„Anverwandlung“ überschrieb ich einen Eintrag, den ich vor vier Jahren machte und der mir nun, beim Zurückblättern, erneut vor Augen kam.
https://gerdakazakou.com/2016/12/04/anverwandlung/Vor vier jahren und jetzt.
Es ist vielleicht an der Zeit, ihn hier noch einmal in seinen Hauptzügen aufzugreifen. Damals fragte ich mich, zurückblickend: „Was von all dem vielen, das ich erlebte, ist in mich eingegangen, um sich zu wandeln und mich in ihm?“ Diese Frage versuchte ich anhand eines Malvorgangs zu erläutern.
Ich nahm eine ältere Leinwand, die ich wild übermalte. Und fragte: „Was soll mir das Alte? Das Gewesene muss in den Energiestrom des Jetzt eingetaucht werden“.
Hier möchte ich einen Halt einlegen. Denn genauso wie auf diesem Bild stellt sich mir die Gegenwart dar: ein lebendiges Chaos! Was will sich daraus bilden? frage ich mich.
„Was brütet das alte Werden unter den sterbenden Flügeln vor?“ (G. Benn, Astern)
Vor vier Jahren fand ich folgende Lösung: ich notierte mit Kohle Brückenbögen (a), räumte im Mittelfeld auf und baute eine Brücke, die die vordere und hintere Szenerie verband (b), ließ dann den Fluss zu einem Flüsschen (c) und schließlich zu einem Weg werden, leicht begehbar für Pferdegespanne und Menschen (d). So bändigte ich das Chaos.
Nun, vier Jahre später: welche Lösung würde ich heute finden? Wieder Brücken bauen, allzu wildes Wasser besänftigen, so dass die Menschen trockenen Fußes über das Trennende hinwegschreiten können? Vielleicht. Denn immer ist es gut, Brücken der Verständigung zu bauen, Wege offenzuhalten. Stehen nicht auf beiden Seiten des Flusses Menschen, die sich im meisten gleichen und nur in wenigem unterscheiden? Mag sein, sie unterscheiden sich sogar in fast nichts, denn alle kennen Ängste und Nöte, Freuden und Sehnsüchte, Eifersucht und Schuldgefühle, Mitleid und Wut …. und alle sind wir sterblich. Und die Unterschiede haben vor allem zu tun mit unseren Gedanken und mit der Position, die wir im Leben einnehmen.
Nun, ich weiß nicht wirklich, welches Bild ich heute malen würde. Vielleicht probiere ich es aus. Seit zwei Tagen male ich wieder.
O ja, das wäre doch wirklich spannend, was Du heute machen würdest – allerdings frage ich mich, inwieweit die Entscheidungen von damals Deine Entscheidungen von heute beeinflussen würden. Kann mensch überhaupt noch einmal bei einem Punkt Null starten? Eine spannende Diskussion, die Du hier anregst! Und schön, dass Du wieder malst …
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Danke, Sabine! Tatsächlich gibt es ja das damalige Ausgangsbild nicht mehr, also kann ich es auch gar nicht bearbeiten. Im übrigen ginge es mir nicht um einen Vergleich mit damals, sondern es ist eine offene Frage: wie würde ich es heute angehen? Dieser Frage kann ich ganz konkret nachgehen, indem ich mir eine Leinwand nehme…. Ja, ich male wieder. Mal sehen, was dabei herauskommt. …
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Ja, eben: Das ursprüngliche Bild gibt es nicht mehr, dahin führt kein Weg zurück. Bin gespannt, wohin Dich Deine neue Reise führt.
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Das wird spannend!
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Liebe Sabine, dieses Thema finde ich gerade auch sehr interessant. Weiter unten verweise ich auf einen Gedanken von Ulrike Draesner dazu, die du ja ebenfalls schätzt. Leben nicht als Auf und Ab, sondern als Mäandern in der Ebene.
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„lyrifant“ sagt, was ich auch meine!
Abendgruß von Sonja
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Danke, Sonja! Guten Abend noch!
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Die Frage der Möglichkeit des Anknüpfens an frühere Zustände habe ich gerade durch eine Lektüre der letzten Tage neu beleuchtet gesehen. Ulrike Draesner, eine von mir sehr geschätzte Dichterin, schreibt in ihrem Buch „Eine Frau wird älter“ darüber, wie man sich anders durchs Leben bewegen kann, wenn man es sich nicht als Auf- oder Abstieg vorstellt, sondern als Weg durch ein Feld, auf dem vor- oder -rückwärts, aber auch seitwärts, in Kurven, Haken, auf Seitenwegen … gegangen werden kann. Manche Kurven von damals und von jetzt liegen dann so nah beieinander, dass man hinüberwechseln kann.
Ein Modell, das mich auf den ersten Blick begeistert, weitere Blicke werfe ich gerade.
