Welttheater, 4. Akt, 35. Szene: Hera spricht zu Abud

Was zuletzt geschah: Abud ist auf der Suche nach Nahrungsmitteln in den Keller von Wilhelms Lager gerutscht. Doch der Keller ist leer, und ein Hinaufklettern ohne Hilfe unmöglich. Er sitzt in einer Falle. Schurigel ängstigt ihn und Diaphania bezichtigt ihn der Unaufrichtigkeit. Nun erscheint Hera.

Hera:

Ich warnte, du wanderst auf gefährlichem Grat

Doch hörtest du leider nicht auf meinen Rat.

Nun sitzt du im Keller und kannst nicht heraus

Ich hoffe du ziehst eine Leere daraus.

Abud

Wo kommst du jetzt her?

Ich bitte dich sehr

Hilf du mir heraus

Ich lern schon daraus.

Hera:

Was lernst du, mein Freund, aus deiner Erfahrung?

Wirst du dir jetzt anders beschaffen die Nahrung?

Wirst anders du sehen die Menschen in Not?

Wirst redlich du teilen die Wurst und das Brot?

Abud

Bestimmt, das ist klar, ich lerne daraus!

Doch erst mal, ich bitte, hilf mir heraus.

Hera

Ich bin eine Göttin, ich kann dir nur raten

dein Schicksal bestimmst du durch eigene Taten.

Abud

Du bist eine Göttin? Ne Göttin, die spricht?

Das glaub ich dir nicht, denn die gibt es ja nicht.

Das ist alter Plunder, da weiß ich Bescheid

da würd ich drauf leisten auch jeglichen Eid:

 

Soviel einer ruft, so viel einer schreit,

und bittet die Götter zu lindern das Leid

sie hören uns nicht, sie bleiben uns fern.

Sie leben wohl auf einem anderen Stern.

 

Hera:

Ein Gott kann nicht helfen, er kann dir nur raten

dein Schicksal bestimmst du durch eigene Taten.

Ich riet dir, was recht ist, und dass du’s beachtest

doch schlecht schien mein Rat dir, den du gleich verlachtest.

 

Du warst dir sehr sicher, dass du Strafe vermeidest

Du selbst hast verschuldet, dass du nun hier leidest.

Abud

Ich hatte doch Hunger, was sollte ich machen?

Ich wollte nur schaun, was es gibt hier für Sachen.

Vielleicht eine Wurst, vielleicht ein Stück Brot!

Wenn ich nichts zu essen hab, bin ich bald tot.

Hera:

Du sagst, du willst frei sein, du willst dich nicht binden

du denkst jeden Tag, es wird sich schon finden

Du lebtest bisher, grad wie’s dir gefiel,

Und wolltest nicht fragen: wo ist denn mein Ziel?

 

Willst du dein Leben nur ziellos durchwandern,

anstatt dass du schaffst, was dann hilft auch den andern?

Willt du dein Lebenziel endlich erfassen,

anstatt, wie der Wind weht, dich treiben zu lassen?

 

Du musst jetzt hier sitzen, damit du bedenkst

wie du in Zukunft dein Lebensschiff lenkst.

Doch schicke ich einen Menschen zu dir.

Vielleicht könnt ihr finden vom Ich hin zum Wir.

Hera geht ab.

Jenny erscheint in der Luke.

wird fortgesetzt

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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5 Antworten zu Welttheater, 4. Akt, 35. Szene: Hera spricht zu Abud

  1. Gisela Benseler schreibt:

    Wie ernst und wahr sind die Worte der „Göttin“. Und nun schickt „der Himmel“ Jenny.♥️🖐️
    Da wirkt sich auch das „Schöpfungsgesetz der Anziehung der Gleichart“ aus; denn eine Eigenschaft haben sie beide: Sie sind mutig.🙋

    Gefällt 1 Person

    • gkazakou schreibt:

      Gleichart, ja! Sie sind beide mutig. Und sie sind Jugendliche, die unter harten Bedinuungen heranwachsen, sich daher leicht verhärten. Sie fühlen sich oft ausgebeutet, schlecht behandelt, missachtet. Stolz und Überlebenswille gebieten ihnen, Härte zu zeigen, sich durchzusetzen. Sie neigen zu transgressivem Verhalten, also zu einem Verhalten, das gegen Gesetze verstößt.

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      • Gisela Benseler schreibt:

        Das trifft wohl auf beide zu. Daß nun aber eine (Jenny), die sich in dieser Art verhärtete, von der „Göttin“ zur Helferin erkoren wird, ist umso schöner.

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  2. Werner Kastens schreibt:

    Die Frage aber bleibt: hat Abud schuldhaft gehandelt?

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