Welttheater, 4. Akt, 21. Szene: Übers Fragen und Essen.

Was zuletzt geschah: Domna hat die Alten davon überzeugen, dass die Liebe mit dem Tod nicht endet. Daraufhin lösen sie sich von der irdischen Ebene, zurück bleiben ihre Knochen.

Auftritt Trud, die Fragende.

Trud:

Wo seid ihr denn, ihr Lieben?

Wo seid ihr denn geblieben?

Habt ihr die Trud denn ganz vergessen?

Blieb für die Trud auch was zu essen?

 

Was ist das denn für eine Nahrung?

Was machtet ihr für ne Erfahrung?

Hat jemand Grund für ne Beschwerde?

Was tun die Knochen auf der Erde?

 

Domna

Halt ein, halt ein mit deinen Fragen!

Willst du dich stets mit Fragen plagen?

Trud (leicht pikiert):

Jetzt fragst du selbst, nicht wahr, Poetin?

Fast wie ne Oberstudienrätin!

Die fragt ja immer: Wie heißt dies?

Wer weiß wie jener Feldherr hieß?

 

Wer nahm den Apfel und warum?

Wer starb in Herkulaneum?

Sie fragt und fragt, obwohl sies weiß

um anzusporn der Schüler Fleiß.

 

Ich aber stelle echte Fragen

die nicht in sich die Antwort tragen.

Ich frag erneut nach dieser Nahrung

und was gewannt ihr an Erfahrung.

Clara:

Ich sags: der Reis hat gut geschmeckt

und an dem Eis hab ich geschleckt.

Vom Reis ist auch noch etwas über

ich bring ihn gerne zu dir rüber.

Jenny

Das Essen war so übel nicht

doch halbwegs stinkt mir die Geschicht.

Da warn zwei Alte, die verschwanden

sind nur die Knochen noch vorhanden.

Domna:

Verloren zwischen Erd und Himmel

gibt es ein riesengroß Gewimmel

von Seelen die vermissen

was sie auf Erden waren

und erstmal lernen müssen

was neu nun zu erfahren

in Himmelsweiten ist.

Man haftet an dem Alten

das man schon halb vergisst

und halbwegs will behalten.

So waren diese Alten.

Doch aufgezehrt war ihre Frist

Sie mussten nun entweichen

um Größres zu erreichen.

Trud:

Dies Größre, sag, was mag das sein?

Domna:

Das musst du finden ganz allein.

 

Wer immer fragt, der will nur nehmen,

er wünscht, dass andre Antwort geben.

Dann braucht er sich auch nicht zu schämen

weil er nie Unrecht hat im Leben.

 

Du musst mal aufhörn mit dem Fragen

und auch mal eine Antwort wagen!

Es kommt der Tag, da wirst auch du

dem ewgen Fragen gönnen Ruh.

Trud.

Wie kannst du da so sicher sein?

Ist diese Welt nicht Trug und Schein?

Ist Fragen nicht der einz’ge Halt

im Zeitensturm, im Finsterwald?

 

Du scheinst die Antwort ja zu wissen

auf alle Fragen dieser Welt.

Das dient dir dann als Ruhekissen.

Na wenn schon. Wenn es dir gefällt?

 

Ich aber werde umgetrieben

von all dem Nichts, der Leere rings!

Schon längst weiß ich nicht mehr zu lieben.

Denn jeder macht ja nur sein Dings.

 

Da bleibt mir nichts als weiterfragen:

Was ist der Sinn? Was ist der Zweck?

Wozu muss dies die Menschheit tragen?

Warum kommt nichts und nichts vom Fleck?

 

Wozu wird denn ein Kind geboren?

und wächst heran mit Ach und Krach?

und ist von Anfang an verloren,

bis schließlich ihm das Auge brach?

Domna:

Ach Trud, verzeih, wenn ich dein Fragen

nicht allzu ernst zu nehmen weiß.

Komm her und fülle deinen Magen

mit diesem guten Safranreis.

 

Er schmeckt sehr gut und ist noch heiß.

Sehr lecker ist das Erdbeereis.

 

Probier es nur, und du wirst sehen,

dies Leben ist nicht gar so schlecht.

Es wird bestimmt vor dir bestehen.

Ja, iss nur, iss, so ist es recht.

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Den Wert des guten Essens haben vor Domna schon etliche andere Dichter erkannt:

Capriccio: Gedichte über das Essen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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