Folgende Überlegungen, liebe Myriade, möchte ich gerne in den Kontext deiner Impulswerkstatt stellen, auch wenn sie unabhängig davon entstanden sind. Dein Foto ist ja in gewisser Weise selbstreferent: Es zeigt eine Fotografin beim Fotografieren – die Fotografierende befindet sich in einem architektonischen Raum, der ihr Tun interpretiert – du fotografierst deinerseits eine Person im Raum, erzeugst ein Foto, das ich betrachte. Welches ist nun die „Erzählebene“, an die ich anknüpfen möchte?
Ich knüpfe an die Ebene „Menschliche Figur im architektonischen Raum“ an und wie sich der/die Betrachtende (ich) damit verbindet.
Das Verhältnis von Figur und Landschaft/Architektur zu studieren, ist kunstgeschichtlich und philosophisch höchst interessant. Von den reinen Figurenbildern des Mittelalters über die Renaissance, als der Goldgrund durch Landschaftsausschnitte ersetzt wird…. bis zum 19. Jahrhundert, als die Landschaft zum eigenständigen Bildmotiv wird, ist ein weiter verschlungener Weg, den ich hier nicht nachzeichnen kann. Verkürzt kann man sagen: Ist Landschaft zunächst nicht viel mehr als „Staffage“ – d.h. Beiwerk, um den freien Raum zwischen den Figuren zu füllen -, so dreht sich das Verhältnis bis zum 19. Jahrhundert um: Landschaft wird zum eigenständigen Motiv, während die Menschen ihrerseits zu Staffage verkümmern.
Sind sie deshalb aber für den Bildaufbau überflüssig? Könnte man sie auch weglassen? Wie verändert sich ein Bild, wenn es durch Menschen belebt wird? Das fragte ich mich beim Betrachten der Fotos, die ich aus Perugia mitbrachte.
Eine Treppe in Perugia, die zwei mir unbekannte Menschen hinuntergehen.

Winzig klein sind die Spaziergänger in der großen Stadtlandschaft. Sie sind anonym, reine Staffage. Und doch konzentriert sich der Blick gerade dort, wo sie gehen. Gedanklich gehe ich mit ihnen, höre ihren Schritt, Ohne sie wäre es eine hübsche, aber leblose Stadtansicht.
Die menschliche Figur ist die organisierende Kraft im Bild. Ich nehme an, das liegt daran, dass ich mich automatisch in ihre Lage versetze und von ihrer Position aus die Welt ordne. Sicher, ich blicke von einem „dritten Standpunkt“ auf Person und Architektur – beide sind für mich Objekt. Dennoch geht die Subjekthaftigeit, die jedem Menschen eigen ist, nicht ganz verloren. Ich kann mich mit ihm identifizieren.

Der Mensch, obgleich ein anscheinend nebensächlicher Teil der Komposition, öffnet einen Raum der Innerlichkeit (Subjektivität) in der Welt der Objekte.

Großartige Photos, vor allem die beiden mit der Treppe!
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Es begeistert mich immer wieder, wie du aus egal welcher Lebenssituation etwas Künstlerisches oder Nachdenkliches bastelst ! Die Kulturgeschichte der Landschaft in der Malerei ist höchst interessant und die Überlegungen zu Stellenwert und Wirkung von Menschen in Landschaft und Architektur ebenfalls. Herzlichen Dank für den inspirierenden Beitrag, liebe Gerda !
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Der Mensch im Bild macht mir die Situation „vertraut“, würde ich sagen, und nimmt mir damit Ängste oder hilft mir, die Situation zu akzeptieren und mich hinein zu versetzen. Gibt also eine Identifikation oder ein Alibi.
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Ja, diese Treppenbilder habe ich mir besonders intensiv betrachtet!
Schönen Gruß von Sonja
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