Vor der Universität Athen: Raum-Zeit-Collagen

Hab mal wieder collagiert. Dafür nahm ich meine letzte Zeichnung (Neoklassisches Athen) und Ausschnitte aus Fotos, die ich vor einer Woche bei der Ausstellung „Athen – von Ost nach West“ im Benaki-Museum, Bas. Sofia-Allee machte.  Die farbigen Figuren stammen aus dem Bild eines europäischen Reisenden um 1810 (den Namen habe ich mir leider nicht notiert). Die kleinen Figuren schnitt ich aus der Lithographie von M.P. Vrettos, um 1840. Die Fotografen der Fotos (Touristen und Kinder des Volkes), beide um 1890, sind unbekannt.

No 1: Menschen aus drei Epochen bevölkern den weitläufigen Vorplatz der Universität: Die farbige Gruppe im Vordergrund lebte Anfang des 19. Jahrhunderts, Griechenland gehörte noch zum Osmanischen Reich.  Athen war ein Dorf mit türkischen, albanischen und anderen Bewohnern und einigen imposanten Ruinen. Keines der abgebildeten Gebäude stand dort. Vermutlich grasten dort Schafe auf freiem Feld. – Die Schwarz-Weiß-Figürchen und Pferde links vor der Uni und ganz rechts vor der Akademie lebten in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Universität war inzwischen gebaut, sonst nix. Freies Feld. Bauland. – Dann gibt es da noch eine jetzt lebende Zeugin im Vordergrund, die das alles beobachtet und dokumentiert.

No. 2: Wir sind im Jahr 1890:  Touristen posieren vor der Akademie und dem neumodischen Bürogebäude (rechter Ausschnitt meiner Zeichnung). Die Akademie gibt es nun auch wirklich, nicht aber den würfelförmige Bürokasten, denn der wurde erst in den 70ern des 20. Jahrhunderts erbaut.  NB: Viele Reisende kamen damals mit der florierenden „Thomas Cook“, die ein Büro in Athen aufgemacht hatte. Im vergangenen Jahr machte die Firma zu. Pleite.

No. 3: Auch gegen 1890: Kinder des Volkes drängen aus dem Untergrund herauf. die „soziale Frage“ beginnt die Gemüter zu bewegen. Was wollen diese frechen Gören auf dem eleganten Platz, den die Herrschenden für sich und ihre Kinder geschaffen haben?

Machen wirs passender (meine Zeichnung digital verändert):

No. 4. Schließlich habe ich die beiden so unterschiedlichen Menschengruppen, die Ende 19. Jahrhundert in Athen fotografiert wurden, gemeinsam auf dem heutigen Platz der Universität aufmarschieren lassen. Es wird eng. Die Geschichte des 20. Jahrhunderts kann beginnen.

 

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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14 Antworten zu Vor der Universität Athen: Raum-Zeit-Collagen

  1. TeggyTiggs schreibt:

    …interessant, ich kann eine Weile darüber nachdenken, vor allem das letzte…“es wird eng“…wie ungehobelt heute Menschen mit der Gestaltung ihrer Umwelt umgehen, sieht man auf Nr. 2 … das neumodische Bürogebäude…was für ein Niedergang der Kultur…

    Gefällt 2 Personen

    • gkazakou schreibt:

      das Gebäude ist während der 7jährigen Militärdiktatur entstanden. Damals wurde eine Unmenge an Bausünden begangen. Die Junta rief „Bereichert euch“ und sicherte sich so eine gewisse Unterstützung.

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  2. Ule Rolff schreibt:

    Geschichtsstunde in Wort und Bild, klasse gemacht, liebe Gerda!
    Die Kinder des Volkes halten respektvollen Abstand von dem großzügigen, luftigen Platz, den die Großbürger einnehmen. Einzig die Touristen bilden einen zudringlichen Haufen – und verschaffen der Collage Nr.2 damit formale Geschlossenheit und Dichte, die der große Platz in den anderen Versionen verhindert.

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    • gkazakou schreibt:

      Der Nimbus der Gebäude der Reichen und Gebildeten hält die Kinder auf Abstand. So viel Weite und Leere, so viele Säulengänge, marmorne Götter und hohe dicke Türen in den Bibliotheken, Theatern, Konzertsälen des 19. Jahrhunderts wirken abschreckend aufs „Volk“. Sollen es wohl auch. Respekt? Ich weiß nicht. Das Bürgertum „hob sich ab“.
      Wenn ich das in den Collagen rüberbringen konnte – gut.

      Gefällt 2 Personen

  3. kowkla123 schreibt:

    na, alles klar bei dir, dann genieße den Tag, Klaus

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  4. Ulli schreibt:

    Ich mag die Verschmelzung der Zeiten. Dies schließt wieder einmal an dem Gedanken, der Idee an, dass es Zeit an sich nicht gibt.
    Mir gefallen besonders die Kinder/Jugendlichen, die auf sich und ihre Bedingungen aufmerksam machen, eingefasst von denen, die hierfür verantwortlich sind (als Stellvertreter*innen), was sie aber letztlich nicht tangiert.
    Gleich erscheint mein neues Pingpong, mein neues Ping an dich korrespendiert, wie ich finde, ganz wunderbar mit dieser Serie – na, du wirst es ja sehen!

    Gefällt 2 Personen

  5. www.wortbehagen.de.index.php schreibt:

    Geschichte hast Du passend eingebunden in Deine Raum-Zeit-Collagen, liebe Gerda, und hast sie mit den Menschen der jeweiligen Zeit gefüllt.
    Und WIE sie begonnen hat, die Geschichte des 20. Jahrhunderts
    und ich gehe schnell wieder zurück ins Jahr 1890, denn da drängten die Kinder des Volkes aus dem Untergrund herauf und ich habe das Gefühl, da begann etwas Wichtiges, dem wir heute noch viel verdanken.

    Gefällt 1 Person

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