Welttheater, 4. Akt, 7. Szene: Das Recht des Stärkeren

Was zuletzt geschah: Dora, Trud und Clara sind unter Jennys Führung in der Bucht angekommen. Dort ist Tschinn dabei, einen Bau hochzuziehen.

Tschinn:

Was wollt ihr hier? Dies ist privat!

Ich hoff, dass ihr die Tafel saht

die groß und breit es euch verkündet:

auf Privatgrund ihr euch befindet!

Domna:

Ich sehe nichts, denn ich bin blind.

Doch höre ich und bin empört

Sagt an, mein Herr, und sagts geschwind

seit wann der Sand hier euch gehört?

 

Der Strand hat schon viele Geschichten gesehen

sah Schiffe und Räuber, sie kamen an Land

es landeten Frauen, um Hilfe zu flehen

und manch eine gab es, die Aufnahme fand.

 

Doch noch nie hat ein Mensch, so weit ich vernommen,

das Meer und den Sand in Besitz sich genommen.

Tschinn:

Was du da sagst, das stimmt genau!

Ich bin der erste, denn ich bin schlau!

Es gibt für dieses Sandgeglitzer

zum Glück noch keinen Vorbesitzer.

 

Ich bin der Erste mit Verstand,

nahm in Besitz mir diesen Strand.

Nun macht euch fort, sonst gehts euch schlecht

Auf meiner Seite ist das Recht.

Domna:

Das Recht? Von welchem Rechte sprichst du, Mann?

Tschinn:

Das Recht des Stärkeren, Madame.

 

Willst du mir etwa dieses Recht  bestreiten?

Versuchs, du wirst dir Ärger nur bereiten.

Das Recht, das ich am Schwanz gepackt

kennt nur Gewalt, und die ist nackt.

Jenny:

Was hast du vor, hier hinzubauen?

Tschinn:

Was gehts euch an, ihr dummen Frauen!

Jenny:

Ich will es wissen, kann ja sein

dass du nicht profitierst allein

Dass wir auch einen Nutzen haben

Ich schlaf nicht gerne in nem Graben

 

Wenn du hier baust, will ich hier wohnen

Tschinn:

Das würde sich für mich nicht lohnen.

Ihr habt kein Geld, ihr armen Strolche.

Ich bau doch Häuser nicht für solche!

 

Dies wird ne schicke Wohnanlage

Wo reiche Leut die letzten Tage

des Lebens sich vergolden können

was ihnen wirklich zu vergönnen.

 

Mit Wellness und mit jungen Damen

mit Jubel und mit Walzerklängen

wo selbst die Krüppel und die Lahmen

den Tod vergessen und verdrängen.

Trud

Ich hätte da doch ein paar Fragen?

Wie kam er in den Strandbesitz?

Kann man dagegen vielleicht klagen?

Tschinn

Du Alte bist mir ja ein Witz!

Wer bist du, Rechenschaft zu fordern?

Willst du am End ne Klage ordern?

Haut ab, es ist genug geschwatzt,

bevor mir noch der Kragen platzt.

Trud:

Er hat wohl keinen guten Stil?

von Transparenz hält er nicht viel?

Clara:

Da kommt sie schon! die hohe Dame!

Ich frag sie mal, ob das ihr Name.

Jenny, Trud und Clara rufen durcheinander

Jenny: Der Mann hat diesen Strand geraubt

Trud: Ist das denn rechtens, ist΄s erlaubt?

Clara: Wie heißt du, liebe Dame

Jenny: Er will für reiche Leute bauen…

Jenny: Der Arme kann in΄n Mond dann schauen.

Clara:  Ist Transparenz dein Name?

Diaphania

Was geht hier vor? 

Sprecht nicht im Chor!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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9 Antworten zu Welttheater, 4. Akt, 7. Szene: Das Recht des Stärkeren

  1. Gisela Benseler schreibt:

    Diaphania, die Transparenz, taucht hier in großer Gestalt auf, wie ein Friedensengel, wie mir scheint. Auf all die dringenden Fragen scheint sie eine Antwort bereitzuhalten: durch Transparenz, also durch gründliche Untersuchung des Falles, so denke ich mir.

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  2. Gisela Benseler schreibt:

    Wie problemlos setzte sich doch das „Recht des Stärkeren“ bisher auf allen Gebieten durch! Da fragt es sich: Wem gehört eigentlich die Erde mit all ihren Schätzen? Ich denke mir: dem „Erbauer“.

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    • gkazakou schreibt:

      Leider hast du recht, dass sich das „Recht des Stärkeren“ bis heute durchsetzt. Überall haben die „stärkeren“ ihre Fahne eingepflanzt und dem Ort einen Namen gegeben, haben Grenzpfähle eingepflanzt und eine Karte angefertigt, haben einen Eigentumstitel eintragen lassen in Ämtern, die sie für diesen Zweck geschaffen haben …und dann gehörte das Stück Erde oder auch ganze Seegebiete eben ihnen, sogar dann, wenn zuvor schon Menschen dort lebten. Die Europäer haben diese Methode aller Welt vorgemacht.

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  3. Mitzi Irsaj schreibt:

    In dinen schönen Reimen thematisierst du etwas, das einem bei klaren Verstand nicht in den Kopf gehen kann. Der erste der kommt dem gehört es. Der Rest hat das Nachsehen. Oder der der am meisten Geld hat kann machen was er will… Wie traurig. Und wie schön dass ich beim Lesen trotzdem glaube dass die kleine Gruppe eine Lösung finden wird. Vielleicht nicht an diesem Strand aber sie vereinen so viel in sich, dass es einen sehr sehr großen Wert hat.

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  4. Das Erzählen in Reimen beherrscht du wirklich ausgezeichnet. Das Lesen zieht ein regelrecht von Reim zu Reim. Toll!

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