Wir haben einen Ausflug gemacht, um ein befreundetes Paar zu besuchen, blieben auch über Nacht. Es war ein so erfüllter Abend und Morgen, dass es mir schwer fällt, eine Auswahl zu treffen.
Das Dorf liegt auf 1000 m Höhe auf der „Rückseite“ des Taygetos (von uns aus gesehen). Man sieht von dort nicht aufs Meer, sondern auf das breite von Oliven und anderen Fruchtbäumen bestandene Tal des Evrotas – des Flusses, an dem die schöne Leda Zeus in Gestalt eines Schwans empfing und danach zwei Zwillingspaaren das Leben gab, von denen je ein Teil sterblich, der andere unsterblich war. Ihr kennt sie dem Namen nach: die Dioskuren („Zeussöhne“) Kastor und Polydeukes (Pollux) und die für Griechenland so schicksalhaften Schwestern Klythaimnestra und Helena. Dahinter das Parnona-Gebirge, das Lakonien von Arkadien trennt.
Das Haus selbst ist alt und ein wahres Schmuckkästchen oder genauer: ein Museum der Haushaltstechnologie der vergangenen 100 Jahre. Strom kam erst in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts ins Dorf. Aber wie eindrucksvoll sind die Produkte, die unter diesen Bedingungen erzeugt wurden!
Einiges ließ ich mir erklären:
Die prächtigen handgewebten Teppiche
Vom Webstuhl sind nur noch einige Teile da, darunter zwei Weberschiffchen.
Die Bügeleisen. Das größere funktioniert mit glühender Kohle, die eingefüllt wird, das kleine wird erhitzt und wurde speziell für die Glättung der Foustanella (männlicher Faltenrock) benötigt.
Nachthemdchen, Kleidchen und Servietten für die Kinder
Prächtige Stickereien, Sonntagskleider, Trachtenkleider und die Lieblingspuppe der jetzt 93 jährigen Mutter, als sie ein Kind war.
Ein schwerer Waschzuber aus Zink und Kupfer, der von einer Feuerstelle darunter beheizt wurde. Singer-Nähmaschine und Fleischwolf kenne ich von zu Hause.
Die meiste Zeit steht das zweistöckige Haus nun leer, denn die alte Dame lebt in Sparta und die Tochter kommt mit dem Ehemann (der von Inseln stammt) gelegentlich aus Athen, um nach dem Rechten zu sehen.
Warum erzähle ich das? Weil es so charakteristisch für dieses Land ist, das seine seelische Kraft aus der Anhänglichkeit der Menschen an ihre Herkunftsdörfer zieht, die sie aber kaum mehr bewohnen. Nur noch 230 Bewohner sind registriert, die Schule ist seit langem geschlossen, ebenso auch die anderen öffentlichen Einrichtungen, die es hier einst gab. Der Friedhof aber ist groß und prächtig, und ich vermute, dass sich immer noch etliche Menschen dort bestatten lassen, auch wenn sich ihr Leben ganz woanders abspielt.
Das Dorf zieht sich locker am bewaldeten Hang entlang und konzentriert sich auf zwei Niveaus rund um je einen großen Kirchplatz. Die Kirchen sind prächtig, haben aber keine eigenen Pfarrer mehr, weshalb der heutige bedeutende Gottesdienst (Allerheiligen und Zwölf Apostel fielen, zusammen, wie mir erklärt wurde) nur im Nachbardorf zelebriert wurde. Auf dem Platz, der von einer gigantischen Platane überschattet wird, aßen wir zu Abend. Als wir kamen, waren noch keine Gäste da, später füllten sich dann ein paar Tische, denn es war ja ein sommerlicher Samstag abend.
Natürlich gab es auch einen Brunnen – mit einer kunstvollen, nun leicht angemoderten Marmorfigur gekrönt –
und zwei Kater, die sich ein spannendes Duell lieferten. (Der schwarze weinte den getigerten an, der seinerseits dem Blick und den drohenden Annäherungen tapfer standhielt, dann aber doch höchst vorsichtig Fuß um Fuß rückwärts setzte und schließlich davonschlich.)
Heute Vormittag versammelten wir uns zum Kaffeetrinken im Hinterhof. Tannen und Maulbeerbäume gaben den gewünschten Schatten. Leider wurden einige Tannen kürzlich abgehauen, da sie zu nah an Haus und Lichtleitung standen. Brandgefahr.
Die 93jährige Mutter kam mit ihrer Begleiterin aus dem ca 30 km entfernten Sparta. Und so lernte ich auch den Spirit des Hauses kennen. Eine bewundernswerte und trotz des hohen Alters vollkommen präsente Frau, die sich gerne zu einem Abschiedsfoto im Empfangsraum des Hauses bereiterklärte.
Ich setzte mich, weil ich sie stehend überragt hätte. Und das kam mir unpassend vor.














