112 Stufen, 84: Schrecken (Heuschrecken, Franz Münterfering, Ukraine)

Reiner hat ein „Mitmachding“ initiiert. Es geht darum, jeden Tag einen Text zu einem Wort zu posten, das sich auf der Holsteiner Treppe in Wuppertal, verteilt auf 9 Absätze befindet. Es reizt mich, da mitzumachen, allerdings eher nicht mit eigenen Textproduktionen, sondern mit literarischen Assoziationen und Gedichten anderer. Ich bin gespannt, welche Texte, Gedichte, Geschichten jedes dieser Wörter in meiner Erinnerung aufleuchten lässt. All diese Erinnerungen an Gelesenes und im Gedächtnis Aufgehobenes sollen mir einen nachklingenden Teppich weben, den ich über die Stufen lege, um noch einmal hinaufzusteigen.

Bei dem heutigen Wort der Holsteiner Treppe „Schrecken“ fallen mir als erstes die „Schrecken des Kriegs“ samt ihren vielfältigen literarischen und künstlerischen Bearbeitungen ein. Aber es fällt mir auch  die Ukraine ein, die nicht nur von den Schrecken des Kriegs, sondern Ende Juli dieses Jahres auch von einer Heuschreckenplage heimgesucht wurde, die die verbliebenen Ernten im Süden des Landes vernichteten.

fonds and other hungry beasts

Heuschrecken – damit meine ich freilich nicht nur die Insekten, die laut Bibel als göttliche Strafe immer mal wieder die Menschheit überfallen, sondern auch die großen Hedge-Fonds und Vermögensverwalter, die seit Beginn des Kriegs massiv in den Kauf der landwirtschaftlichen Nutzflächen der Ukraine mit der berühmten schwarzen Erde eingestiegen sind. „Abertausende Hektar Land haben 2022 und 2023 den Besitz gewechselt. Laut der Studie „Krieg und Diebstahl“ des kalifornischen Oakland Instituts, eines Thinktank für Nahrungssicherheit und Landaneignungen, gehören bereits drei Millionen Hektar fruchtbares Ackerland gerade mal einem Dutzend großer Agrarunternehmen. Oaklands Strategiedirektor Frédérick Mousseau nennt das eine Übernahme der ukrainischen Landwirtschaft durch westliche Konzerne,“ meldete die FR bereits im Oktober 2023.

In einem Blogeintrag von 2015, den ich „Heuschrecken und andere Schrecken“ betitelte und auf die damalige griechische Krise bezog, schrieb ich : „Der Begriff Heuschreckendebatte wurde im April und Mai 2005 geprägt. Auslöser war eine Äußerung des damaligen SPD-Vorsitzenden Franz Münterfering. Er verglich das Verhalten mancher „anonymer Investoren mit Heuschreckenplagen.

Franz Münterfering gegenüber BILD:

„Manche Finanzinvestoren verschwenden keinen Gedanken an die Menschen, deren Arbeitsplätze sie vernichten – sie bleiben anonym, haben kein Gesicht, fallen wie Heuschreckenschwärme über Unternehmen her, grasen sie ab und ziehen weiter.“

„Heuschrecken“ gelten im deutschen politischen Sprachgebrauch seitdem als Metapher für Private-Equity-Gesellschaften und andere Formen der Kapitalbeteiligung mit kurzfristigen oder überzogenen Renditeerwartungen, wie Hedge-Fonds oder sogenannte Geierfonds.

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About gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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