
Nacht für Nacht irre ich auf den Traummeeren, die sich zwischen Asien und Europa erstrecken. Wachend folge ich jedem Sonnenaufgang, folge der Bahn der Sonne und finde mich am Abend erneut am Ausgangspunkt. Nun habe ich die Kompassnadel festgezurrt: Sie schaut nach Osten! Immer nur nach Osten. Es muss doch möglich sein, eine Richtung einzuhalten, selbst auf diesem Planeten, der sich dreht.
In den Traumnächten begegnet mir viel Volk. Ich will gar nicht erst versuchen, all die Wesen aufzulisten, die sich ein Stelldichein geben in den Traumwelten. Du kennst dich aus, weißt, wie unsicher die Auskünfte sind, die man da geben kann. Nur so viel: Immer wieder segele ich auch am Eingang des Hades vorbei, und jedesmal zerrt der Herrscher der Unterwelt,

auf seinem stierartigen Ross reitend, ein anderes widerstrebendes Opfer in den Rachen seiner Welt.

Aber lassen wir das. Über den Tod haben wir noch genug Zeit zu reden.
Am Tag irre ich durch die Archipele,

nähere mich auch zaghaft der einen und anderen Insel, nur um zu finden, dass sie unbewohnbar ist. Jedenfalls für mich, zum jetzigen Zeitpunkt. Zu feurig! Meine Seele ist noch zu wässrig, um diesem Feuer standzuhalten.

Denn sagt nicht Heraklit, den ich suche: αὐγὴ ξηρὴ σοφωτάτη καὶ ἀρίστη, ἢ καλύτερα: αὔη ψυχὴ σοφωτάτη καὶ ἀρίστη. Aber lassen wir auch das für den Moment. Denn es gilt, Kurs zu halten.
Wie die rostigen Blüten auf meiner Gartenschublade, wie die unzähmbaren Blüten auf Cy Twomblys Gemälden präsentieren sich mir die Inselwelten zwischen Europas und Asiens Küsten, feurig und wild.

Werde ich zwischen ihnen verrosten? oder mit ihnen erblühen? Wird es mir je möglich sein, mich auf diesem Ozean zurechtzufinden und festes Land zu gewinnen? Die Seele ist ein Ozean, „grenzenlos, und soweit du auch wanderst, du wirst die Grenzen der Seele nicht finden, so große Tiefe hat sie“. (ψυχῆ ς πείρατα ἰὼν οὐκ ἂν ἐξεύροιο πᾶσαν ἐπιπορευόμενος ὁδόν· οὕτω βαθὺν λόγον ἔχει.) Das sagt Heraklitos, raunt es mir zu in den Nächten, wenn ich mich ihm auf Traumpfaden nähere.
Schöne Farben und wundervoll beschrieben. Deine Arbeiten passen zu einer Traumwelt, denn Träume sind ja oftmals nur verwischte und nicht klar erkennbare Bilder 🙂
LG Alexander
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danke Alexander!
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Eine wunderbare Beschreibung in Bilder und Worte! Es sind die Seelenstürme, die es zu überwinden gilt! Dazu brauchen wir ein sicheres Schiff und ein Ziel!
Das sind meine Gedanken zu Deinem Beitrag! Wie immer sehr bereichernd!
Wenn ich es richtig verstanden habe, begibst Du Dich auf den Weg nach Rom, so wünsche ich Dir eine gute Reise und eine wunderschöne Zeit!
Herzliche Grüße Babsi
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Danke, liebe Babsi! Ja, ich reise diesmal in eigener Person, nicht nur im Geiste. Und zwar nach Westen, vorerst. Ja. Nach Rom. Vier Tage wollen wir dort bleiben.
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Wunderschön deine Traumwelt, die mir auch zeigt, dass es auch dort nicht einfach ist, die Richtung zu halten. Schöne Tage in Rom. Lieben Gruss Martina
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Herzlichen Dank, Martina!
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Das sind grossarzige Bilder, liebe Gerda, sie erscheinen mir, als würde sich etwas Neues ausbreiten, etwas mehr Osten-
für den Satz von Heraklit bedanke ich mich, er ist so wahr, wie tief …
liebe Grüsse
Ulli
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Dieser Weg nach Osten ist auch für mich faszinierend, zumal ich jetzt in der Realität für ein paar Tage nach Westen, nach Rom fliegen werde. Teggytiggs schrieb in einem schönen Beitrag von ihrer Beobachtung; dass in ihrem Fluss außer der Hauptrichtung eine feine Strömung in der Gegenrichtung existiert. So empfinde ich es a voller Freude über diese Reise auch. Ich bin voller Freude über die bevorstehende Reise Athen-Rom mit diesem leisen Ziehen im Herzen nach Ephesus. .
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mir ist gerade aufgefallen, dass du den ersten Satz von heraklit gar nicht übersetzt hast, machst du das bitte noch? dankeee
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🙂 Ich weiß, dass ich ihn nicht übersetzt habe. Aber ich komme drauf zurück ……
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okay, ich übe mich in Geduld …
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Die Grenzen der Seele wirst Du nicht finden, denn zu groß ist ihre Tiefe… wunderschön sind diese Worte und ich glaube, so muß es sein, so ist sie zu verstehen.
Deine Bilder bezaubern und jedes trägt eine Welt in sich.
Lieber Gruß nach Rom
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danke, Bruni! Dein Kommentar ist erst heute erschienen und hat mich noch einmal wundersamer Weise nach Rom versetzt. Sei lieb gegerüßt! Gerda
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oh, wo ist er nur herumgewandert?
Ich grüße Dich zu einem echten Herbstmorgen mit Nebel und wenig Durchblick *g*
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hier strahlt ein heller blauer Tag durchs Fenster, Zeit, hinauszugehen!
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sonnig ist der Tag jetzt auch geworden. Ich werde ihn mal ausprobieren, liebe Gerda, Richtung Bauer *g*
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und ich sitze immer noch am Computer, o Schande!
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🙂
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