Sehr viel lieber als den gipsernen Jünglingskopf hätte ich die anderen Zeichnenden gezeichnet, aber ich traute mich nicht. Denn alle anderen konzentrieren sich auf das vorgegebene Thema. Und das ist immer dasselbe: man mache eine korrekte Zeichnung des Stilllebens, das nun schon seit einem Monat aufgebaut ist und sich nicht verändert.
Die anderen arbeiten nicht nur eine Sitzung lang an einer Zeichnung, sondern lassen die halb fertigen Zeichnungen stehen, um eine Woche später weiterzumachen. Manche sind jetzt dazu übergegangen, mit Farbe zu malen. Auch sie unterbrechen, und setzen dann beim nächsten Mal fort.
Ich habe einige Werke meiner MitstreiterInnen jeweils am Anfang und am Ende der mehrstündigen Sitzung fotografiert. Da kannst du sehen, mit welchen Mäuseschrittchen vorangegangen wird. Drum ist es notwendig, dasselbe Stillleben über längere Zeiträume hin stehen zu lassen.
Ich kann das nicht. Denn selbst bei so sterilen Themen brauche ich einen Rest von Spontaneität, um mich zu motivieren. Also beginne ich jedesmal eine neue Zeichnung. Und arbeite mich vier-fünf Stunden daran ab. Das ist für mich schon sehr sehr lange und hat Züge von Masochismus, zumal ich von meinem Platz aus die Details des Gipskopfes kaum ausmachen kann.
Eine winzige falsche Schattierung des Mundes lässt meinen Jüngling nun die Zähne blecken und etwas ironisch grinsen. Das sah ich erst auf dem Foto.
Farbig kann ich sie durch Überblendung mit einem Foto erscheinen lassen. Da sehe ich dann auch, dass sie recht korrekt ist – immerhin.
Meine bisher fünf Zeichnungen (in vier Sitzungen) im Überblick










Dein Jünglingskopf ist ja wieder gut gelungen.
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Ich finde, daß Du eben auch perspektivisch exakt liegst! Du hast das räumliche so super drauf, daß Dreidemensionale stimmt einfach! Auch bei Deinen architektonischen Zeichnungen sieht man immer wieder Dein großes Können!
Für mich wäre das garnix, diese akademische Kunstschule! Natürlich sind das gute Grundkenntnisse, die bei vielen Malstilen notwendig sind, aber mir persönlich würde es eher die Lust am Malen nehmen! Es wäre wie ein Korsett für mich!
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Ja, diese Gefahr besteht. Ich sehe es bei vielen jungen Menschen, die durch diese Dressur gegangen sind. Sie kommen nicht mehr davon los. Ich sah mir auch neuere Bilder des jungen Lehrers an, der die Kunstakademie mit Bravour absolviert hat. Sie sind „gekonnt“, aber malerisch uninteressant. Er verdient sich sein Geld auch nicht damit, sondern mit dem Unterrichten und mit Musik.
Ich habe ja auch mal eine zeitlang einen Unterricht in Ölmalerei bei einem sehr bekannten Maler besucht, da ging es auch um exakte Wiedergabe. Nach ein paar Wochen hörte ich auf, weil ich nun das technische Know how hatte, aber zu meiner eigenen Art zu malen zurückwollte.
Auch hier werde ich nicht lange bleiben. Es ist halt das Miteinander, das mir fehlt.
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Was ist mit Deinen Freundinnen, die immer zum Zeichnen kamen?
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Magda, die regelmäßig kam, geht nun zur Zeichenschule. Die anderen kamen nur manchmal. Als ich kürzlich fragte, sagten alle, dass es viel Spaß machte, sie aber keine Zeit haben. Und das stimmt auch.
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Das ist sehr sehr schade, da hattest Du doch etwas worauf Du Dich freuen konntest!😞
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Oje, so Mäuseschrittchen wären auch nix für mich, liebe Gerda!
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Das kann ich mir denken. Ich mache noch ein bisschen weiter, bis das Thema total ausgelutscht ist.
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