
FRANCE – 1963: Madeleine Renaud (1900-1994) in „Oh! les beaux jours“ by Samuel Beckett. Paris, theatre of the Odeon, october 1963. (Photo by Roger Viollet via Getty Images/Roger Viollet via Getty Images)
Mir will grad Becketts „Oh! les beaux jours“ nicht aus dem Kopf gehen, das ich 1963 am Heiligabend in Paris sah. Es war einer der highlights meines Lebens – und zugleich, wenn man so will, ein Tiefpunkt. Der von mir heiß geliebte Jean-Louis Barrault spielte die Rolle des Willie, und die großartige Madelaine Renaud verkörperte die Winnie. Die Regie führte Roger Blin. Die Aufführung fand in dem festlichen Rokkoko-Anbiente des l’Odeon statt. Dass ich eine Karte ergatterte, lag am Termin: an Heiligabend wollten die Menschen sich dieses Stück wohl nicht antun. Ich aber, 21 Jahre jung und mutterseelenallein in Paris, genoss gerade diese absurde Situation aus vollem Herzen.
Mein tiefes Misstrauen gegen den Weihnachtskult der „Heilen Welt“ trieb mich damals von zu Hause weg und ins Theater, und gerade zu diesem Stück von Beckett, zu diesem genial inszenierten Endspiel einer Ehe, in der alles wunderbar und comme il faut verlief. Winnie, erst halb, dann bis auf den redenden Kopf ganz im Sand versunken, hat in einem schwarzen Sack und um sich die Dinge ihrer Exzellenz versammelt: Sonnenschirm, Zahnbürste und was man sonst noch als Frau so braucht, dazu auch, für alle Fälle, einen Revolver. Sie redet und versinkt immer tiefer im Wüstensand, während ihr Mann Willie unsichtbar hinter einem Sandhügel liegt und schweigt. Nur am Ende kriecht er hervor, murmelt den Namen der geliebten Frau und küsst sie auf die ersterbenden Lippen. O glückliche Tage!
Ja, das schien mir ein großartiges Abbild der Condition humaine zu sein:
- ein goldglänzendes Theater mit festlich gekleidetem erlesenem Publikum und den besten damals lebenden Schauspielern
- eine Frau auf der Bühne, die ihren Schnickschnack vorzeigt und pausenlos redend sich selbst vorspielt, glücklich zu sein, bemüht, im Mann ein entsprechendes Echo hervorzurufen, um sich lebendig zu fühlen. Dabei versinkt sie immer tiefer im Sand der Banalität.
- ein Mann, stumm, in sich selbst verkrochen, der seine Gefühle nicht äußern kann,
- und rundum nichts als Wüste.
Man muss wohl sehr jung sein, um aus solchen lebensechten Dramen Genuss zu ziehen.
Nun aber zurück zu heute! Möge echte lebendige Kommunikation die Horror-Vorstellung der „Glücklichen Tage“ ad absurdum führen und uns allen wahrhaft glückliche Tage bescheren!
Dazu ein Weihnachts-Dekor aus einem Schaufenster.
Dies ist ein Eintrag zu Jurickas Challenge Rund um Weihnachten.

Das ist eine schöne Erinnerung. Danke, dass du sie mit uns geteilt hast.
Liebe Gerda, ich wünsche dir von Herzen eine friedliche und auch fröhliche Zeit. ✨️🕊✨️
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Danke, Ulli. Heute erwarten wir unseren Sohn, so sind die Voraussetzungen für fröhliche Stunden sehr gut. Eine frohe Zeit auch für dich!
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Wie schön, das freut mich sehr für euch.
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Das war ja wirklich ein besonderes Erlebnis
an einem besonderen Tag. Das besondere Schaufenster passt irgendwie auch dazu. 😉 Geniesse den Jahresendspurt .. wieder mit Raunächten???
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Raunächten sollte es heißen ..
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weiß noch nicht.
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Tolle Erinnerung an ein total besonderes Erlebnis, liebe gerda🔥
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Man findet, was man sucht. Oder: Das Gesuchte findet uns.
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sicher.
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