Gestern auf der Hinfahrt nach Athen, heute auf der Rückfahrt überquerte ich den Kanal von Korinth über eine kleine versenkbare Brücke bei Isthmos. Gestern wollte ich sie meiner kleinen Besucherin zeigen, heute saß ich allein im Terrassencafe und wartete darauf, dass die versenkte Brücke wieder auftauchte. Einige Segelboote, eine große Motoryacht und ein touristischer Katamaran kreuzten durch das türkisblaue Wasser.
An dieser Stelle sind die Ufer des Festlands und der Peloponnes flach, der Kanaldurchstich mit seinen steilen Wänden beginnt ein wenig weiter westlich (Foto vom Oktober 2016). Im Hintergrund sieht man eine der drei großen Brücken, die über den Kanal führen.

Das Brückchen ist in einem schlechten Zustand, von den beiden Fahrspuren ist nur noch eine vorhanden, und die Fußgänger müssen sich mit den Autos die schmale Spur teilen. Die Wartezeiten sind beträchtlich. Heute blieb die Brücke 40 Minuten versenkt, bis sie mit Gerumpel und Gequietsche vom Grund auftauchte. Einige silbrige Fische wanden sich verzweifelt, um durch die Ritzen zwischen den Bohlen zu schlüpfen und den Rückweg ins Wasser zu schaffen, bevor die Autos sie zerquetschten.
Im Jahr 2016 sah die Brücke noch so aus:

Schade, denn dieser Ort ist ein touristisches Highlight, eines der vielen, mit denen dieses Land wenig anzufangen weiß. Dabei fehlt es nicht an Personal. Die staatliche Kanalgesellschaft verfügt über eine stattliche Anzahl von Beamten, die in einem fahnengeschmückten Gebäude am Ausgang des Kanals ihrer Arbeit nachgehen.
Nun, wie auch immer: die natürlichen Schönheiten halten bei aller Verwahrlosung durch den Menschen stand.
Mit dem Kanal verbinden mich zahlreiche persönliche Erinnerungen. Die erste Begegnung fand im Frühjahr 1967 statt, als ich im Rahmen einer Reise des AStA der FU Berlin von Italien nach Israel schipperte. Wir standen an Deck, blickten die hochragenden Wände des Kanals hinauf und winkten, kleine Gestalten oben winkten zurück und warfen … Weintrauben aufs Deck. Immer wenn ich daran denke, kommt es mir vor, als handele es sich um ein Märchen. War es wirklich so, oder täuscht mich die Erinnerung?
Ein paar Informationen zum Kanal (nach Wikipedia u.a.)
Der 6,3 km lange Kanal, der den Golf von Korinth mit dem Saronischen Golf verbindet und den 600 km langen Seeweg von Patras nach Piräus um bis zu 325 km verkürzt, wurde in den Jahren 1881-1893 gebaut. Das war eine von zwei ungarischen Ingenieuren beaufsichtigte Meisterleistung, denn das Felsgestein des Isthmus musste in einer Tiefe von 84 m weggesprengt werden, um eine schiffbare Wassertiefe von 8 m zu erreichen.
Der Kanal hat, wie Griechenland überhaupt, sehr unter der deutschen Besatzung gelitten. 1944 sprengte die deutsche Wehrmacht, bevor die abzog, Teile der Steilwand und sämtliche Brücken, versenkte massenhaft Eisenbahnwaggons und Loks im Kanalbett und platzierte Minen, um den Wiederaufbau zu erschweren. Ein Ingenieur-Corps der US-Armee brauchte drei Jahre (1946-November 1948), um hunderttausende Tonnen Schutt und Geröll zu entfernen und ihn wieder zu eröffnen.
Auch jetzt sind wieder umfangreiche Sanierungsarbeiten nötig, die zu halbjährigen Sperrungen des Kanals führen. Das ist heute insofern von geringer wirtschaftlicher Bedeutung, als eh nur noch kleinere Schiffe (erlaubte Breite 17 m) passieren dürfen. Auch ist die Umfahrung der Peloponnes bei heutigen Schiffen nicht mehr so gefahrvoll wie in früheren Zeiten.
Die Idee, einen Kanal durch die Landverbindung zwischen dem Festland und der Pelops-Insel (Peloponnes) zu bauen, ist natürlich nicht erst im 19. Jahrhundert, sondern zweieinhalbtausend Jahre vorher, unter dem Tyrannen von Korinth Periander (7. vorchr. Jahrhundert) entstanden. Realisiert wurde dann im 6. und 5. Jahrhundert v. Chr. der Diolkos, ein 8 km langer Weg mit Spurrillen, um Schiffe vom Korinther zum Saronischen Golf hinüberzuschleppen und so die gefährliche Umschiffung der Peloponnes zu vermeiden. – Später ließen römische Kaiser von Caesar bis Nero die Möglichkeit eines Kanaldurchstiches untersuchen, Nero begann sogar mit konkreten Arbeiten, indem er etwa 6000 jüdische Sklaven zum Isthmus beorderte, die, von zwei Seiten sich vorarbeitend, in der Mitte den Durchbruch zustandebringen sollten.
Auch die Venezianer, die die Peloponnes (Morea genannt) besetzt hatten, trugen sich mit dem Gedanken des Kanalbaus. Nun, daraus wurde schließlich auch nichts. Erst durch die Erfindung des Dynamits (Alfred Nobel) gelang das Werk, das zu großen Teilen vom griechischen Bankier und Stifter Andreas Syngros finanziert wurde. (Diesem Andreas Syngros verdanken wir übrigens auch den Stadtwald „Syngrou“, in dem ich so gern spazieren gehe, wenn ich in Maroussi bin).
Amüsant zu lesen ist ein zeitgenössischer Bericht über den Kanalbau, zu finden hier. Da findet man auch Einzelheiten über die damalige Bedeutung des Kanals, die geologischen Probleme, die ausländischen Arbeiter und die Finanzierung.


Ach, ich hab Sehnsucht nach dem Meer.
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Ich konnte es gerade mal einen Tag ohne aushalten….
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Ich war schon Jahrzehnte nicht mehr am Meer – schluchz
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Danke für diese Einblicke, Gerda!
Unglaublich dieses Türkis…
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Die Meeresfarbe und die Farbe des Kanals machen eine schöne Farbsinfonie.
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56 Jahre liegen zwischen heute und deinen Erinnerungen von 1967. Da bleibt es nicht aus, dass sie verblasst sind und heute fast märchenhaft anmuten. Mir geht es ähnlich. Schreibe ich solche Erinnerungen auf, erwächst in mir die Frage, obs überhaupt passiert ist.
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Das war sehr interessant zu lesen!
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