Eben habe ich bei der Kirche des Hl. Georg Halt gemacht und mich in alle Richtungen umgeschaut. Ich mag diesen Platz, an den sich kaum mal ein Mensch verirrt – außer die Kirche wird für Feierlichkeiten geöffnet. Die gar nicht so kleine Kirche liegt auf einem Vorsprung der Küste, den man nur über den Privatweg einer kleinen Wohnsiedlung erreichen kann. Hinter der Kirche gibt es einen von Unkraut überwucherten vertieften Rundplatz, dessen frühere Funktion ich nicht ergründen konnte, dahinter stürzt die Küste steil ab.
Um den Rundblick zu ergänzen, zeige ich auch den mit runden Steinen gepflasterten Hof, den jetzt kahlen Mandelbaum und das Hinterland mit seinen Bausünden und seinen sanft ansteigenden Olivenhainen, dahinter das Vorgebirge des Taygetos.
Dann steige ich hinunter an den Strand, der hier aus grobem Geröll besteht, und wende mich zurück zum Dorf. Ein gut befestigter und mit Kakteen geschmückter Pfad führt hinüber. Wie oft bin ich hier mit Tito gegangen! Immer sehe ich ihn schwanzwedelnd vor mir, wenn ich durch diesen Engpass gehe. (hier, im Januar 2020).
Unten in der Bucht, in einem Geröllfeld, haben Anrainer ein friedliches Palmenwäldchen gepflanzt. Jedes Mal, wenn ich vorbei komme, freue ich mich, dass die Pflänzchen sich gut entwickeln. Im Hintergrund sieht man eine schon recht große Palmen-Gruppe.
Steine, Steine. Die Auswahl ist groß. Welchen Stein soll ich zuerst betrachten? den zerklüfteten mit rostigen Verfärbungen und Einschlüssen von Glimmer? Oder das weiße glatte Riesenei?
Es ist nicht ganz einfach, über die Geröllfelder zu wandern. Vor der Hauswand des Strandlokals liegt Geröll vom letzten Sturm.
Die Wanddekoration am Nachbarhaus ist verblichen, nur ein roter Fisch hat seine Farbe behalten.
Von hier aus führt eine Treppe, die von albanischen Steinmetzen gebaut wurde, hinauf ins Dorfzentrum, mit seiner stattlichen Kirche und einigen alten sowie neu hinzugebauten oder renovierten Häusern. Viele sind es nicht, das Dorf ist klein, aber die Geschichte groß. Denn hier stand in alten Zeiten ein Asklepios-Tempel, und hier verbrachten die letzten Kaiser von Byzanz, als sie Konstantinopel verloren hatten und im benachbarten Mystras residierten, ihre Sommer. Das Klima galt als besonders förderlich für die Gesundheit. Der alte Name des Dorfes und der Region „Avia“ ist sogar noch älter, leitet sich her vom Herakles-Mythos: Avia war die Amme des Herakles.
Als ich in unsere Straße einbiege, fällt mir das verbeulte, verblasste Stoppzeichen auf. Daneben steht ein Strommast, übersät mit Reißzwecken, Löchern und winzigen Papierfetzen. Im Hintergrund sieht man ein primitives Mehrfamilienhaus, in dem die Albaner untergekommen sich, die in der Landwirtschaft und auf dem Bau arbeiten. Die meisten haben inzwischen Familie. Es ist ein armer, aber kommunikativer Ort.
Ich mag solche symbolträchtigen Orte, an denen nicht nur zwei Straßen, sondern viele Schicksale zusammenzulaufen scheinen. Ich mag auch die Unmittelbarkeit der Materialien: grob, rau, ungeschminkt. Also suche ich einen passenden Winkel und mache ein Foto davon.
Da hält ein kleines Auto neben mir und ein junger Mann steigt aus. Ich komme mir etwas albern vor, denn wer versteht schon, wozu man ein solches Motiv fotografiert. Der junge Mann aber beachtet mich nicht, schreitet grußlos zum Strommast und heftet einen Zettel mit schwarzem Rand über die anderen Löcher.
Dann verschwindet das Auto. Ich lese und erinnere mich an eine Nachricht, die vor anderthalb Monaten die Dorfgemeinschaft erschütterte: Ein Pilot und Ausbilder der Luftwaffe trat zu seinem letzten Flug an – und stürzte aus unbekannten Gründen ab. Die Medien waren voll davon. Er bekam ein Staatsbegräbnis, der Verteidigungsminister eilte nach Kalamata und hielt die Begräbnisrede. Nun, 40 Tage danach, wird eingeladen zum Mnemosyno, der üblichen Gedenkfeier. Ein rissiger durchlöcherter Strommast trägt die message, die bald einer ähnlichen weichen wird. (Epameinondas Kosteas, Foto: internet).










Wenn ich aus unserer vernebelten Welt deinen Spaziergang von der Dorfkirche hinter zum Strand nachvollziehe, dann wird es mir richtig weh ums Herz und ich sehne mich nach Sonne und Licht. Herrliche Aufnahmen, Gerda!
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Vielen herzliche Dank, Peter! Ja, Griechenland ist und bleibt eine der schönsten Ecken der Erde. Aberich denke, auch eure Weltecke ist schön.
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Dass der text so endet ausläuft…
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Ja, lieber Gerhard. Ich fand es sehr merkwürdig, wie ich es erlebt habe: erst die Anziehung durch die verwahrloste Ecke, und dann diese Ankündigung. Natürlich hätte ich noch weiter erzählen können, aber mir schien es richtiger, hier abzubrechen.
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