Osterwoche: Karfreitag. Der Tempelvorhang.

„… und der Vorhang des Tempels zerriss von oben bis unten in zwei Teile“.

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gemischte Technik auf Papier

Der Tempelvorhang, so erfuhr ich bei Wikipedia, war „etwa 18 Meter hoch. Josephus hinterließ uns auch die Information, dass der Vorhang ca. 10 cm dick war und, dass Pferde, die von beiden Seiten angebunden waren, ihn auseinander ziehen mussten. In 2.Mose wird gelehrt, dass dieser dicke Vorhang in den Farben blau, rotem Purpur und Scharlach und aus gezwirnter feiner Leinwand war“.

Dieser Vorhang hatte eine besondere Funktion: er teilte den Raum, in dem die Priester ihre Rituale vollzogen, hermetisch vom Allerheiligsten ab, in dem Gott selbst anwesend war. Nur einmal im Jahr durfte der Hohepriester dieses Allerheiligste betreten: am Jom Kippur-Tag, um das Blut des Versöhnungsopfers von innen gegen den Vorhang zu sprengen.

ματομένος ναός

Akryll- und Plastikfarbe auf Leinwand

Eigentlich sollte das Opferblut auf die Bundeslade gespritzt werden – doch die hatten die Babylonier Jahrhunderte zuvor geraubt, ihr Verbleib war unbekannt. Das Allerheiligste des Tempels, den Herodes zu Jesu Lebzeiten noch einmal prächtiger und größer errichtet hatte, war leer.

Am Jom Kippur-Tag wurden zwei Ziegenböcke geopfert: der eine wurde getötet und sein Blut zum Zwecke der Entsühnung des Volkes dem Gott dargebracht. Der andere wurde mit den Sünden des Volkes beladen und in die Wüste gejagt.

Als Jesus Christus, Gottes Sohn, sich selbst zum Opfer brachte, zerriss der Vorhang und damit die Trennung, die bis dahin zwischen den Menschen und Gott bestanden hatte. So ist diese Stelle in den Evangelien zu verstehen.

Was ich nicht weiß: Ob der Vorhang inzwischen geflickt, wieder in Stand gesetzt und…geschlossen wurde.

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Ölkreide und Klebestreifen auf Papier

Sicher ist: Immer noch werden Hekatomben von Sündenböcken geschlachtet oder in die Wüste gejagt, um die Sünden des eigenen Volkes auf andere Völker abzuschieben.

 

 

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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14 Antworten zu Osterwoche: Karfreitag. Der Tempelvorhang.

  1. Myriade schreibt:

    Auf jeden Fall ist die Erfindung des Sündenbock-Konzepts ziemlich genial, wenn auch im negativen Sinn. Und wesentlich vielseitiger als das Abschieben der Sünden eines Volkes auf ein anderes Volk.
    Ich zweifle im übrigen heftig daran, dass es so etwas wie „Die Sünden eines Volkes“ heutzutage überhaupt gibt oder überhaupt jemals gegeben hat.
    Und im weiteren zweifle ich auch noch – in einem globalen Zusammenhang – am Begriff der Sünde überhaupt.
    Aber das obere Bild, das ich hier glaube ich schon einmal gesehen habe, gefällt mir sehr gut !

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  2. gkazakou schreibt:

    Danke für deinen Kommentar. Gesehen hast du wohl das zweite Bild (blutiger Tempel), die beiden anderen habe ich erstmals eingestellt.
    Zur Frage der „Sünden eines Volks“ und ob es die gibt. Als ich erstmals die Grenzen Deutschlands überquerte (per Anhalter, Richtung Frankreich), hielt der Mann, der mich aufgesammelt hatte, und zeigte mit großer Geste über das Land, auf dem bis zum Horizont Kreuze standen : „Das habt ihr getan“, sagte er. Ich war 16, und der Friedhof stammte von Gefallenen des 1. Weltkriegs. Dieses „Das habt ihr getan“ ist mir seither unzählige Male begegnet. Und ich habe die Vermutung, dass Menschen anderer Nationalität – zB israelische – diesen Satz ebenfalls oft hören, ganz ungeachtet ihrer persönlichen Denkungsweise und evtl. Mitschuld. Es gibt auch immer noch die Abschlachterei im Namen einer Zugehörigkeit – Nicht-Zugehörigkeit, zB Hutu und Tutsi.

    Es gab eine Zeit, und die liegt noch nicht lange zurück, da wurden Menschen umgebracht, weil sie irgendwie dem „jüdischen Volk“ angehörten. Andere, zB auch die Griechen, wurden für „minderwertig“ erachtet und erlitten entsprechende Schicksale.
    Ich wollte, es gäbe diese Zuschreibungen nicht mehr. Aber es gibt sie. .
    Das wollte ich ausdrücken.

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  3. Arabella schreibt:

    Solche Texte mag ich. Sie sind lehrreich und gedankenanregend, wie deine Bilder.

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  4. haluise schreibt:

    Hat dies auf haluise rebloggt.

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  5. haluise schreibt:

    ES HAT PERMANENZ, SCHULD AUF DEN „NÄCHSTEN“ ZU LADEN, AUF DAS NÄCHSTE VOLK etc. und natürlich auf TIERE.
    GRÜSSLINGE von LUISE

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  6. Hella schreibt:

    Auch der zweite Tempel wurde zerstört, bekanntlich von Titus, dem späteren römischen Kaiser. Nachzulesen in dem schönen Roman von Feuchtwanger „Josephus“ , das ist der jüdische Geschichtsschreiber der damaligen Ereignisse. H.

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  7. Hella schreibt:

    Ach ja, und noch was: Der Sündenbock wurde mit den EIGENEN Sünden des eigenen also jüdischen Volkes beladen und in die Wüste geschickt, diente also der Entsühnung. Wie weise die alten Hebräer waren. Hella

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    • gkazakou schreibt:

      Ja. Das ist der Unterschied. Und es gibt noch einen: Um den Bock mit den eigenen Sünden zu belanden, mussten sie als solche überhaupt erst mal bewusst und anerkannt werden. Darin besteht, meine ich, die Weisheit.

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  8. Katrin - musikhai schreibt:

    Ich erfahre immer wieder viel Neues, wenn ich deine Beiträge lese / bewundere, liebe Gerda, und auch die Kommentare der anderen Leser.

    Mir gefällt dein erstes Bild besonders gut. Ich sehe einen Frauenkopf von der Seite. Ihre Haarpracht weht nach links. Dazu die Farben. Schöööööön!

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  9. gkazakou schreibt:

    danke, Katrin, für dein Interesse. Der Frauenkopf bleibt dein Geheimnis (ich sehe ihn nicht, obgleich ich ihn gern sehen würde)

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  10. mmandarin schreibt:

    wie ungeheuer fleissig du bist, ich bewundere deine Tatkraft, Marie

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  11. Pingback: Karwoche – Ostern | GERDA KAZAKOU

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