Auch gestern schob sich beim Zeichnen der „Matrix-Gedanken“ in den Vordergrund. Ich hatte Lust, das rechteckige Stück, das Susanne aus ihrem Blumenbild herausgeschnitten hat, zu zeichnen, um so vielleicht besser zu verstehen, was aus ihm – dem „Muttertier“ – hervorgehen könnte.
Hier die Zeichnungs:
Was aber hatte ich gewonnen? Die Karte blieb isoliert in meiner Hand, ein Fremdkörper. Und wenn ich das Muster nun in Susannes eigenem Blumenbild aufsuchte? Aber da fand ich es nicht, die Dimensionen sind zu unterschiedlich, die Auflösung zu niedrig. Ich erahnte es irgendwo in den Blütenblättern.
Also legte ich das Stück mit Susannes abgeschnittenen Linien auf ein leeres Blatt und zog die Linien weiter aus. Der weiße Raum drum herum belebte sich angenehm,
Meine ins leere Weiß hineinwachsenden Linien werden deutlicher erkennbar in bearbeiteter Fassung.
Versuchsweise legte ich das Kärtchen verkehrt herum in meine Zeichnung. Sofort entstand eine Unruhe, trotz Ähnlichkeit passte nichts mehr, mit der Harmonie war es vorbei.
Nimm es meinetwegen als Gleichnis: wenn du „verrückt“, also an einen fremden Platz gestellt wirst, wirkt das, was du von dir hinaus und in die Welt hineinprojiziert hast, verkehrt und verworren. Ein Beispiel wäre die Verschickung von Kindern, die am Anfang oft unter starkem Heimweh und sogar Todesängsten leiden. Oder auch die ersten Tage im Kindergarten, in der Schule. Nichts von dem Gewohnten scheint zu passen.
Es braucht seine Zeit, um die Verwirrung zu ordnen und erneut einen lebensfähigen Zusammenhang zwischen sich und der Umwelt herzustellen. Man „rückt“ sich und/oder die Dinge, die verrückt erschienen, „zurecht“. Man gewöhnt sich ein.
Wird die „Matrix“ in ein völlig fremdes Milieu verlegt, kommt es zu keiner Harmonisierung. Es fehlt auch der freie Raum, um das Eigene nach außen zu projizieren. Das dürfte bei Migranten der Fall sein.
Stell dir vor, du emigrierst als Deutsche/r nach Griechenland oder gar in ein afrikanisches oder asiatisches Land. Dann siehst du dich einer kompakten Welt gegenüber, in der deine „Matrix“ nicht vorgesehen ist (Bild 1). Du legst nun deine Matrix über die fremde Welt im Versuch, sie deinen Wahrnehmungs- und Verhaltensgewohnheiten irgendwie zu unterwefen, damit du dich darin zurechtfindest. Es ist eine Art Übersetzungsvorgang. (Bild 2)
Du kommst vielleicht zu dem Schluss: hier, in diesen kleinen Winkel Mitte links passe ich hinein, dort kann ich leben, der Rest ist schwierig, unverständlich, verrückt. Viele Migranten meiden den Kontakt mit dem „Großen Ganzen“ und schaffen sich ihr eigenes „passendes“ Ghetto. Menschen aus fremden Kulturen, die nach Deutschland kommen, machen es meist ebenso. Sie ziehen dorthin, wo „Ihresgleichen“ leben und wo sie sich mit ihren gewohnten Wahrnehmungsmustern zurechtfinden. Das ist der Hauptgrund der Ghettobildung.
Vielleicht aber beginnst du nach einiger Zeit, weil du es willst oder musst, deine eigenen Wahrnehmungslinien ein wenig mehr an das anzupassen, was um dich herum geschieht, Eine wirkliche „Integration“ kommt so nicht zustande. Weder wirst du wie „die anderen“ noch wird das andere so, wie es deinen Erfahrungen in der „Heimat“ entspricht. Aber es entsteht eine spannungsreiche, lebensfähige, fruchtbare Beziehung zwischen dem Deinen und dem Fremden.









Das zerschnitten Original-Blumengemälde ist jedenfalls einmalig schön. Wie gut, daß Du es wenigstens im Foto bewahrt hast, Gerda!
Diese Blume hat, glaube ich, noch viel mehr zu „sagen“.
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Danke für deine sehr guten Gedanken, Gerda!
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Vielen Dank, Marion, ich freue mich, dass ich mich offenbar verständlich ausgedrückt habe.
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Ja, das klingt sehr plausibel.
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freut mich, Myriade. Als ich das schrieb, dachte ich: ob es wohl verständlich ist?
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Doch, doch es ist völlig verständlich, ich weiß nur nicht, ob ich es zurecht als Beschreibung deiner eigenen Situation verstehe
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Meine eigenen Erfahrungen haben mir geholfen, das Muster zu verstehen, das natürlich nicht nur für mich, sondern für alle Menschen in ähnlichen Situationen gilt. Für mich ist dann die Weiterentwicklung zu einer lebensfähigen Austauschbeziehung möglich geworden. Für viele gilt das nicht. Da bleiben sich Migrant und Aufnahmekultur fremd und reiben sich bös aneinander, wenn sie sich denn mal begegnen.