Diese Bilder allein sind (m)ein Traum! Nach und nach schaue ich mir die Einzelheiten an.😊
LikeGefällt 1 Person
Ja, schau, es lohnt sich. 🙂
LikeLike
Das ist so schön zu lesen, liebe Gerda. Und ich empfinde das als so tröstlich, dass es das überhaupt noch gibt. Und dann die wunderschönen Bilder dazu, damit wir uns das alles auch richtig vorstellen können. Vielen Dank dafür 🙂
LikeGefällt 1 Person
Ich freu mich, liebe Chrinolo!
LikeLike
Die alten Bügeleisen hatte Oma auch,
aber warum meine Oma um die 20 Stück hatte kleine wie große bleibt auch Jahrzehnte nach ihrem Tod ein Rätsel.
LikeGefällt 1 Person
Weil man immer nur im Wechsel bügeln kann. Wenn mehrere Eisen schon aufheizen, während man mit dem einen schon bügelt, kann man den fliegenden Wechsel machen, sobald das erste sich abgekühlt hat. Bügeln mit enorm Kohlebügeleisen bedeutet, möglichst immer „mehrere Eisen im Feuer zu haben“. 😉
LikeGefällt 1 Person
Kommt der Spruch daher?
LikeLike
Ja, wir fanden 20 nur etwas sehr viel. Aber wer weiß. Oma war ganz früher Hauswirtschafterin beim Herrn Pastor.
LikeLike
Ob der Spruch daher kommt, müsste ich direkt al nachschauen! 🙂
Warm die kleinen Bügeleisen: die kleineren werden schneller heiss. Wenn Du diese Kohleeisen mal in die Hand nimmst, merkst Du, die sind ganz schön schwer. Wenn der Arm dann schon müde war, konnte Frau mit den kleineren, leichteren noch weiterbügeln. Und: die Sohle der Eisen ist ja sehr dick. Mit einem modernen Flachsohleneisen kommst Du auch in Ecken und enge Stellen rein, einfach indem Du mit der Spitze nur bügelt. Aber versuch das mal mit so einem Eisen mit so dicker Sohle… geht nicht!
LikeGefällt 1 Person
Ob man sich in en paar Jahrzehnten wohl auch fragen würde, warum zum Kuckuck der Ururopa so viele kleine und grosse Schraubendreher in seiner Werkzeugkiste hatte? Recht doch einer! :-)))
Du, ich find Deine Oma toll! Die hat sich für Ihre Arbeit das passende Werkzeug beschafft, und sich so das Leben einfacher gemacht! :-))) Respekt!
LikeGefällt 1 Person
Danke, ja es war spannend wo man was so bei Ihr fand.
Ich war von der jetzt nicht so begeistert wie von der Anderen, aber vielleicht wäre es im Alter anders gelaufen ich war noch keine 14 als beide Omis starben.
LikeLike
Ganz herzlichen Dank für deine vielen Hinweise, liebe Federflüsterin! Wie ich schon schrieb, sind die kleinen in diesem Fall für das Bügeln der Falten der weißen Röcke, die die griechischen (und albanischen) Männer trugen und die wir heute noch von den „Tsolias“-Soldaten kennen, die vor dem Parlament Wache stehen.
LikeGefällt 1 Person
Ach, siehst Du, also für die Feinarbeit! Wie interessant, ein Faltenbügler! 🙂
LikeLike
Ein wunderschöner Ausflug war das, liebe Gerda und all diese schönen Bilder sprechen eigentlich schon für sich selbst!
Solche Dinge des Alltags aus alter Zeit zu bewahren gefällt auch mir immer besonders und eine ähnliche Nähmaschine, aber mit Pedal zum Treten und vor allem auch so ein Fleischwolf ist zum Glück auch von meinen Vorfahren geblieben.
Das letzte Bild gefällt mir auch sehr und war typisch, sehr rücksichtsvoll von dir die Gastgeber auf dem Foto größenmäsig nicht überragen zu wollen. 🙂
Liebe Grüße, Hanne
LikeGefällt 1 Person
Hab Dank, liebe Hanne.
LikeGefällt 1 Person
Ein sehr ansprechender Beitrag, danke dafür! Die Aufnahmen vom Haus – allein dieser Empfangsraum! – und seiner Lage haben meine Neugier auf mehr geweckt. Dafür, dass es die meiste Zeit leer steht, scheint das Haus sehr gut in Schuss gehalten worden zu sein.
LikeGefällt 1 Person
Vielen Dank für dein Interesse! Ich bin auch immer wieder erstaunt, was diese abgelegenen und wenig bewohnten Bergdörfer an Kostbarkeiten enthalten. Offenbar gibt es jemanden, der fürs Haus sorgt, auch wenn die Bewohner nicht dort sind.
