Was zuletzt geschah: Wilhelm hat seine Geschichte erzählt. Jenny und Abud sind beeindruckt, weil er reich und angesehen war.
Wilhelm:
Ja, Jenny, ich war ziemlich weit bekannt
und hatte einen guten Ruf in meinem Land
weil ich die Reichen immer reicher machte
so dass man mich auch reichlich mitbedachte.
Auf Truds Nachfrage hin rührt er an das Trauma seiner Kindheit: seelische und körperliche Misshandlung durch den allmächtigen Vater-Richter, dem er den Tod wünscht. Er führt ein Doppelleben zwischen angesehenem Anwaltsberuf und heimlicher Unterstützung einer revolutionären Bewegung, der dann sein Vater zum Opfer fällt (Ödipus-Analogie). Er flieht aus seinem Land (Peru) und sucht Frieden in der Einsamkeit der Berge. Die Wunde heilt langsam.
Wenn ich allein war hier in der Natur
da sprach ich oft mit ihm, damit er mal erfuhr
was er mir angetan. Und wie ich ihn gehasst.
Doch jetzt nicht mehr, denn die Erinnerung verblasst.
Domna (rezitiert)
„Wer sich der Einsamkeit ergibt,
Ach! der ist bald allein;
Ein jeder lebt, ein jeder liebt,
Und lässt ihn seiner Pein.“*
Wilhelm (rezitiert)
„Ja! lasst mich meiner Qual!
Und kann ich nur einmal
Recht einsam sein,
Dann bin ich nicht allein.“*
Domna (rezitiert)
„Wer nie sein Brot mit Tränen aß,
Wer nie die kummervollen Nächte
Auf seinem Bette weinend saß,
Der kennt euch nicht, ihr himmlischen Mächte.“*
Wilhelm (rezitiert)
„Ihr führt ins Leben uns hinein,
Ihr lasst den Armen schuldig werden,
Dann überlasst ihr ihn der Pein;
Denn alle Schuld rächt sich auf Erden“.*
(*Es handelt sich um die ersten und letzten Strophen vom Lied des Harfners, J.W.Goethe, Wilhelm Meisters Lehrjahre)
Domna:
Gerührt hast du sehr tief an mein Empfinden
denn so wie dir erging es auch der Blinden
als sie noch sah, und doch nichts recht erkannte.
und alles Schmerzliche ins Unbewusste bannte.
Erblinden musste sie, auf dass sie sah
was in dem Inneren der Seele spielte
und sie bemerkte das, was nah,
während ihr Geist ins Weite zielte.
Du, Lieber, hast Vergangnes schwer durchlitten
und hast den Kreis der Sühne abgeschritten.
Nun kannst du abtun von der müden Seele
die alte Schuld, auf dass sie dich nicht quäle
und dich behindre auf dem neuen Pfad
den du nun hast betreten grad.
Wilhelm
Du sprichst es aus, was ich nur matt empfunden:
Ich habe einen neuen Weg gefunden.
Noch weiß ich nicht, wohin er mich wird führen.
Doch kann ich ihn schon untern Füßen spüren.
Fotis
So willst du gehn? Ach bleib doch noch zur Nacht!
Was willst du draußen jetzt in der Natur?
Weißt du nichts Spaßiges? Ich hätte gern gelacht.
Wie spät ist’s wohl? Ich habe keine Uhr.
Wilhelm:
Sehr gerne bleib ich und hör mehr Geschichten
von diesen Menschen, die ich wenig kenne.
Mich drängt ja nichts, ich habe keine Pflichten,
Isolde ruft nicht mehr, so dass ich renne.
Fotis
Ne Frau? Natürlich, dacht ichs doch
die trieb dich fort aus deinem Loch.
Doch jetzt tut Eile nicht mehr not
Kommt schon von selbst ins rechte Lot.
Wie ists mit dir, du schwarzer Mann
Ich finde, jetzt bist du mal dran,
Ganz sicher kommst du von weit her.
und weißt Geschichten, bitte sehr!
Du erinnerst mich an ein prägendes Erlebnis meiner frühen Jugend, als ich mit 12 oder 13 Jahren „Wilhem Meisters Lehr- und Wanderjahre“ las.
Danke!
Liebe Grüße Aus Bad Homburg von Gerel
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In so jungem Alter schon? Was blieb denn da später noch als Lektüre über? 😉
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Der Bücherschrank meiner Mutter war voll, aber mit 14 kam ich zu den Diakonissen, da war Schluss mit dem Lesen, nur noch arbeiten, arbeiten, arbeiten…. Erst mit knapp 18 war ich dann wieder eine Leseratte!
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O je, deine Jugendjahre konntest du nicht ausleben? Da ist es ein Glück, dass du früh begonnen und später nicht aufgegeben hast.
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Muss es am Ende bei Wilhelm nicht heißen „Isolde ruft NICHT mehr“? oder ruft mich nicht mehr?
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Danke, Werner, für dein aufmerksames Lesen! Ich verbessere es gleich.
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