Immer noch befinden wir uns im Umkreis des Weihnachtsfestes. Gestern entdeckte ich vor einer Kirche eine regelrechte Krippe mit Mama, Papa und Kindlein, mit Lämmlein, Kamel und drei Königen. Es gab weder Engel noch Hirten. Insofern stimmt die Darstellung mit keiner der beiden Erzählungen der Evangelien überein. Denn dort gibt es entweder eine Szene im Stall mit Krippe, Engeln, Hirten und Tieren oder eine andere im Haus mit Weisen bzw Königen, die ihre Gaben darbringen, während die Tierwelt nicht durch Lämmer, sondern durch die Reittiere der Besucher repräsentiert wird.
Gut gefällt mir, dass Joseph ein junger Mann mit feinen Gesichtszügen und kein ehrwürdiger Greis ist und insofern mit seinem angetrauten Weib Maria ein durchaus passendes Paar bildet.
Über dem Ganzen gibt es eine Inschrift auf Kirchengriechisch. übersetzt etwa: „Ruhm sei Gott in der Höhe und auf Erden Frieden, den Menschen zum Wohlgefallen.“
Ich ging in die dunkle stille Kirche hinein, um eine Kerze anzuzünden für einen sehr lieben und wichtigen Menschen. Die Nachricht hatte mich am Morgen erreicht und ziemlich erschüttert: Die Vorsitzendes des Vereins der Behinderten war am Tag zuvor, also am Weihnachtstag gestorben. Genau einen Monat zuvor, am 25. November, hatte ich sie getroffen, es war ihr Namenstag, und ich freute mich, ihr einen Teil der Spenden aus der Aktion „Kunst hilft“ für eine bedürftige Familie überreichen zu können. Sie erzählte froh von der bevorstehenden Geburt ihres ersten Enkelkindes durch ihre Tochter und von der bevorstehenden Kunst-Ausstellung ihres (behinderten) Sohnes, zu der sie mich herzlich einlud. Und nun ist sie gestorben, ohne diese beiden frohen Ereignisse erleben zu können. Ich fühle den Kummer ihrer Kinder und all der Menschen, die durch sie Hoffnung schöpften und durch ihre Energie Hilfe erfuhren.
Schwer war mein Herz. Und so versuchte ich, mir Erleichterung zu verschaffen, indem ich, wie es die frommen Griechen tun und wie es der Verstorbenen angemessen war, mich der mit Blumen geschmückten Ikone der Mutter mit dem Kind näherte, mich vor ihr verneigte und bekreuzte.
Auch vor der traditionsreichen Ikone der Geburtsszene Jesu stand ich eine Weile und fand irgendwie Trost in der Betrachtung. Es ist eine erstaunliche Komposition, die alle Beteiligten am Weihnachtsgeschehen harmonisch vereinigt und darüberhinaus Hinweise auf das weitere Heilsgeschehen enthält:
Die Engel, die den erschrockenen Hirten die Geburt des Heilands verkünden, erscheinen wunderbar beflügelt und farbig gewandet über den Bergen. Das Zentrum wird beherrscht von der Figur der knienden Maria in rotem Gewand, vor sich das klitzekleine eng gewickelte Neugeborene, über das sich Rind und Esel beugen. Die Örtlichkeit ist unbestimmt, die Krippe ähnelt einem steinernen Sarkophag. Drei noch recht junge Könige knien auf der Ebene darunter und schauen, ihre Gaben in den Händen, ins unbestimmte Weite. Im Vordergrund sitzen zwei sinnende Männer: Der eine scheint ein Hirt zu sein, denn davor grasen zwei Schafe. Der andere ist Joseph. Der Baumstumpf mag eine Anspielung auf das Kreuz sein, das aus abgehauenen Bäumen gefertigt wird.


Liebe Gerda, da hast Du ja gerade viel Bewegendes erlebt. Ich denke an Dich und Euch. 🙏🌟✨🎄🌙
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