Dein erneutes Malen, meine erneuerten Versuche zu zeichnen und mit Wasserfarben zu malen, deuten auf eine gewisse Tragfähigkeit der Idee hin.
Ich hoffe sehr, dass du uns etwas von deinem neuen malerischen Tun zeigen wirst, liebe Gerda.
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Danke, Ule. Das Bild vom Mäandern hat was. Ich vergleiche das Leben gern mit dem Weben, mit Kettfäden, die durchlaufen und das Gerüst bilden, und Schussfäden, die zusammen mit den Kettfäden immer neue (oder auch sich wiederholende) Muster bilden. Und wie im Leben gibts einen Anfang und ein Ende des Webstücks. Manchmal reißt ein Kettfaden, manchmal geht die rote Wolle aus und man muss sich mit grauer behelfen … aber man webt halt weiter, und weiter, solange es geht. Und passt das Muster den Möglichkeiten an.
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Das Bild, gerade auch mit deinen Konkretisierungen, ist ebenfalls reizvoll. Ein Anknüpfen an zurückliegenden Stellen wäre in diesem Bild etwas aufwändiger, aber nicht unmöglich.
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Ja Brücken bauen und sich an die Gemeinsamkeiten, das Verbindende erinnern, statt auf das Trennende zu starren und dabei selbst zu erstarren.
Das Bild des Mäanderns ist mir sehr vertraut, erinnere dich an meine RoteFadenGeschichten, die nie gerade gewesen sind und auch durch Zeiten und Generationen mäanderten. Manchmal berührt man auf dem Weg wieder einen Punkt und doch ist man dann nicht die, die man gewesen ist, als man das erste Mal vorbeikam. Hier dann wieder die Spirale … ich mache Zurzeit eine sehr intensive Prozessarbeit mit mir allein und staune über die Umdrehungen.
Dass du wieder malst freut mich sehr. Ich hoffe doch, dass du uns teilhaben lassen wirst.
Liebe Grüße
Ulli
Sehr treffend finde ich auch den Faden von Lyrifant und Ule … ich nehme ihn mal mit
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Danke, Ulli! schön auch, dass du an die Rote-Faden-Geschichten erinnerst. Im Moment bin ich noch in sehr unwegsamem Gebiet, mal sehen, wie es weiter geht. Sei lieb gegrüßt!
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Malen kann Gegensätze in uns selbst auflösen oder verbinden…
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Schön, diese Brücke und der Weg.
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Diese Frage ist so wichtig… was sind die Kernfäden des Lebens, und was verbleibt davon als Wert. Das Bild des Webens ist prima und findet sich auch in manchen Mythen wieder. Für mich ist auch das Wasser, der Fluss wichtig, denn er strömt ständig, und dennoch ist jede Sekunde anders und neu.. auch findet das Wasser immer wieder neue Wege und Lösungen (Meander), aber bergauf, das heisst zurück kann es nicht, braucht es aber auch nicht, weil die Vergangenheit ja im Gegenwärtigen mit dabei ist…
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Danke, schön deine Einstimmung, Johanna, in dieses Hin- und Her-Weben der Kommentare. Zurück braucht der Fluss nicht, da gebe ich dir recht, denn wozu sollte das nütze sein, wo doch ständig neues Wasser aus der Quelle fließt? Das Bett, das sich der Fluss schafft, ist vielleicht vergleichbar dem Gesamtbild des Lebens, aber irgendwie hapert der Vergleich. Denn das Bett schafft sich ja nicht das indviduelle Wasser, sondern es findet es vor und strömt darin nach vorgegebenem Uferverlauf. Dagegen benutzt man beim Weben zwar die vorgegebenen Spannfäden, sie geben Halt und Ausrichtung, aber das Muster ist uns selbst überlassen.
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Heute sind wir anders als damals. Liebe Gerda, das geht uns allen so und wir können nicht zurück, sondrrn nur nach vorne gehen. Die vergangene Zeit hat uns verändert. So viele Eindrücke brachte uns das Leben.
Der Vergleich des Mäanderns gefällt mir sehr. Er läßt das Auf und Nieder, Ab- und Aufstiege aus und zeigt einen interessanten, gut begehbaren Weg
So wichtig sind Deine Worte :
Brücken der Verständigung bauen, Wege offenhalten.
Denn wenn wir es nicht so machen, kommen wir nicht vom Festgefahrenen los und bleiben auf einer einzigen Stelle stehen und stehenbleibnen ist fatal.
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stehenbleiben heißt einwachsen 😉
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Vielleicht nimmst du dir ein anderes Ausgangsbild uns schaust, was du daraus machst, liebe Gerda. Das finde ich gerade das spannende am Übermalen, das vorige Bild bleibt immer bestehen, so wie die Summe aller Bilder uns selber ausmachen.
Einen schönen Tag von Susanne
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Werde ich mal versuchen.. Schönen Tag dir, Susanne!
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