Malerei fortgesetzt: Überlegungen

Es gibt zwei grundsätzlich verschiedene Weisen, ans Malen heranzugehen: Die „klassische“ Art ist, sich ein Thema zu setzen (oder von einem Auftraggeber ein Thema gestellt zu bekommen) und dann zu beginnen, das Thema umzusetzen. Früher machte man zu diesem Zweck eine Reihe Vorskizzen, denn Leinwände und Farben waren teuer und schwer zu beschaffen, heute gehen die meisten Maler spontaner vor.

Die entgegengesetzte, heute verbreitete Herangehensweise ist, sich nur eine ungefähre Vorstellung zu bilden, was man malen möchte, und sich dann dem Malvorgang anzuvertrauen, der die Führung übernimmt. „Es“ malt sich. So werden einerseits dem Medium (Farben etc), andererseits dem Unbewussten ein großer Spielraum eingeräumt. Der Maler wird zum Beobachter seines eigenen Schaffens.

Dieses Beobachten findet natürlich auch beim „klassischen“ Malen ständig statt, denn ohne dies würde der Maler die Kontrolle über den Malvorgang verlieren. Dirigierende Instanz aber ist die Absicht des Malers, ist sein hellwacher Wille. Beim spontanen Malen macht sich der Maler absichtlich willenlos, er betäubt sich (manche benutzen Rauschmittel oder Musik), denn er möchte sich selbst überlisten und auf die Schliche kommen. Er schaut gespannt einem von ihm abgetrennten Tun zu, etwa so, wie man seinem Traum zuschaut. Die Subjekt-Objekt-Schranke wird brüchig, das Subjekt löst sich im Objektiven des Malens auf.

Ich selbst bewege mich zwischen diesen Extremen: mal übernehme ich bewusst die Leitung, mal übergebe ich die Leitung an das Medium (verlaufen lassen, sprühen, wischen, die entstehenden Formen beobachten). Dann stelle ich mich vor dem Bild auf und „entdecke“ es. 

Zurück zur in Arbeit befindlichen Leinwand,  Stand jetzt:

Für Spontaneität ist momentan nicht viel Raum, denn es gibt schon eine Bild-Architektur, es gibt Strukturen bzw Informationen, die zu berücksichtigen sind. Welche werde ich herausarbeiten? Welche werde ich durch Übermalung vernichten?

Die kräftigste Struktur wird durch die aufgeklebten Papiere gebildet. Die schwarzen Linien bilden ihrerseits ein kräftiges Gitter. Können beide erhalten bleiben? Können sie koexistieren oder muss eine weichen?

Es gibt daneben heimliche „Informationen“, die sich anbieten, eine führende Rolle bei der Weiterarbeit zu übernehmen. Eine möchte ich herausgreifen. Es ist ein „Gesicht“, ein graues Profil, das durch das schwarze „Gitter“ schaut:  Man sieht eine gerade Nase, ein geschlossenes Auge, ein Ohr, schwarzes Haar, vielleicht einen Bart, ein Stück Hals. Der Hinterkopf ist ein wenig abgeplattet. Kannst du es sehen?

Durch dieses Gesicht bekommt das Bild eine unerwartete Bedeutung. Ich jedenfalls fühle mich aufgefordert, den Rest des Bildes als Imagination dieses „Objekt-Subjekts“ wahrzunehmen. Wo, in welcher Situation befindet es sich? Was sieht es? was wünscht es? Welche Gedankeninhalte bewegen es? Wird es die Dinge auf neue Art ordnen? Wenn ja, in welcher Weise?

Und schließlich: Was ist es? Ein Mensch? eingesperrt, Insasse einer Anstalt? Oder schaut es von außen hinein in unsere Welt und sinnt, versucht zu verstehen?

Werde ich es übermalen oder werde ich das Bild in seinem Sinne umgestalten?

 

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About gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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7 Responses to Malerei fortgesetzt: Überlegungen

  1. Wenn auch düster. so erweckt das letzte Bild Hoffnung…

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  2. Ich sehe eigentlich nur ein angedeutetes Auge. Die von da aus nach unten führende Linie könnte ein Nasenrücken sein.

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  3. Links dahinter könnte – klein – eine dunkle Gestalt in einem Gewölbe stehen.

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  4. Avatar von Ulli Ulli sagt:

    Ich sehe einen Hundekopf im Profil, der aus dem Gitter schaut, es wird unterschiedlich sein, ob ich auf das wirkliche Bild schaue oder nur auf dem Monitor gucken kann.
    Bin gespannt, wie es weitergeht.

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  5. Ich guckte hin, nochmal hin und sehe einen Hundekopf. Ich sehe Tito!

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  6. Avatar von Unbekannt Anonymous sagt:

    Sehr interessant, wie Du einen Malvorgang beschreibst

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