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Ja, das ist sehr wahr.Gelungene Integration in der richtigen Balance zwischen Eigenem und Neuem ist nicht allzu häufig …
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Es ist schwierig, es braucht Zeit und günstige Umstände.
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Doch, doch es ist sehr verständlich, liebe Gerda,
und mit Deinem letzten Satz sagst Du genau das,
was wir eigentlich alle erkennen,
wenn wir nur genau genug hinsehen…
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Das freut mich, Bruni!
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Liebe Gerda!
Was für eine tolle Idee!
Weisst du, was das verrückte ist. Offensichtlich habe ich Schnipsel gemischt. So wie du deine Bilder sortierst, habe ich auch eine Schublade mit meinen Bildern sortiert. Dabei habe ich offensichtlich zwei zerschnittene, zerrissene Bilder auf einen Schnipselhaufen für dich gelegt.
Hier also das Bild zum Schnipsel
Ich hoffe, der Kommentar gelangt trotz des Links zu dir.
Die Schmetterlinge hatte ich für das Buch Landtiere gezeichnet. Nina vom Eichhörnchenverlag fand das Bild für Kinder zu unruhig. Beim Aufräumen fand ich, dass die Schnipsel gut zu den Blumenschnipseln passen könnten. Ich hatte es vergessen. Wie schön, dass ich mich durch deine Beschäftigung mit dem Schnipsel wieder daran erinnert habe.
Manchmal habe ich das Gefühl, mein Kopf ist so voller Erinnerungen und Gedanken, dass ich sie nicht mehr abrufen kann. Es ist, als ob der Index fehlt. Den hast du mir gerade für die Schmetterlinge gegeben.
Danke 🙂
Liebe Grüße ins Ferne Griechenland von Susanne
P.S. Heute habe ich an meiner Diss geschrieben und mich dabei mit dem Werkverzeichnis von Louise Bourgeois beschäftigt. Wieder über meine Diss gebeugt, dachte ich, ich schaue mir lieber mal wieder Gerdas Blog und damit ihr Werkverzeichnis an. 🙂
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Mein Werkverzeichnis! hatschi! Mir ist heute beim Umräumen und Sichten zu viel Staub in die Nase eingedrungen, ich bekam einen heftigen Niesanfall. Wäre ich berühmt wie die Bourgois, würde ich die Anlage des Werkverzeichnisses den Nachgeborenen überlassen und meine Kräfte fürs Malen nutzen. 🤨
Liebe Susanne, ich hab mich so über deinen Kommentar und den Link gefreut, aber als ich begriff, dass du nicht nur das große Blumenbild, sondern auch die Schmetterlinge zerschnippelt hast, würde mir ganz plümerant zu mute. Machst du das mit vielen Bildern?
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Liebe Gerda,
ja, ich gehe regelmäßig meine Schubladen durch und zerstöre an meinen Werken, was ich meine, was nicht meinem Standard entspricht. Julian, mein Sohn, wird diese Entscheidungen nach meinem Tod nicht treffen können und so kann es sein, dass die Arbeit, die mir am Herzen liegen in der Masse der anderen untergehen.
Leider habe ich nicht so viel Zeit, wie ich gerne hätte, um mich um mein Werk zu kümmern. Im Moment ist es wieder ganz schlimm mit Terminen und Veranstaltungen. Gut, dass ich mir in meinem Kalender immer „freie Zeit“ als Termin eintrage, so vergesse ich nicht, mir diese zu nehmen.
Liebe Grüße Susanne
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Danke, diese Haltung wollte ich auch einnehmen. Wenn ich die erste Phase des Ordnens hinter mir habe, beginnt die zweite: welche Arbeiten möchte ich als meinen Fußabdruck in der Welt bewahrt wissen?
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Liebe Gerda,
bist du schon in die zweite Phase eingetreten? Ich bin seit 1 1/2 Wochen krank und nicht auf den neusten Stand der Dinge. Ich fange erst langsam an, wieder zu lesen und meine Kommentare zu beantworten.
Ganz doll liebe Grüße von Susanne
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Liebe Susanne, ich wünsche dir eine schnelle vollständige Genesung! Ich bin seit einer Woche in Athen und daher praktisch gar nicht mit dem Atelier vonnöten Stelle gekommen. Aber immerhin habe ich nun die Fotos so ziemlich beisammen, das hilft auch. Und ich mache virtuelle Ausstellungen, um dann in der Realität schneller voranzukommen.
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Langsam geht es mir besser, liebe Gerda. Ich Danke für die guten Wünsche, die haben bestimmt dazu beigetragen.
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Du bist die ganze Zeit krank gewesen? O wei. Weiterhin gute Besserung! Man hört ja, dass viele krank sind.
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Ja, Gerda, ich hatte eine Nasennebenhöhlenentzündung. Eigentlich war ich den gesamten Dezember krank, musste aber einige Termine wahrnehmen.
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Und jetzt geht es besser? Ich wünsche dir sehr viel Widerstandskraft gegen die winterlichen Attacken, liebe Susanne. Von Herzen! Gerda
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Es geht besser. Das ganze war mir eine Lehre, ich achte mehr auf mich.
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Hoffentlich. 😉
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