Reiner hat ein „Mitmachding“ initiiert. Es geht darum, jeden Tag einen Text zu einem Wort zu posten, das sich auf der Holsteiner Treppe in Wuppertal, verteilt auf 9 Absätze befindet. Es reizt mich, da mitzumachen, allerdings eher nicht mit eigenen Textproduktionen, sondern mit literarischen Assoziationen und Gedichten anderer. Ich bin gespannt, welche Texte, Gedichte, Geschichten jedes dieser Wörter in meiner Erinnerung aufleuchten lässt. All diese Erinnerungen an Gelesenes und im Gedächtnis Aufgehobenes sollen mir einen nachklingenden Teppich weben, den ich über die Stufen lege, um noch einmal hinaufzusteigen.
Rassistische Verfolgung ist schlimmer als politische, denn der, der verfolgt wird, hat nicht die Möglichkeit, einem unerwünschten Aspekt seiner Existenz abzuschwören und dadurch der Verfolgung zu entkommen. Mascha Kaleko ist unter den Bedingungen der rassistischen Verfolgung geboren worden – aufgewachsen – zur Dichterin geworden …
Eine sehr schöne Auswahl ihrer Gedichte, die sich wie eine Autobiografie liest, fand ich hier. Dieser Auswahl habe ich auch das folgende Gedicht entnommen.

Mascha Kaléko
Überfahrt
Wir haben keinen Freund auf dieser Welt.
Nur Gott. Den haben sie mit uns vertrieben.
Von all den Vielen ist nur er geblieben.
Sonst keiner, der in Treue zu uns hält.
Kein Herz, das dort am Ufer um uns weint,
nur Wind und Meer, die leise uns beklagen.
Lass uns dies alles still zu zweien tragen,
dass keine Träne freue unsern Feind.
Sei du im Dunkel nah. Mir wird so bang.
Ich habe Vaterland und Heim verlassen.
Es wartet so viel Weh auf fremden Gassen.
Gib du mir deine Hand. Der Weg ist lang.
Und wenn das Schiff auf fremder See zerschellt,
wir sind einander mit dem Blut verschrieben.
Wir haben keinen Freund auf dieser Welt.
Uns bleibt das eine nur: uns sehr zu lieben.

Mein Lieblingsgedicht unter den aufgeführten: „Die frühen Jahre“. Und ich gedenke einer unvergessenen Interpretin, deren Stimme mir immer noch im Ohr ist, wenn ich es lese.
Ach.
Danke.
Nachmittagskaffeegrüße ⛅🎶💻☕
LikeGefällt 2 Personen
Eine wundervolle Dichterin, die viel Leid ertragen mußte und die Kraft auch für ihren zweiten Mann brauchte, der, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, kein Englisch sprach. Sie tat es für ihn…
LikeGefällt 1 Person