Welttheater 4. Akt, 8.Szene: Recht gegen Recht.

Was zuletzt geschah: Domna fordert von Tschinn Rechenschaft für sein Handeln. Er beruft sich auf das Recht des Stärkeren und will die Gruppe verscheuchen. Da tritt Diaphania (Transparenz) auf.

Diaphania:

Sprich, guter Mann, was ist dein Argument

was dein Begehr, und was dein Dokument?

Tschinn:

Ich bin zwar keine Rechenschaft dir schuldig,

doch sag ichs gern noch mal: Dies ist Privatbesitz.

Ich habs den Damen eben schon geduldig

erklärt, dass ich hier baue einen Ruhesitz

für Menschen, die ihr Leben lang mit Fleiß

sich mühten und, am Ende von Erfolg gesegnet,

sich leisten können, müde vom vergossnen Schweiß,

dass Lust und Wohlsein ihnen hier begegnet.

Diaphania:

Sehr wohl, ich hab verstanden jetzt dein Argument.

Doch würde ich gern sehen auch das Dokument

das mir bezeugt, dass du zu Recht hier waltest

wenn du ein Wohngebiet für Reiche hier gestaltest. 

Tschinn:

Ein Dokument? O, das ist leicht gebracht.

(für sich) Denn wo das Geld ist, da ist auch die Macht.

Ich bring es euch, sobald ihr euch ausweiset

mir sagt, wer euch befugt und wie Ihr heiset.

Diaphania zieht mit einer sachten Bewegung den rechten Vorhang vor die Bühne.

Domna:

Nun hör auch mich, verehrte Frau.

Du siehst die Bucht, siehst auch das Meer, den Strand.

Du siehst den angefangnen Bau

den dieser Mann hier setzte in den Sand.

 

Ich sehs ja nicht mit Augen, weil ich blind,

doch in der Seele kann ich es erschauen,

wie hier ein freier Ort, an dem ein Kind

aus Sand wohl möchte Burgen bauen

 

nun abgesperrt nur noch die Reichen duldet.

Das ist nicht Recht. Die Erde dient uns allen

Und niemand ist, der ihr nicht Liebe schuldet.

Wer dürfte sich ein Stück für sich erkrallen?

Diaphania:

Nenn das Gesetz, auf das du dich berufst.

Domna:

Nicht ich wars, auch nicht du, die es erschufst

Es ist das Recht, das immer schon gegeben

und ohne das es gar nicht gäb das Leben:

Wer nimmt muss geben und der gibt, der nimmt.

Es wacht die Nemesis, das diese Rechnung stimmt.

Tschinn:

Was redst du da? wer ist schon Nemesis?

Die ist passee, auf die geb ich kein Schiss.

Inzwischen ist doch längst geklärt:

Nur ein Gesetz hat sich bisher bewährt.

Der Fitteste ist Herr, die anderen sind Knechte

Wer sich durchsetzt, der ist dann auch im Rechte.

Diaphania schließt nun mit einer sanften Gebärde den Vorhang auf der linken Seite der Bühne und öffnet ihn auf der rechten Seite. Dort sieht man Clara mit dem Biest Kairos in freundlicher Unterhaltung.

(wird fortgesetzt)

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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6 Antworten zu Welttheater 4. Akt, 8.Szene: Recht gegen Recht.

  1. Gisela Benseler schreibt:

    So eine feine, freundliche Art des Sprechens von Diaphania lockt sogar Tschinn „freundliche“ Antworten hervor…
    .Clara mit dem Tier Kairos vertrauensvoll zusammen…, – das ginge wohl nicht lange gut.

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  2. Gisela Benseler schreibt:

    Wie schön Du das Gesetz der Nemesis erklärst, Gerda!

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