Welttheater, 4. Akt, 38. Szene: Wilhelm besinnt sich, Trud singt

Was zuletzt geschah: Domna erklärt Hawi den Unterschied zwischen Menschen und Hunden (Sprache). Jenny beweist Abud, dass er Wilhelm noch etwas schuldig ist (weil er ihn bestehlen wollte), und Wilhelm, dass Abud ihn nicht bestohlen hat (weil es nichts zu stehlen gab). Die ganze Gesellschaft macht sich auf den Weg. Domna beschwört die Macht der Worte, Gutes und Schlimmes zu bewirken. 

Wilhelm:

Nun gehts voran, ich danke sehr

dass ihr gekommen seid.

ich hatte keine Hoffnung mehr

und dachte, ihr seid weit.

 

Ihr hattet mich zurückgelassen

dort nah am Sumpf und hier im Hain.

Ich dacht, mein Herz erträgts gelassen

denn stets war ich als Mensch allein.

 

Ich lernte früh, mich selbst versorgen

denn es war niemand für mich da.

In jeder Nacht, an jedem Morgen

hings nur von mir ab, was geschah.

 

Doch dann kamt ihr, und mit euch kamen

schon längst vergessne Träume wieder

und in den Träumen fielen Namen

die fuhren schwer mir in die Glieder.

 

Ein Name wars, von reinem Klang

wie Gold der Sonne, Mondenschein

ich hörte ihn, und er versank

und wieder war ich ganz allein.

 

O du, Isolde, holde Braut

du ließt mich weh zurück.

ich brauche dich, ich sag es laut,

denn ohn dich ist kein Glück.

Danai.

Du hast verloren sie dort in der Schlucht

Und willst sie wiederfinden in der Bucht?

Wilhelm

Nicht mehr, sie gab mir zu verstehen

dass ich vergeblich nach ihr strebe.

Es nütze nichts, sie anzuflehen,

ich solle ändern, wie ich lebe.

 

Ich solle in der Lieb mich üben

in kleinen Dingen dankbar sein.

Ich solle Menschen nicht betrüben

dann wäre ich auch nicht allein.

 

Dann kam der Erste, doch er wollte

mir helfen nur für gutes Geld

ich fluchte ihm, dass er sich trollte

und abzog übers weite Feld.

 

Dann kamt ihr her, mit euch Abud

der hat kein Recht, bei uns zu leben.

Auf ihn hatt‘ ich ne große Wut

war nicht bereit, ihm Geld zu geben.

 

Nun aber hilft er, mich zu tragen

ich bin gerührt und dank ihm sehr.

Ich lern in meinen alten Tagen

vielleicht noch danken, ist nicht schwer.

 

Die Gesellschaft kommt bei Danais Höhle an.

Danai:

Wie wärs mit einer kleinen Rast?

Kommt nur herein und seid mein Gast!

Es warten Clara und die Trud

du kennst sie ja, nicht wahr, Abud?

Wir ließen sie hier bei den Schafen

jetzt sind sie sicher ausgeschlafen.

Sie betreten die Höhle.

Trud

Kommt ihr schon? Wo wart ihr so lange?

Denkt ihr, dem Kindlein wurde nicht bange?

Clara

Ach liebe Trud, mir war nicht bang,

du halfst mir sehr mit dem Gesang

Du weißt so schöne alte Lieder

ich hoff du sagst sie mir mal wieder.

Trud

Du mochtest die Lieder? Und du willst noch mehr?

Das freut mich, mein Kindlein, da dank ich dir sehr.

Was willst du denn hören? was soll es denn sein?

Clara

Singst du nochmal das, wo Kuckuck und Esel schrein?

Trud beginnt zu singen, die anderen fallen nach und nach mit ein. Schließlich singt sogar Abud den Refrain mit.

Der Kuckuck und der Esel,
Die hatten großen Streit,
|: Wer wohl am besten sänge 😐
|: Zur schönen Maienzeit. 😐

Der Kuckuck sprach: „das kann ich!“
Und hub gleich an zu schrei’n.
|: „Ich aber kann es besser!“ 😐
|: Fiel gleich der Esel ein. 😐

Das klang so schön und lieblich,
So schön von fern und nah:
|: Sie sangen alle beide 😐
|: Kuku kuku ia! *

Wie sie im besten Gesang sind, kommt der Hirt mit seinem Hund herein. Sie verstummen erschrocken.

*Der Liedtext stammt von Hoffmann von Fallersleben (1835), die Melodie von Carl Friedrich Celters (1810). Peter Rühmkorf zählte in seiner Rede bei Entgegennahme des Hoffmann-von-Fallersleben-Preises für zeitkritische Literatur   Der Kuckuck und der Esel zu Hoffmanns „ ‚sechs bis acht vollendeten Gedichten‘ (nach Gottfried Benn), die sich am Ende eines entsagungsvollen Lebens schließlich als Ernte betrachten und der Nachwelt als sozusagen ‚hinter-lassungsfähige Gedichte‘ präsentieren ließen.“ (Quelle: Wikipedia)

wird fortgesetzt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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11 Antworten zu Welttheater, 4. Akt, 38. Szene: Wilhelm besinnt sich, Trud singt

  1. Mitzi Irsaj schreibt:

    Ein guter Cliffhanger, liebe Gerda. 🙂

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    • gkazakou schreibt:

      🙂 Danke, ja, ich bemühe mich immer um solche Übergänge von Szene zu Szene, die mit dem Atemholen auch ein Nachdenken evozieren sollen.
      Hier ist es die Frage nach Schein und Sein, Erwartung und Erfüllung. Was für ein Mensch ist dieser „Hirt“? Wir wissen es nicht. Daher ist alles, was die Figuren (und wir) über ihn denken, Projektion eigener Befürchtungen und Wünsche.

      Gefällt 1 Person

  2. Gisela Benseler schreibt:

    Die Sinnesänderung von Wilhelm ist erstaunlich, auch in seiner poetischen Sprache.

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  3. Gisela Benseler schreibt:

    „Der Kuckuck und der Esel…“ ein „vollendetes Gedicht“? Ich staune.

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  4. Gisela Benseler schreibt:

    Die Gruppenbildungen auf der Bühne entstehen immer wieder neu. „Die ganze Gesellschaft“ all dieser so bunten Figuren zusammenzufassen, ist sicher nicht einfach. Die 2 Afrikaner stehen einzeln da, eine lose Zweiergruppe. Und der Hirt mit Hund bildet die neue 3. Gruppe.

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