit viel größerem Anfangs-Talent zum Zeichnen und Malen getroffen, und doch ist es durch Nichtstun versandet.
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schön gesagt, danke dir!
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Wie, in der Bibel ist von einer Bank die Rede??
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Ja, jedenfalls heißt es so in der Übersetzung. Der Geldverleih war ja nicht unbekannt, die jüdische und später auch die christliche und die islamische Religion verboten ausdrücklich die Zinsnahme (allerdings beschänkt auf die Glaubensgenossen), und auch im antiken Griechenland gab es den Geldverleih bzw das Kreditwesen. Im Neuen Testament spiegeln sich die Zustände im Römischen Reich, von denen Google AI sagt: „Das Bankwesen im Römischen Reich entwickelte sich aus dem Geldwechsel und beinhaltete neben Kreditgeschäften auch Einlagen und den Zahlungsverkehr per Anweisung. Die Hauptakteure waren private Bankiers (argentarii), die Münzen tauschten, Zinsen verlangten und Kredite vergaben, wobei sie die Geschäfte in eigenen Büchern festhielten. Es gab auch staatliche und Tempelbanken, und der Zahlungsverkehr konnte über die Stadtgrenzen hinaus durch Anweisungen abgewickelt werden….“
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Finde ich sehr erstaunlich, vor allem die Bezeichnung „Bank“ in biblischen Zeiten. Dieselbe Quelle (Google-KI) teilt mit, dass die erste Bank im 15. Jahrhundert gegründet wurde 🙂
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Die erste noch bestehende Bank ist die Banca Monte dei Paschi di Siena, gegründet 1472, „doch das Bankwesen an sich ist viel älter. Tatsächlich datiert der erste Prototyp einer Bank auf 2000 v. Chr. zurück, als Kaufleute Getreidekredite an Bauern und Händler vergaben, die Waren zwischen Städten transportierten.“ (DiePresse.com)
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Spannend !
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