Tagebuch der Lustbarkeiten: Ausstellung besuchen (Back to Athens, AGEing). Machst du mit?

Mein gestriger Ausflug ins Zentrum von Athen galt zwei Freundinnen und einer großen Ausstellung, an der sie teilnehmen. „Back to Athens“ ist der Titel der seit 10 Jahren mit internationaler Unterstützung ausgerichteten Veranstaltung, an der über 150 Künstler teilnehmen, darunter auch etliche Deutsche, Österreicher und Schweizer.  Ausstellungsort ist ein palastartiger, 2006 vollständig revonierter aber inzwischen leider wieder etwas verlotterter Bau an der Patissionstraße, das ISAIAH Mansion (hier), nicht weit vom Archäologischen Nationalmuseum.

Jeder Raum steht unter einem anderen Motto. Zunächst ein Blick in den Raum mit dem Motto AGEing (Altwerden), in dem meine Freundin Slobodanka Stupar zusammen mit anderen Künstlern, darunter auch Freundin Irene Diadou, ihren Beitrag  zeigt.

 

Ich werde gleich von einem merkwürdigen Spiegel angezogen, vor dem ein Stuhl steht. Der Stuhl gehört zu Slobodankas Installation, Sitzen ist leider nicht erlaubt.

Was ist mit dem Spiegel los? Irritiert bleibe ich davor stehen. Aha, in der Mitte fehlt die Spiegelfläche, stattdessen erscheint eine Schrift. Ich entziffere: The world has more than one age. We lack the measure of the measure….

Wenn man genau hinschaut, entdeckt man auch die im Spiegel sich spiegelnde Inschrift auf dem Stuhl: Ηλικια steht da, und das heißt Alter – im neutralen Sinne.

Jedes Ding hat ein Alter, jeder Mensch auch. Wenn der Mensch nach seinem Alter gefragt wird und er ist jung, dann sagt er vielleicht stolz: „schon bald neun!“ Fühlt er aber das Alter wie eine bedrohliche Wetterfront heraufziehen, dann sagt er: „Reden wir besser nicht davon“. Und so nennt Slobodanka denn auch ihr Werk „Spiegel (in dem sie sich selbst nicht gerne sieht“ )

Ich stimme ihr nicht zu: Jedes Alter hat seine Schönheit! Und sie hat auch nichts dagegen, dass wir uns beide in ihrem Werk spiegeln.

Meine Neugier führt mich immer auch „hinter die Kulissen“: Wie hat sie denn ihre Idee technisch umgesetzt? Aha, auf der Rückseite fehlt dem Glas ein Gutteil seiner Spiegelmaterie, sie ist weggekratzt. Und die Schrift befindet sich auf einer Pergamentrolle, die durch diese Lücke lesbar wird. Man kann freilich auch, wenn man sich hinter den Spiegel stellt, ein Stück des Raums sehen. Spiegel ist ja auch nichts weiter als Glas mit einer Beschichtung. Kratzt du die Beschichtung weg, verschaffst du dir Durchblick. Ich überlege, wie die Menschen wohl reagieren würden, denn statt der Schriftrolle die Künstlerin hinter dem Spiegel säße und man nichtsahnend hineinschaut und sie schaut zurück….  eine Variante zu Slobodankas Landsmännin Marina Abramovics „the Artist is present“ (Moma 2010).

Und was sonst ist in diesem Raum mit dem Motto AGEing zu sehen? Ein paar der Werke habe ich etwas länger betrachtet.

„Sunset Contemplations“ von Irene Diadou, einer befreundeten Künstlerin, deren großes blau-gelbes Zypressenbild in unserem Wohnzimmer hängt. Irene ist die einzige dieser Gruppe, die als Malerin zu bezeichnen ist. Alle anderen machen Fotodrucke, Installationen und Konstruktionen aus verschiedenen Materialien, spielen mit Kunstlicht, Spiegeleffekten und mehr. 

Erinnerungshäuser von Giorgos Lintzeris

Ein kunstvolles Vitro „Ageing of Iakovidis‘ painting“ von Elena Stigka (Giorgios Iakovidis, 1853-1932 (hier) war einer der wichtigsten Vertreter der Münchner Schule in Griechenland. Seine Darstellungen des Familienlebens sind bis heute sehr beliebt).

Ein aus verschiedenen Materialien zusammengesetztes Werk, das der Künstler „selbst-bezüglich“ nennt

Figuren aus recyceltem Material, wunderliche Schatten werfend,

Selbstbild in gleicher Positur, mit 30 Jahren Abstand aufgenommen

Ich finde das Thema „AGEing“ – Altwerden, altern – interessant. Es betrifft uns ja alle, mehr oder weniger. Bloggerfreund Pacht hat dazu schon eine Reihe von Beiträgen geliefert (https://einladungzupachtsblog.com/2023/06/28/28-06-23-gedankenspiele-im-alter-mit-worten-anderer-37-235/), vielleicht auch andere? Falls ihr etwas dazu gebloggt habt oder beitragen wollt, wäre es nett, es hier zu verlinken. Danke.

 

Avatar von Unbekannt

About gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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13 Responses to Tagebuch der Lustbarkeiten: Ausstellung besuchen (Back to Athens, AGEing). Machst du mit?

  1. Avatar von Verwandlerin Verwandlerin sagt:

    Oja, jedes Alter hat seine Schönheit…

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  2. Avatar von Sonja Sonja sagt:

    Was bin ich froh, dass mir solche feinen Kunstsachen nicht entgehen dank deinem Engagement!

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  3. Avatar von Myriade Myriade sagt:

    Ich schreibe gerne auch etwas zum Thema „altern“ , aber ich fürchte ich habe frühestens morgen Abend Zeit .

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  4. Eine interessante Ausstellung, Gerda.
    Das Selbstbildnis zeigt eine jung gebliebene Frau. Altern sehe ich sie kaum, vielleicht ein bissel reifer…

    Ich hätte ein Geidcht von 2017 anzubieten, Gerda.
    Ich glaube, es passt gut

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  5. Avatar von Myriade Myriade sagt:

    Mein Text kommt morgen. Ich hoffe, dass der Ping funktioniert

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