Reiner hat ein „Mitmachding“ initiiert. Es geht darum, jeden Tag einen Text zu einem Wort zu posten, das sich auf der Holsteiner Treppe in Wuppertal, verteilt auf 9 Absätze befindet. Es reizt mich, da mitzumachen, allerdings eher nicht mit eigenen Textproduktionen, sondern mit literarischen Assoziationen und Gedichten anderer. Ich bin gespannt, welche Texte, Gedichte, Geschichten jedes dieser Wörter in meiner Erinnerung aufleuchten lässt. All diese Erinnerungen an Gelesenes und im Gedächtnis Aufgehobenes sollen mir einen nachklingenden Teppich weben, den ich über die Stufen lege, um noch einmal hinaufzusteigen.

„Wertschätzen“ – was fällt mir dazu an Literarischem ein? Ich selbst schätze natürlich so einiges wert, aber darum kann es hier ja nicht gehen. Ich suche nach Erinnerungen aus meinem literarischen Gedächtnis.
Da mir nichts einfällt, schaue ich im Netz nach. Und finde sogleich ein schönes wertschätzendes Wort von Kollege zu Kollege – von Einstein (1879-1955) zu Goethe (1749-1832):
In einem Brief an Leopold Casper aus dem Jahr 1932 schrieb Einstein, er bewundere Goethe als „einen unvergleichlichen Dichter und einen der klügsten und weisesten Männer aller Zeiten …. Auch seine wissenschaftlichen Ideen verdienen hohe Wertschätzung, und seine Fehler sind die eines jeden großen Mannes.“
Und Goethe selbst? Auch er hat sicher etwas Wertschätzendes gesagt. Freilich! Sagte er nicht: Jeder Augenblick ist von unendlichem Wert? Ich vergewissere mich und finde das Zitat:
Jeder Zustand, ja jeder Augenblick ist von unendlichem Wert, denn er ist der Repräsentant einer ganzen Ewigkeit.

Quelle: Goethe, J. W., Gespräche. Mit Johann P. Eckermann, 3. November 1823, befunden bei Aphorismen.
Ich finde, damit ist eigentlich alles gesagt. Andererseits…. von Goethe ist auch der Faustische Schwur, mit dem er sich in Mephistos Hände gibt:
Werd ich zum Augenblicke sagen:
Verweile doch! du bist so schön!
Dann magst du mich in Fesseln schlagen,
Dann will ich gern zugrunde gehn!
Wertschätzen, aber nicht festhalten, das ist es! Die Wertschätzung liegt darin, den Augenblick voll zu leben, aber ihn nicht festnageln zu wollen! Denn das würde ihn abtöten und zudem eine mangelnde Wertschätzung gegen die übrigen noch zu lebenden Augenblicke zeigen, die jeder wert sind, gelebt zu werden.

ein wunderbarer Beitrag! Danke, Gerda. 😍
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