Ein besonderes Vergnügen war das Barfußgehen auf den etwas unebenen Böden. Solche kleinen Unregelmäßigkeiten gliedern das Menschengemachte in die Natur ein, in der ebenfalls die vollkommene Gerade fehlt. Diese Böden wurden von Menschen mithilfe von Geräten und nicht von Maschinen hergestellt. Dasselbe trifft für die anderen handgemachten Dinge zu.
LikeLike
Idylle und Nostalgie pur … der Ausblick und der Empfangsraum und die „Museumsstücke“ ein Traum … aber im Alltag/Alter sicherlich nicht immer einfach, dort zu leben …
LikeGefällt 1 Person
Tatsächlich war alles pieksauber. Die Tochter sagte, sie sei nur mit dem Staubwedel durchgegangen, und auch das sei nicht nötig gewesen. Die Atmosphäre ist da oben in den Bergen so sauber, dass es einfach ist
LikeLike
Wie schön, die drei Dame in dem alten Haus!
Die Inneneinrichtung ähnelt sehr der in der Türkei und dem Kaukasus.
Mit Kohle Bügeleisen kann man ganz gut bügeln, wenn m an erstmal den Bogen raushat, allerdings besser mit zweien, eines wird vorbereitet und aufgeheizt, mit dem anderen bügelt man schon, immer im Wechsel. Ist in Marokko heute noch auf dem Land so üblich. 🙂
LikeGefällt 2 Personen
danke für deine sachkundige Ergänzung! Zwei Bügeleisen – das leuchtet ein.
LikeLike
Ein wunderschöner und liebevoller Bericht von einem Besuch im berühmten Gebirge, das Du schon öfter erwähnt hast.
Ich kann mich noch erinnern, ich muß ein sehr kleines Mädchen gewesen sein, daß meine Oma auch noch mit einem Kohlebügeleisen gebügelt hat.
Wie schön, die Weberschiffchen an der Wand.
Ein gepflegtes Haus mit interessanten Worten von Dir dazu.
Die alte Dame schaut noch ziemlich rüstig aus *lächel*
Sie scheint sehr zufrieden zu sein.
LikeGefällt 1 Person
Die alte Dame ist sehr rüstig, liebe Bruni. Sie hört ausgezeichnet, ist gut zu Fuß, hat einen hellen Blick und ein freundliches Wesen…. So mit 93 zu sein, ist schon eine Leistung! Meine Oma mütterlicherseits war so, die wurde 98.
LikeGefällt 1 Person
Das klingt ganz wundervoll, gerda❣️
LikeLike
Übrigens, der Kupferkessel auf dem einen Foto ist innen mit Zinn geweisst. Seid Ihr sicher, dass es kein Kochtopf ist? Solche Töpfe, die man am Heken bər dem offenen Feuer /Herd aufhängen kann, werden heute noch in Isfahan hergestellt, und bei größeren Feierlichkeiten, wie Hochzeiten oder Beerdigungen zum Kochen von u.a. Reis genutzt.
LikeLike
Ich habe keine eigene Erfahrung, beziehe mich auf das, was mir gesagt wurde. Und das war: Waschkessel. Mir scheint das auch wahrscheinlich, denn er ist sehr groß, viel zu groß, um darin Reis zu kochen. Aber sicher wäre es möglich, und ähnliche Töpfe gab es sicher auch zum Kochen von Essen. Im gegebenen Fall waren die Kochtöpfe, die ich sah, aus Eisen.
LikeLike
Ja, ich hab’s früher auch nicht gedacht, das mit Reis in sehr grossen Töpfen kochen, entspricht ja nicht so deutschen Massstäben, aber guck mal hier (2tes Foto von oben auf der Website) : https://mesmr.ir/%d8%ae%d8%b1%db%8c%d8%af-%d8%af%db%8c%da%af-%d9%85%d8%b3%db%8c-%d8%a8%d8%b2%d8%b1%da%af-%d8%a7%d8%b1%d8%b2%d8%a7%d9%86-%d9%82%db%8c%d9%85%d8%aa-%d8%af%d8%b1-%d8%a8%d8%a7%d8%b2%d8%a7%d8%b1/
LikeLike
Das ist alles ganz wunderbar vorgestellt und beschrieben, Gerda. Dies Haus und der Garten haben so eine wunderbare Atmosphäre.
Erstaunlich, wie präsent die 93-jährige Mutter noch ist. Nun verstehe ich, warum Du Dich hingesetzt hast.
LikeLike
Als ich das Foto sah, kam es mir merkwürdig vor, dass ich sitze. Aber tatsächlich war es so: sie stellten mich in die Mitte, ich war einen Kopf größer, also versuchte ich mich klein zu machen, indem ich die Knie beugte, aber das klappte nicht, und so setzte ich mich.
Es ist ein sehr angenehmer Ort, nicht nur das Haus, sondern das Dorf und die ganze Gegend, weit entfernt von Städten, etwas schwer zu erreichen. Wald- und Bergluft. Die Menschen kommen in den Sommermonaten mit ihren Familien zurück, halten die Häuser instand.
LikeLike