Impulswerkstatt Bild 1: Freundinnen.

Die Wände vor der Renovierung

Als man meiner Freundin Herma eine große Scheune für fast Null Miete anbot, witterte sie ihre Chance. „Das wird fantastisch!“, verkündete sie mir voller Energie. Energiegeladen ist sie ja, im Gegensatz zu mir, eigentlich immer, aber jetzt platzte sie beinahe vor Tatendrang. „Ich renoviere den Schuppen von Grund auf und mache einen Treffpunkt für Kunst und Kultur draus! Galerie, Werkstatt, Bücherei, ein kleines Cafe, sowas fehlt doch hier in der Gegend, du wirst sehen, es wird toll!“ – „Du bist verrückt“, hielt ich ihr entgegen. „Wie willst du das schaffen? Malen kannst du ja vielleicht, aber vom Restaurieren alter Gebäude hast du doch keinen Schimmer. Und vom Rest auch nicht.“ – Doch versuch mal, Herma zu stoppen, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat. So zart sie äußerlich wirkt – ihr Wille ist unbeugsam.

Als erstes haute sie den Weg zum Eingang frei. Das war schon mal eine Heidenarbeit, denn der ganze Vorplatz war zugewuchert. Als sie es geschafft hatte, schaute ich mir das Ding mal gründlicher an. Die halb vermoderte Tür hing schief in den Angeln. Vorsichtig überstieg ich das Gerümpel und tastete mich in den düsteren Innenraum hinein. Mit dem Handy beleuchtete ich die Wände.  Igitt! Schimmel hatte sich tief eingefressen, Flechten hatten ihn überzogen, ich entdeckte auch Reste von Graffiti und Schleifspuren.“Wer hier wohl schon gehaust hat,“ murmelte ich angewidert. „Ich versteh dich nicht. Wie kannst du nur hier arbeiten wollen. Willst du deine Gesundheit ruinieren?“ 

Aber sie hörte nicht auf mich. Mit Feuereifer begann sie, sich die fehlende Sachkenntnis anzueignen. Im Netz findet man ja alles.  „Wie renoviert man feuchte Kellerwände“, „Wandfarben für alle Zwecke“ und so weiter. Das Kapitel Dichtungsmittel ist anscheinend besonders umfangreich, eine ganze Wissenschaft. ….

Nein, ich werde dir nicht alle Schritte beschreiben, die meine Freundin unternahm – vorwärts, zurück, mal heulend vor Zorn, wenn etwas schief ging, dann wieder stolz wie Oskar, wenn etwas zu ihrer Zufriedenheit gelang – und immer musste ich Zeuge sein! Wurde hinzitiert, um eine Zementmischung oder eine Wandfarbe zu begutachten, als ob ich nun die große Expertin wäre!

Übrigens hört sie auf meine Ratschläge sowieso nicht. Wenn ich ihr rate, sich nicht zu übernehmen und auch mal ein Päuschen einzulegen, streckt sie den Rücken, verzieht das Gesicht und faucht mich an, dass sie auf solche Ratschläge gut verzichten könne.

Herma

Wahrscheinlich hätte sie meine Hilfe angenommen, aber ich hütete mich, sie ihr anzubieten. Nee, also, bei aller Liebe, diese Art von Schufterei ist nichts für mich. Ratschläge – gern. Aber ansonsten soll jeder die Suppe selbst auslöffeln, die er sich einbrockt. Findest du nicht auch?

ich (Rosalie)

Die Geschichte zieht sich jetzt schon drei Monate hin. Gestern hat sie mir dann tatsächlich den Eröffnungstermin angekündigt. In zwei Wochen soll es so weit sein. Da bin ich echt gespannt. Hast du Lust mitzukommen?


 

Dies ist ein Beitrag zu Myriades Impulswerkstatt, Bild 1. Die Geschichte ist fiktiv. Die Kohlezeichnungen gehören zur neuen Serie, die ich noch nicht zeigte.

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About gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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18 Responses to Impulswerkstatt Bild 1: Freundinnen.

  1. Avatar von Unbekannt Anonymous sagt:

    Ach, wie schade,, dass das eine fiktive Geschichte ist. Ich liebe Berichte von Renovierungen ! Herma 1 sieht aber auch eher skeptisch und abwartend aus und Herma 2 ist für Renovierungsarbeiten nicht richtig gekleidet 😉 Aber das wäre sicher ein schönes Projekt wenn auch sehr aufwändig in der Durchführung. Ich erinnere mich, dass Ihr ja tatsächlich so etwas ähnliches geplant hattet.
    Ganz liebe Grüße und Danke für den Beitrag !

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    • Avatar von gkazakou gkazakou sagt:

      Der Witz der Geschichte ist offenbar nicht deutlich geworden. Die Ich-Erzählerin (Rosalie, 2. Portrait) ist eine dieser feinen „Freundinnen“, die sich n Entmutigungen und guten Ratschlägen ergehen, aber keinen Finger krumm machen, um zu helfen. Wenn es am Ende klappt, wird sie ihre anderen „Freundinnen“ zum neuen Treffpunkt schleppen und ihnen erzählen, wie, „wir das geschafft haben“.
      Ich fand die Idee gut, war dann aber zu müde, sie stilistisch überzeugend auszufeilen. Die beiden Zeichnungen sollten durch ihre Gegensätzlichkeit zum Verständnis beitragen.

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      • Avatar von Closed Account Zielstrebig sagt:

        Ja, wenn etwas schief geht, wird Rosalie sagen: “ Hätte sie nur auf mich gehört. Ich habe gewusst, dass das so enden wird.“😉

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  2. Herma ist sehr jung !! Und hat Hosen an.
    „Was will mir die Welt“?!
    Kein Zweifel, daß sie das alles wuppt!!

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  3. Zwei ganz hervorragende Zeichnungen, Gerda.

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  4. Avatar von Myriade Myriade sagt:

    Oh das habe ich wirklich nicht so ganz verstanden, weil ich die Beschriftung des zweiten Bilds übersehen habe. Das tut mir leid, ich war aber auch abgelenkt, weil gerade in der Therme angekommen

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  5. Avatar von wildgans wildgans sagt:

    Dem Gerhard schließe ich mich gerne an!
    Sonja

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  6. Avatar von Ola Ola sagt:

    Mir gefallen die Bilder dieser typischen Gechichte am besten.

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  7. Bild Nr. 1 – Tatkraft und Energie zeigt die junge selbstbewußte Dame. Sie kann anpacken.

    Bild Nr. 2 – Sehr lässig, ihre Haltung. Eine junge moderne Frau, die leger in ihrem Sessel sitzt und sich ansieht, was ihre Freundin mit Feuereifer zuwege bringt. Sie selbst möchte sich im Moment ihre Hände nicht schmutzig machen, sie scheint mir leicht ermüdet…

    Daß Du eine fiktive Geschichte geschrieben hast, wurde mir erst durch Deine Erklärung bewußt 🙂

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