Sehen und gesehen werden (tägliches Malen)

Als ich gestern eine meiner Leinwände überpinselte, dachte ich an einen Artikel, den ich kürzlich las. Genaues erinnerte ich nicht, nur so viel, dass die Augen, die sich auf einen Gegenstand heften, diesen langsam energetisch abgrasen, durchlöchern, aufzehren. Die Akropolis, die Mona Lisa, die Niagarafälle, eine schöne Frau… unzählige Augen haben an ihnen gesogen, haben sie besetzt, sich angeeignet. Was ist von ihnen geblieben?

Die umgekehrte Vorstellung ist Argos – der Riese mit den hundert Augen. Er wurde von Hera eingesetzt, die arme in eine Kuh verwandelte Jungfrau Io zu bewachen, weil diese sich nach der Begattung durch den Gott sehnte.

Heute wird jeder mit den Argusaugen des Staates beobachtet, auch wenn er sich durchaus nicht nach einer Gottesbegattung sehnt. Einfach so, anlasslos. Es könnte ja sein, dass er Böses im Schilde führt. Und so kann es einem leicht passieren, dass man sich von Augen besetzt und durchlöchert fühlt.

Aber natürlich können diese Augen auch freundlichen Sinn haben. Gott sieht uns! Wir sind behütet wir die Schäfchen, wie die Sternchen. „Gott der Herr hat sie gezählet, dass ihm auch nicht eines fehle“. Für jeden von uns ein Auge Gottes, das uns bewacht.

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About gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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11 Responses to Sehen und gesehen werden (tägliches Malen)

  1. Jedes Cookie, ob von diesem Blog oder TikTok- oder Telegram-Seite, ein Auge. Was da so beim russischen und chinesischen Geheimdienst so an Daten über jeden aufläuft…, aber auch bei Unternehmen wie Huawei und Alibaba… Auf der anderen Seite: keiner ist da wirklich konsequent und steigt aus aus Internet & Co….

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    • Avatar von gkazakou gkazakou sagt:

      nicht nur in China etc – genauso auch bei uns. Nur unsere Bedeutungslosigkeit schützt uns. 😎

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      • Hmmh, überlege gerade, ob das so stimmt… Hmmh… In autoritären Regimen bekommt, eigentlich vom Individuum auch ganz ungewollt, jeder eine Bedeutung. Z. B. Wenn Du im Iran als Frau im Auto am Steuer sitzt und Dir rutscht bei irgendeinem Fahrmanöver Dein Kopftuch ein wenig runter, wird das durch die dort installierte chinesisch Überwachubgstechnik sofort erfasst, der Eigentümer es Autos erhält kurze Minuten später ein Nachricht aufs Handy mit einer recht hohen Geldstrafe. Bei Wiederholung droht Gefängnis für die arme Frau. Warum? Weil ihr herabgerutschtes Kopftuch schon als staatsgefährdend angesehen wird. So – vor allem unpolitisch und bedeutungslos, wie sie als Person de facto ist. Oder vielleicht gerade deshalb???

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      • Oder denk mal an diese Stadt in China, wo sämtliches öffentliches Verhalten per Überwachungstechnik+Hand app kontrolliert und sanktioniert bzw verstärkt wird. So ein System macht nur Sinn, wenn auch der kleinste, unbedeutendste Mensch in den GruppenZwang eingegliedert wird. Jeder, der nicht kooperiert, in jeder Phase des Alltags wird ja als Systemstörer definiert. Keiner kann da noch „bedeutungslos“ sein.

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    • Avatar von Unbekannt Anonymous sagt:

      Ich meine, dass dein Einwand stimmt insofern, dass die Überwachung in totalitären Systemen viel enger ist und schlimmere Folgen hat, auch der „Unbedeutende“ ist da nicht ausgenommen. Bei uns wird die Überwachung insgesamt lascher gehandhabt, allerdings wird grad kräftig an den Schrauben gedreht (anlasslose Chatkontrolle). In Demokratien wird es erst richtig gefährlich, die „falschen“ Ansichten zu haben, wenn jemand versucht, nicht mehr bedeutungslos zu sein. Da kann man ihm dann wegen seiner privat geäußerten Meinung den Strick drehen.

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      • Avatar von gkazakou gkazakou sagt:

        Das bin ich, Gerda

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      • Da müsste ich auch erstmal drueber nachdenken. Mir war nicht so ganz klar wie jemand bedeutsam werden will, wenn er sich immer nur privat aeussert? Aber vielleicht meinst Du eigentlich doch, dass er sich doch irgendwann oeffentlichkeitswirksam aeussert?
        Andererseits, dieser Blog von Gerda hier ist einerseits natuerlich öffentlich, weil im Prinzip fuer jeden zugänglich, andererseits besuchen ihn aber nur eine begrenzte Gruppe von Menschen, also gewissermassen halb-privat. Hat aus dem, was hier geäußert wurde, jemand jemand anderem einen Strick gedreht? Ich glaube nicht. Wobei ich jetzt auch nicht genau weiss, was der Strick sein sollte. Aber ich glaube schon, dass wenn hier jemand sich irgendwie verleumderisch oder menschenverachtend aeussert würde, Gerda zumindest mit einer Art von Ermahnung einschreiten würde, und das, wie ich dann denken wuerde, zurecht.

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  2. Avatar von Ulli Ulli sagt:

    Hinzu kommt die Fotografie. Manchmal stelle ich mir vor, dass jedes Foto ein kleines Loch in die Denkmäler, Kirchen, hübschen Fassaden brennt oder in die Seelen der Tiere, Pflanzen und Menschen …

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  3. Bleiben wir alle, die wir durchlöchert werden, in unserem Innern so gut wie unangestastet, ist es erträglich.
    Fühlt man sich erst mal durchlöchert, nimmt die Seele Schaden…

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    • Avatar von gkazakou gkazakou sagt:

      Es ist wohl von Mensch von Mensch verschieden, wie weit er sich schützen kann. Aber allgemein gilt, dass die staatliche Überwachung zugenommen hat. Und die Versuche, die Privatheit zu schützen – zB durchs Verbot, fremde Menschen einfach zu fotografieren und ins Netz zu stellen – bleiben an der Oberfläche, wenn der Staat selbst überall Überwachungskameras aufstellt. (Hier auf dem Lande bin ich zum Glück frei davon).

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