Einen „Schwarzen Sessel im Raum“ hatte ich, wie du dich vielleicht erinnerst, auf einen großen Zeichenkarton gemalt. Einen Tag später hatte ich Lust „Farbe aufs Bild zu bringen“.
Das brachte nicht unbedingt eine Verbesserung, wohl aber eine Veränderung mit sich, die nun nach weiterer Veränderung schrie. Jedenfalls meinte ich diese Schreie zu vernehmen. Also trug ich das Blatt auf den Balkon, griff zum Kuli und zeichnete Gegenstände in den nun waagrecht liegenden Raum: eine schwarze Vase, einen schwarzen runden Aschenbecher, ´einen angeschlagenen Hermeskopf aus Ton und Pflanzen gegen das Licht.
Ziemlich verloren und sinnlos treiben sie in dem großen Raum herum. Jedoch: wie ist es, wenn ich den Raum um das Objekt herum verkleinere? Die schwarze Vase nimmt Form und Bedeutung an, Lichter und Schatten lassen sie plastisch aus dem Sesselschwarz hervortreten.
Der kleine Aschenbecher wird zu in einer mächtigen Schatten werfenden Kugel, wer weiß für welchen dunklen Gebrauch gelagert in dieser Halle.
Hermes blinzelt, in Rosa, Blau und Grün gebettet, in den Himmel von Attika und träumt vielleicht von Zeiten, als er noch Flügel an den Füßen hatte.
Mir aber gibt dieses kleine Experiment Anlass für etliche Gedanken, die ich in mein privates Tagebuch notiere. Ich setze die mal hier herein, um zu zeigen, wie eine kleine unscheinbare Zeichnung Gedänkengänge in Bewegung setzen kann. Für mich ist das Zeichnen ein wichtiges Hilfsmittel, damit mein Denken in Bewegung bleibt.
Gemalt habe ich nicht, nur ein bisschen gezeichnet auf der Oberfläche, die ich zuvor bemalt hatte. Ich finde ganz interessant, wie ich die „Gegenstände“ hineinzeichnete, und was diese mit dem undefinierten Raum drumrum dann anstellen. Wie Gegenstand und Raum zu kommunizieren beginnen. Die Kugel, der Hermes, die schwarze Vase setzt sich in Beziehung zu dem, was jetzt als Hintergrund dient.
Was will ich damit zeigen? Dass die Gegenstände den Raum (den Nichtgegenstand) strukturieren.
Nicht ganz so, wie ein geistbegabtes lebendes Wesen den geistigen Raum um sich strukturiert. Vergleiche: Das geistbegabte Wesen, also Ich, hat einen noch unstrukturierten Raum um sich, und indem es sich in Beziehung zu diesem Raum setzt, beginnt es ihn zu strukturieren. – Moment. Ist der Raum denn „unstrukturiert“? Nein, er hat schon eine Struktur, aber die ist nicht bezogen auf mich, das Individuum. Diesen Bezug muss ich erst herstellen.
„Der einzelne Mensch strukturiert den Raum, in den er eintritt,“ denke ich. Moment, da habe ich doch schon mal was zu geschrieben, hinsichtlich des Raums, den jeder mit sich herumträgt (hier). Stimmt nicht ganz: Er trägt ihn nicht mit sich herum, er durchschreitet ihn mit seinem Ich, und indem er ihn durchschreitet, baut er ihn auf und strukturiert ihn.
Ich habe Gegenstände in einen Raum gesetzt. Die haben weder Eigenbewegung noch Bewusstsein. Ich kann den Zusammenhang Gegenstand-Raum von einer Beobachterposition aus betrachten. Begäbe ich mich selbst in den Raum, wäre alles anders. Dann geriete der Raum in Bewegung, die „Ortsmarken“ (Jürgen Küster), verschöben sich abhängig von meiner Bewegung im Raum.
Wenn ich auf demselben Platz sitze und mich auch geistig kaum bewege, verdichtet sich der Raum um mich, er erstarrt und beginnt, mich zu erdrücken. Ich muss mich in Bewegung setzen, um ihn lebendig zu machen. Reisen, gehen spazieren. Es geht auch geistig. Ich kann geistig spazieren gehen und damit den Raum verlebendigen, neu strukturieren, mir zu eigen machen, ohne dass er erstarrt.
Es geht beim Gehen gar nicht so sehr um „Neues beobachten“, sondern viel mehr um Veränderung der Beziehungen von Ich und Raum durch Bewegung. Der Bewegung ist die Zeit eingeschrieben, und durch sie öffnet der Raum seine Zeitdimension.
Gegenstand und Raum. Überschneidung von Raum und Räumen (dazu auch Dilettant, Architektur redet mit sich selbst) in Abhängigkeit von mir, dem bewegten, beteiligten Beobachter.
Wozu all dies Denken gut ist? Keine Ahnung. Mir ist es ein Bedürfnis.



