Ein letzter Impuls, den ich noch nicht bedient habe:
„Man kann im Alter entweder weise werden oder verblöden. Die häufigste Form der Altersblödheit besteht darin, daß man sich für weise hält.“
Friedrich Torberg
Diesen Satz will ich schnell noch kommentieren, bevor diese Impulswerkstattrunde, liebe Myriade, vorbei ist. Ich mache es kurz und böse.
Ist der Satz ein Aperçu*, oder, da offenbar schriftlich festgehalten, sogar ein Aphorismus?
Vielleicht, aber ein blöder. Eine Weisheit, die ich blöde finde. Sie kommt bombastisch daher und spricht ihr Urteil, als wären die Menschen Linsen, und der Herr Torberg Aschenbrödels Täubchen. Kennst du doch, das Märchen: die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen?
Mit wem oder über wen spricht Herr Torberg eigentlich? Meint er sich selbst? Dann würde sein Satz von einer geradezu sokratischen Selbsterkenntnis zeugen: er merkt, dass er alt und blöd wird und hält sich (deshalb?) nicht für einen Ausbund der Weisheit, ergo ist er trotz seiner zunehmenden Blödheit weise. Kann natürlich auch sein, dass er nur mit seiner angeblich fehlenden Weisheit kokettiert, denn er spricht ja, als wüsste er Bescheid, als wäre er weise, auch wenn er das natürlich nie zugeben würde, da er sonst ja doppelt blöde wäre.
Falls er aber nicht über sich selbst, sondern über alternde Menschen im allgemeinen spricht? Dann wäre er ein Beispielsfall für die Gültigkeit seiner Theorie: ein Altersverblödeter, der sich für weise hält.
Vielleicht ist er aber noch gar nicht alt und spricht über etwas, das er gar nicht aus eigener Erfahrung kennt? Dann ist er einfach nur anmaßend.
Wenn ich mal vom Inhalt absehe: was ist das eigentlich für eine logische Figur, in der solche Urteile daherkommen? Es wird ein Gegensatz konstruiert, dessen Elemente sich ausschließen (entweder A oder B, weise oder blöd, tertium non datur). Wenn nun der B daherkommt und behauptet, er sei A, dann …, ja dann ist er freilich erst recht B.
Und ich? Was bin ich denn nun? Alt bin ich, das ist unbestreitbar, bin ich nun auch verblödet? oder weise? oder doppelt verblödet, sofern ich mich für weise halte?
Darauf ein Gläschen vom Weine von Kodnar.
*Aperçu, auch Bonmot oder Sentenz genannt, bezeichnet eine prägnante Bemerkung, die auf einen geistreichen oder scharfsinnigen Einfall zurückgeht. Wird es schriftlich festgehalten, kann das Aperçu mit seiner sprachlichen Prägnanz als literarischer Aphorismus fungieren. (zitiert nach Wikipedia)


Hihi, sehr hübsch und logisch, kurz und böse. Torberg ist selbst schon verstorben, verblödet war er eindeutig nicht, vielleicht hat es ihm aber stellenweise ein bisschen an Weisheit gefehlt. „Die Tante Jolesch oder der Untergang des Abendlandes in Anekdoten“ ist sehr zu empfehlen, oder auch der „Schüler Gerber“. Selbstkritisch muss ich anmerken, dass das Zitat schlecht gewählt war. Danke für den Beitrag und Prost!
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Danke für die Lesetipps! Die Tante Jolesch kenne ich vom Hörensagen. vielleicht wär es grad passend.
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Ja, die Zeiten haben durchaus eine Tendenz zum Weltuntergang …
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Untergang des Abendlandes, nicht der Welt.
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Gut, das Berichtigen und weise wäre, gelassen zu bleiben oder wäre das, einfach nur faul oder fantasielos zu sein?
Wie wir es drehen und wenden,
wirklich wissen tun wir nix…😉
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Ja, stimmt …
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Ein Gläschen Wein ist immer. Ich finde Wein muss sein wie ich, lieblich. Deshalb trinke ich Moselwein.
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🙂 Ich liebe den Rotwein, fruchtig und etwas herb.
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Altersstarrsinn, das kennt wohl jeder.
Unzweifelhaft verliert man im Alter. Das wird, auch so eine Weisheit, kompensiert durch Erfahrung. Aber stimmt das wirklich? Ich glaube: Nein!
Zumindest nicht automatsich.
Ein alter Mensch hat (gewöhnlich !!) viel gesehen, aber jedes Mal hatte er eine Brille auf.
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Mit allgemeinen Urteilen ist es immer so eine Sache. Was wissen wir schon über den Zuwachs an Weisheit, Erfahrung, Starrsinn im allgemeinen? Wir können es immer nur an uns selbst und bei uns sehr vertrauten Menschen verfolgen, und dann wissen wir immer noch nicht, woran es zB liegt, dass jemand auf einer bestimmten Ansicht beharrt, auch wenn die Tatsachen dagegen sprechen. Das tun ja junge Menschen ebenfalls – da schiebt man es auf mangelnde Erfahrung.-
Ich persönlich bin sicher nicht starrsinniger, sondern eher flexibler in meinem Urteil geworden, und ich überschaue eine größere erlebte Zeitspanne als jüngere Menschen, die das eben nur aus Erzählungen kennen, das aber sagt wiederum nichts aus über den Wert dieser Erfahrung. „Brillen“ hat jeder auf der Nase, egal ob alt oder jung.
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Manchmal weiß es der Mensch selbst nicht, wieso er beharrt. Das können ganz frühe Enttäuschungen sein. Wenn man Glück hat, erwischt man solch einen Zipfel der Vergangenheit..
Ob Du selbst flexibler in Deinen Urteilen geworden bist?!
Das sollten andere beurteilen.
Ich denke immer an das Gleichnis Rashomon. Jeder sieht das Gleiche, da dabei, ein jeder sieht aber etwas anderes.
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Andere können das auch nicht beurteilen, lieber Gerhard, da sie mich nicht so lange kennen. Ich selbst bin die einzige, die mich schon seit achtzig Jahren kennt und vergleichen kann, wie ich früher war und wie ich jetzt bin.
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Dein Mann kennt Dich gut, auch dein Sohn. Das wären schon mal zwei.
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Schön, dass du immernoch meine Schnipsel verwendest, liebe Gerda. Ich finde den Spruch auch doof.
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die Sonne 👋
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