Der Oktober, der „Eremit auf dem Kopf stehend“ und was daraus wurde.

November, der Neunte, kam heute Nacht mit Dauerregen. Ich sitze noch im Hotel und warte drauf, dass es aufklart. Vielleicht reicht die Zeit, um auf den vergangenen Monat Oktober zurückzublicken und mich auf die diesen Monat begleitende Tarotkarte zu besinnen. Die Karte, die ich am 4. Januar in der 10. Raunacht zog, war der „Eremit auf dem Kopf stehend“ (hier). Meine Gedanken dazu habe ich noch einmal zu Beginn des Monats Oktober zusammengefasst (hier). Dabei überlegte ich, welche Monatsaufgabe sich mir wohl stellen würde mit dem „auf dem Kopf stehenden“ Eremiten. In normaler Stellung bedeutet er ungefähr: Rückzug und Suche nach der inneren Wahrheit.

Ich schrieb dazu: „So mancher denkt: ich müsste diese Fragen (Wer bin ich, weshalb bin ich in der Welt…) mal bündeln, mich zurückziehen, von der Bühne verschwinden, nur mit mir selbst sein und alle äußeren Impulse abschalten. Dann fände ich endlich die Antworten. – Ja, auch ich denke oft an Rückzug. Und tu es doch nicht. Denn ich misstraue dem Konzept der Eremitentums. Drum freue ich mich, den Eremiten auf dem Kopf stehend gezogen zu haben. Für mich ist das Heilmittel „Eremit“ eine „Kopfgeburt“: die bequeme Vorstellung, dass es die Umwelteinflüsse seien, die mich hindern, zu mir selbst zu kommen.“

Und fuhr in meinen Betrachtungen fort: Natürlich brauche ich Pausen, Rückzug, Meditation. Die aber sollen sich in den Tageslauf eingliedern und nicht an seine Stelle treten. In den normalen Tätigkeiten und Menschenbegegnungen liegt der Stoff, an dem ich reife. Wer sich isoliert, bleibt in sich versponnen und verworren. Und was die Laterne angeht: Nein, sie kann durchaus nicht leisten, was die liebe Sonne uns tagtäglich spendet: strahlend helles Licht!

Und so nehme ich gerne die Herausforderung des auf dem Kopf stehenden Eremiten für den Oktober an: Nimm deine Fragen an dich selbst ernst, ja! Aber hole dir die Antworten aus der Mitwelt, von den Menschen und der Natur. Schau, wie die Früchte im Oktober reifen! Sie ziehen alle Kräfte der Sonne nach Innen, um sie zu verwandeln und als Saft und Farbe, als Nahrung und Kern für neues Wachstum zurückzugeben an die Welt.

Das schrieb und zeichnete ich im Januar, holte es Anfang Oktober wieder hervor und kam zu meiner Monats-Devise:

Geh in Beziehung zu den Menschen, um von ihnen zu lernen, zu reifen und ihnen das Deine zu geben. Schau in dich selbst und prüfe dein Weshalb und Wozu.

Und waswurde nun daraus?

Nach einem gemächlichen Oktoberbeginn mit all den schönen Dingen,die man beim abflauenden Sommer und reifenden Herbst tun kann – schwimmen, spazierengehen, nach dem Garten schauen, wie es mit den Früchten steht, Freunde wiederfinden, die im Sommer verschollen waren, Zeichnen am gemeinsamen Klostertisch, Arbeitsgruppen desBehiondertenvereins besuchen und vieles mehr… – sammelte ich mein Sach und machte mich auf nach Koroni, um dort eine Ausstellung auszurichten. Die sollte das Geld bringen, das für mache Hilfen unabdingbar ist, und eine weitere Probe auf meine Idee einer zyklischen Beziehung von Menschen-Dingen-Geld und Freude sein.

Und so sitze ich seit neun Tagen – ein auf dem Kopf stehender Eremit in meiner Klause – und warte darauf, dass die Welt zu mir kommt. Der Eremit flieht die Welt und ich warte auf sie, warte darauf, dass jemand durch die Tür tritt, sich umschaut, vielleicht sich auch auf ein Gespräch einlässt, vielleicht sich auch zu einem Kauf entschließen kann.

Und tatsächlich kamen Menschen hereinspaziert, Bekannte und Unbekannte, Junge und Alte, Kinder, Jugendliche, Erwachsene, ganz Alte, Frauen und Männer, Familien, Touristen, ansässige Ausländer, Griechen von voandersher und Einheimische…. und wir sprachen miteinander, der erhoffte Kreislauf der  Freude kam leise und doch deutlich vernehmbar in Gang. Sogar zu einem ZOOM-Interview mit dem örtlichen Fernsehen kam es.

Vor allem habe ich gefühlt, wie gut ich verstanden und unterstützt wurde. Mein Dank gilt all diesen Menschen, die mir geholfen haben, dies Abenteuer gut zu bestehen, und das sind nicht wenige. Mein dank gilt auch denen, die Bilder erworben und damit den Zweck des Unternehmens unterstützt haben. Morgen werde ich die gekauften Bilder ihren neuen Besitzern übergeben und die restlichen Bilder der Ausstellung einpacken und heimfahren.

Und schauen, was der November mir bringen möchte.

 

 

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About gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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11 Responses to Der Oktober, der „Eremit auf dem Kopf stehend“ und was daraus wurde.

  1. Deine Monats Devise finde ich gut. Was wurde daraus? ———-++++~~~~~~Ich weiß zu wenig davon, hoffe, daß ….es Dir gut geht, Gerda.☺️🌸💕✨🌊💛🖐️

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  2. Avatar von Christine Jendrijk sagt:

    Gerda? Kannst du mir etwas über die Karte Die Mäßigkeit sagen?

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  3. Danke, das freut mich, Gerda.

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  4. Avatar von steinegarten steinegarten sagt:

    Tarotkarten sind immer spannend .. besonders die eigene Sicht und Interpretation .. du hast offensichtlich daraus einen guten Monat für dich geacht 🙂

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    • Avatar von gkazakou gkazakou sagt:

      Ja, wichtig ist, eine positive Sicht auch bei Karten herauszulesen, die auf den ersten Blick eher schwarz aussehen. Dann können sie einen unterstützen. Sonst ziehen sie einen runter.

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  5. Du kannst es gut, liebe Gerda, auf die Menschen zugehen und vertraut werden mit ihnen, die Du eben noch nicht kanntest.
    Ich brauche ein Weilchen und habe leider die Tendenz, mich eine Zeitlang einzuigeln, bis etwas in mir sagt: Raus mit Dir, da ist etwas, das Du Dir unbedingt ansehen mußt… 🙂

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    • Avatar von gkazakou gkazakou sagt:

      Das stimmt, wir Menschen sind verschieden. Ich habe gar keine Mühe, mich auf mir unbekannte Menschen einzulassen oder auf sie zuzugehen. Ich finde es das normalste von der Welt. Zum Glück für mich sind die meisten Griechen auch so. Hier kannst du tatsächlich mühelos Kontakte knüpfen. Ob daraus dann was wird, ist eine andere Frage.

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