Was zuletzt geschah: Domna erklärt Hawi den Unterschied zwischen Menschen und Hunden (Sprache). Jenny beweist Abud, dass er Wilhelm noch etwas schuldig ist (weil er ihn bestehlen wollte), und Wilhelm, dass Abud ihn nicht bestohlen hat (weil es nichts zu stehlen gab). Die ganze Gesellschaft macht sich auf den Weg. Domna beschwört die Macht der Worte, Gutes und Schlimmes zu bewirken.
Nun gehts voran, ich danke sehr
dass ihr gekommen seid.
ich hatte keine Hoffnung mehr
und dachte, ihr seid weit.
Ihr hattet mich zurückgelassen
dort nah am Sumpf und hier im Hain.
Ich dacht, mein Herz erträgts gelassen
denn stets war ich als Mensch allein.
Ich lernte früh, mich selbst versorgen
denn es war niemand für mich da.
In jeder Nacht, an jedem Morgen
hings nur von mir ab, was geschah.
Doch dann kamt ihr, und mit euch kamen
schon längst vergessne Träume wieder
und in den Träumen fielen Namen
die fuhren schwer mir in die Glieder.
Ein Name wars, von reinem Klang
wie Gold der Sonne, Mondenschein
ich hörte ihn, und er versank
und wieder war ich ganz allein.
O du, Isolde, holde Braut
du ließt mich weh zurück.
ich brauche dich, ich sag es laut,
denn ohn dich ist kein Glück.
Danai.
Du hast verloren sie dort in der Schlucht
Und willst sie wiederfinden in der Bucht?
Wilhelm
Nicht mehr, sie gab mir zu verstehen
dass ich vergeblich nach ihr strebe.
Es nütze nichts, sie anzuflehen,
ich solle ändern, wie ich lebe.
Ich solle in der Lieb mich üben
in kleinen Dingen dankbar sein.
Ich solle Menschen nicht betrüben
dann wäre ich auch nicht allein.
Dann kam der Erste, doch er wollte
mir helfen nur für gutes Geld
ich fluchte ihm, dass er sich trollte
und abzog übers weite Feld.
Dann kamt ihr her, mit euch Abud
der hat kein Recht, bei uns zu leben.
Auf ihn hatt‘ ich ne große Wut
war nicht bereit, ihm Geld zu geben.
Nun aber hilft er, mich zu tragen
ich bin gerührt und dank ihm sehr.
Ich lern in meinen alten Tagen
vielleicht noch danken, ist nicht schwer.
Die Gesellschaft kommt bei Danais Höhle an.
Danai:
Wie wärs mit einer kleinen Rast?
Kommt nur herein und seid mein Gast!
Es warten Clara und die Trud
du kennst sie ja, nicht wahr, Abud?
Wir ließen sie hier bei den Schafen
jetzt sind sie sicher ausgeschlafen.
Sie betreten die Höhle.
Trud
Kommt ihr schon? Wo wart ihr so lange?
Denkt ihr, dem Kindlein wurde nicht bange?
Clara
Ach liebe Trud, mir war nicht bang,
du halfst mir sehr mit dem Gesang
Du weißt so schöne alte Lieder
ich hoff du sagst sie mir mal wieder.
Trud
Du mochtest die Lieder? Und du willst noch mehr?
Das freut mich, mein Kindlein, da dank ich dir sehr.
Was willst du denn hören? was soll es denn sein?
Clara
Singst du nochmal das, wo Kuckuck und Esel schrein?
Trud beginnt zu singen, die anderen fallen nach und nach mit ein. Schließlich singt sogar Abud den Refrain mit.
Der Kuckuck und der Esel,
Die hatten großen Streit,
|: Wer wohl am besten sänge 😐
|: Zur schönen Maienzeit. 😐
Der Kuckuck sprach: „das kann ich!“
Und hub gleich an zu schrei’n.
|: „Ich aber kann es besser!“ 😐
|: Fiel gleich der Esel ein. 😐
Das klang so schön und lieblich,
So schön von fern und nah:
|: Sie sangen alle beide 😐
|: Kuku kuku ia! *
Wie sie im besten Gesang sind, kommt der Hirt mit seinem Hund herein. Sie verstummen erschrocken.
*Der Liedtext stammt von Hoffmann von Fallersleben (1835), die Melodie von Carl Friedrich Celters (1810). Peter Rühmkorf zählte in seiner Rede bei Entgegennahme des Hoffmann-von-Fallersleben-Preises für zeitkritische Literatur Der Kuckuck und der Esel zu Hoffmanns „ ‚sechs bis acht vollendeten Gedichten‘ (nach Gottfried Benn), die sich am Ende eines entsagungsvollen Lebens schließlich als Ernte betrachten und der Nachwelt als sozusagen ‚hinter-lassungsfähige Gedichte‘ präsentieren ließen.“ (Quelle: Wikipedia)
wird fortgesetzt.
Ein guter Cliffhanger, liebe Gerda. 🙂
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🙂 Danke, ja, ich bemühe mich immer um solche Übergänge von Szene zu Szene, die mit dem Atemholen auch ein Nachdenken evozieren sollen.
Hier ist es die Frage nach Schein und Sein, Erwartung und Erfüllung. Was für ein Mensch ist dieser „Hirt“? Wir wissen es nicht. Daher ist alles, was die Figuren (und wir) über ihn denken, Projektion eigener Befürchtungen und Wünsche.
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Die Sinnesänderung von Wilhelm ist erstaunlich, auch in seiner poetischen Sprache.
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„Der Kuckuck und der Esel…“ ein „vollendetes Gedicht“? Ich staune.
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Peter Rühmkorf ist halt ein Dichter, den solche Gedichte inspirieren. Ich mags auch. Es spielt an auf die lächerliche Großtuerei der Menschen, die, selbst wenn sie nur IA und Kuckuck sagen können, sich für große Künstler halten und miteinander konkurrieren.
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Moral mit sparsamsten Mitteln. Dazu braucht es auch ein bißchen Humor, das gut zu finden.
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Ja, sicher. Humor brauchts sowieso und überall.
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Hm. Du sagst es.
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Die Gruppenbildungen auf der Bühne entstehen immer wieder neu. „Die ganze Gesellschaft“ all dieser so bunten Figuren zusammenzufassen, ist sicher nicht einfach. Die 2 Afrikaner stehen einzeln da, eine lose Zweiergruppe. Und der Hirt mit Hund bildet die neue 3. Gruppe.
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Danke, Gisela. Ja, ich habe manchmal Mühe, all die Figuren unterzubringen. Und natürlich möchte ich durch die Gruppenbildung auch die Aussagen im Text unterstützen, was nicht immer gelingt.
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Ich staune, wie gut Dir das gelingt, Gerda.
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