Ich mag es, Reisen in Städte, die ich gar nicht kenne, nur wenig vorzubereiten und nicht dauernd in Reiseführer zu schauen. Kenne ich eine Stadt, mag ich auch das umgekehrte Vorgehen, nämlich einzig wegen einer besonderen Veranstaltung eine Stadt anzusteuern. Im Falle Sevilla, einem zweitägigen Erstbesuch, ließ ich mich treiben. Alles war mir willkommen. Am zweiten späten Nachmittag machten mein Sohn Wassilis und ich uns auf die Socken, um am Fluss entlang Richtung Osten zu wandern, dann über eine Fußgängerbrücke die andere Seite zu erreichen und dort zurückzuwandern. Was wir auch taten.
Auf der gegenüberliegenden Flussseite gerieten wir in einen großen vernachlässigten Park. Er war schön angelegt, aber die Bewässerungsanlagen funktionierten anscheinend schon lange nicht mehr. Keine Seele weit und breit. Allein hätte ich mich nicht getraut, ihn zu durchqueren. Von dort versuchten wir, ans Ufer zu gelangen, mussten dafür etliche Umwege laufen. Schließlich gelang es uns, und wir hatten einen bequemen Uferweg unter den Füßen, blickten auf das still fließende Wasser und den Torre Sevilla, Wahrzeichen des modernen Sevilla in der Ferne, zufrieden, nach der Bilderflut der Stadt ein wenig zur Ruhe zu kommen.
Wir erreichten auch die Brücke, auf der wir zurückkehren wollten, da fiel mein Blick auf ein wunderliches Tor, das offen stand. „Schau doch mal, was das ist“, bat ich den Sohn. „Eine stillgelegte Keramikfabrik“, vermeldete er, als er zurückkam.
„Lass uns reingehen, mal sehen, was da noch zu sehen ist“, schlug ich vor und überquerte neugierig die laute Straße, schritt durchs Tor und fand mich in einem stillen von alten Gebäuden flankierten Weg wieder. Der öffnete sich zu einem schön bepflanzten stillen Platz,und hinter einem Torbogen wurde eine Kirchenfassade sichtbar. Das Tor war verschlossen.
Nanu, wo waren wir? Eine dezente Tabelle klärte uns auf: wir befanden uns im Centro Andaluz de Arte Contemporane. Im Andalusischen Zentrum für Zeitgenössische Kunst! Es gab auch einen Schalter und einen müden Angestellten dahinter, der uns. als wir den geringen Eintrittspreis zahlen wollten, informierte, dass der Eintritt eine halbe Stunde später umsonst sei. Wir könnten bis dahin den offenen Teil des Zentrums besichtigen.
Immer noch verwundert machten wir uns auf den Weg. Von Ferne winkte ein Mann aus einem Fenster, ich zoomte ihn heran…
Wir ließen eine weitere Kirche links liegen und schritten durch ein gewaltiges Tor. Eineweite schön gestaltete menschenleere Landschaft tat sich auf. Der Torre Sevilla spiegelte sich nun in einem künstlichen See.
Inzwischen hatte mein Sohn unseren Standort ergoogelt und sich informiert (schließlich ist er Informatiker von Beruf): Das Gelände gehörte zu einem ehemaligen Kartäuser-Kloster, das in den Wirren der napoleonischen Kriege schloss. Im 19. Jahrhundert baute ein britischer Geschäftsmann ins Kloster hinein eine Keramikfabrik, die er irgendwann auch aufgab. Und alles geriet in Vergessenheit und fiel in Dornröschenschlaf, bis die Organisatoren der Weltausstellung, die 1992 stattfand, begannen, das Gelände zu renovieren. Rundum entstanden Pavillons… Und wieder fiel es in Schlaf, der aber nicht mehr so tief war. Langsam siedelten sich rundum Unternehmen an (man sieht sie nicht von unserem Standort aus), und im renovierten Kloster entstand das Zentrum für Zeitgenössische Kunst und gab dem merkwürdigen Konglomerat aus Kloster- und Fabrikbauten einen neuen Inhalt.
Und so beginnt eine wundersame Entdeckungsreise, von der ich in zwei weiteren Beiträgen erzählen will.






Der Mann aus dem Fenster könnte sich auch hintendran fortsetzen, wer weiß?
In Bremen im dortigen Museum sah man Schuhspitzen hinter einem Vorhang. Stand da jemand oder stand da keiner?
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Ich weigere mich, mir diesen im Raum vorzustellen. 😉
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Spannend wars mitzuwalken!!
Dankeschön fürs mitnehmen 🤗
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immer sehr gerne, lieber Lu 🙂
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Wie schön 🎶🎵🎵🎵🎶💐
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Sich treiben lassen….eine schöne Art eine Stadt zu entdecken. Und fein auch, dann die Infos mittlerweile ergoogeln zu können.
Ich habe euch gerne begleitet. Der Mann im Fenster ist beeindruckend. Die Bauten noch mehr. Die Stadt gefällt mir und ich schreibe sie auf meine imaginäre Liste.
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Unbedingt, Mitzi. Es gibt dort zwar unendlich viele Touristen, aber im Zentrum für Zeitgenössische Kunst waren wir die einzigen….
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Dem Mann, der aus dem Fenster winkte, hätte ich drinnen nicht begegnen wollen 🙂
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