Das Museum bei den antiken Ausgrabungen von Korinth, das wir (meine deutschen Besucherinnen und ich) auf der Rückfahrt nach Athen besuchten, folgt dem alten musealen Konzept. Die diversen Artefakte, in Schaukästen, durchnumeriert und mit Fundort und vermuteter Entstehungszeit beschildert, führen ein eher fragwürdiges Dasein. Die Besucher traben zwar gehorsam durch die Gänge, lesen und beschauen dies und das, aber eine irgendwie geartete höhere oder tiefere Erkenntnis über die Entwicklung von Lebensformen und Kunst im Laufe der Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende zu gewinnen, wird ihnen nicht gerade leicht gemacht.
Dennoch lohnt es sich, die Räume mit aufmerksamem Blick zu durchstreifen, denn in dem Sammelsurium befindet sich eine Vielzahl durchaus bemerkenswerter Kunstwerke. Sicher, du findest die meisten Motive in Athener oder auch deutschen Museen in größerer Zahl und unter besseren Ausstellungsbedingungen, aber ist nicht auch diese Kleinplastik einer mit dem Sessel verschmolzenen Frauengestalt einen zweiten Blick wert? Dem/der im 7. vorchristlichen Jahrhundert lebenden KünstlerIn oder seinen/ihren KundInnen hat das Motiv anscheinend gefallen, denn es wurden gleich zwei derselben Sorte gefunden, die sich nun in einer Vitrine gegenüber sitzen.
Dieser gestreifte Widder, der vielleicht einem Kind als Spielzeug diente, stammt aus derselben Epoche.
Ein Saal ist dem Heilgott Asklepios, Sohn des Apoll gewidmet. In Marmor nachgebildete Gliedmaßen, Penisse und Brüste legen bis heute Zeugnis ab von der Dankbarkeit der geheilten Patienten. Den Heilgott aus römischer Zeit (Äskulap) siehst man hier, zusammen mit Marmor-Devotionalien und im Schaukasten gespiegelten neuzeitlichen Besucherinnen.
Länger blieb ich vor dieser Skulptur einer Aphrodite stehen, deren Gesicht und Gestalt vielleicht gerade durch die Zerstörung einen besonderen Charme ausstrahlt. Mein Versuch, sie in einer Zeichnung festzuhalten, scheiterte kläglich.
An Sphingen gehe ich nie vorbei, ohne mir über ihr enigmatisches Lächeln den Kopf zu zerbrechen. Eine Mona Lisa des Altertums, ca 7. Jh v.Chr.
Es ist ein zeitübergreifendes Lächeln, einst göttlich, nun menschlich geworden. Mir kommt das Lied der Seeräuber-Jenny aus Brechts 3-Groschen-Oper in den Sinn:
Aber eines Abends wird ein Geschrei sein am Hafen
Und man fragt: Was ist das für ein Geschrei?
Und man wird mich lächeln sehn bei meinen Gläsern
Und man sagt: Was lächelt die dabei? ….
Aber eines Abends wird ein Getös sein am Hafen
Und man fragt: Was ist das für ein Getös?
Und man wird mich stehen sehen hinterm Fenster
Und man sagt: Was lächelt die so bös?
Zu den Berühmtheiten und Must-sees der Museumssammlung gehört ein großes Dionysos-Bodenmosaik, das einst eine römische Villa und jetzt eine Wand des Museums schmückt/e.
Das eigentliche High-Light der Sammlung sind freilich die beiden erst 2010 in einem benachbarten Dorf aufgefundenen Kouroi. Man nahm sie Raubgräbern ab, die sie verscherbeln wollten. Sie stammen wohl aus dem 7. oder 6. vorchristlichen Jahrhundert. Der ägyptische Einfluss ist unverkennbar, doch unverkennbar ist auch der Unterschied zu den Vorbildern: Zum ersten Mal steht der Mensch aufrecht und frei im Raum, ohne die Fußfessel und Rückenstütze, ohne die der ägyptische Mensch nicht auskam. Frei und selbstbewusst schreitet der Adept zum Tempel der Götter. Leider durfte man sie nicht fotografieren, doch machte ich ein schnelles Übersichtsfoto und bemühte mich, die imposante Rückenlinie mit der muskulösen Schulterpartie, der schlanken Taille und dem schwellenden Hintern zeichnerisch festzuhalten.




Interessante Ausstellungsstücke. Das Mosaik ist wirklich schön. Am interessantesten für mich das erste Bild des verschmolzenen Sessels.
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„Schwellende Hintern“, toll! Wenn man alt ist und davon nix mehr übrig ist, könnte man neidisch werden!!!
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aber nur ein klein bissel neidisch, bitteschön 🙂
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🙂
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Danke fürs mitnehmen, liebe Gerda.
Auch klassische Museumspräsentation hat ihre Daseinsberechtigung. So kann man in einer ruhigen Weise, dem eigenen Tempo angepasst um die Objekte wandeln.
Wir waren für 5 Tage in den Bergen in Tirol Österreich. In jedem kleinen Dorf findest du die modernste Museumspräsentation. Videos, Hologramme, Schubladen mit Infos, 360 grad Präsentationen, toll aber es ist mitunter auch anstrengend.
Liebe Grüße von Susanne
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Danke, Susanne. Ja, da hast du auch wieder recht, diese modernsten Präsentationen sind auch nichts für mich. Aber wenn auf dem Ausgrabungsfeld nicht mal eine Schautafel existiert und wichtioge Teile ohne Hinweise einfach abgesperrt werden, ist das schon auch ein großer Mangel. Bei den Vitrinen, wo man von oben nach unten schaut und die Beleuchtung zu wünschen übrig lässt, entgeht einem so manches. Aber nun, etwas findet man immer, das einen fesselt. Und das ist dann wohl auch genug, um dran zu knabbern.
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Tolle Worte und Bilder, liebe Gerda!
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🙂
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„Alt-Korinth“
Gemäß der griechischen Mythologie wurde Korinth nach Korinthos benannt. „Beschrieben wird Korinth (altgriechisch Κόρινθος Korinthos) als antike griechische Stadt beim Isthmus von Korinth. Der Isthmus von Korinth ist eine Landenge und verbindet das griechische Festland mit der Peloponnes. Es heißt, dass Korinth in der Antike eine bedeutsame Handelsmetropole war.“ -> https://www.mythologie-antike.com/t830-korinthos-mythologie-namensgeber-von-korinth
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Vielen Dank, Holger!
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Gerne
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