Tagebuch der Lustbarkeiten: geblümte und aufgerichtete Steine

Ich habs grad mit den Steinen, und wenngleich der Frühling ja viele andere Lustbarkeiten bereithält, will ich sie doch noch einmal auch in dieser Rubrik ehren. Zumal es sich hier um geblümte Steine handeln.

Es war nicht der einzige Geblümte, den ich gestern, am sonnigen Geröllstrand sitzend, bemerkte. Auch andere Steine hatten sich mit einem Lochmuster ausgestattet, das stark an Pflanzenwuchs erinnert. Andere hingegen hielten ihre samtige Oberfläche intakt, egal wie sehr die Frühlingssonne lockte.

Wie ich so saß und mir die Steine beguckte, fiel mir dies und das über die Steinkulte ein, die in weiten Teilen der Erde verbreitet waren (denke nur mal an die Menhire!) und auch am Beginn der hebräischen Gottesverehrung standen. Moses sollte zwar die Anbetung von Steinen, die von den Kanaaern als Gottheiten verehrt wurden, zerstören, doch seine Nachfahren richteten auf ihren Wanderungen etliche Steine auf und „salbten“ sie. („Und Jakob stand früh am Morgen auf und nahm den Stein, den er zu seinen Häupten gelegt hatte, und richtete ihn auf zu einem Steinmal und goss Öl oben darauf“ (1Mo35.14, Lutherbibel). „Christus“ ist griechisch und bedeutet „der Gesalbte“). Diese Steine wurden als Zeichen von Gottes Gegenwart, als „Zeugnisstein“ gedeutet. (Dieses und mehr las ich bei meinen kleinen Recherchen zu „Stein“ anlässlich Myriades Impulswerkstatt.)

Und ich nahm ein schlankes glattes Steinchen und richtete es zwischen den anderen auf und dachte bei mir: Wenn jemand hier vorbei kommt und sieht diesen aufgerichteten Stein, dann weiß er: hier war ein Mensch. Denn weder die Natur noch die Tiere richten Steine in die Senkrechte auf. Das tun nur die Menschen. Es ist ein untrügliches Zeichen, ein Zeugnis des Menschen.

Inzwischen wird der Stein längst wieder am Boden liegen, denn des Menschen Werk ist nicht für die Ewigkeit gemacht. Und doch war es hier und legte Zeugnis ab, dass es Wesen gibt, die … Steine aufrichten. In gewisser Weise sind wir ja selbst „aufgerichtete Steine“, da es uns im Laufe der Entwicklung gelang, unser mineralisches Skelett so einzurichten, dass wir mit dem Kopf Richtung Himmel zeigen. Wir haben uns selbst aufgerichtet.

 

 

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About gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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29 Responses to Tagebuch der Lustbarkeiten: geblümte und aufgerichtete Steine

  1. Interessante Gedanken.

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  2. Sehr interessanter Beitrag liebe Gerda! Für mich haben Steine auch eine große Faszination und in früheren Jahren habe ich auch immer wieder Schätze entdeckt und ein bisschen gesammelt! Aber ich habe sie dann auch wieder in die Natur zurück gebracht, weil es einfach zuviel geworden wäre!
    Heute reicht es mir, wenn ich sie intensiv betrachte! Und wie Du, kann man ja auch Fotos davon machen!

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    • Avatar von gkazakou gkazakou sagt:

      Danke, Babsi, so mach ich es heute auch. Früher war ich nicht so bedenklich, da waren Steine für mich „Dinge“, die man einfach mitnehmen konnte. Jetzt gehören sie für mich in die Landschaft, an ihren Ort. Sie sind wie lebendig. Und ich entferne sie nicht ohne Grund.

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  3. Avatar von Ola Ola sagt:

    Da musst du Balancetürmchen bauen knapp oberhalb des Flutrands. Es fasziniert mich immer wieder, wie schwierig das ist und wie intensiv man sich dabei mit den Steinen beschäftigt.

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  4. Avatar von Ulli Ulli sagt:

    Die Steine beschäftigen mich in diesem Jahr auch noch immer.
    Danke für deins hierzu.
    Liebe Grüße, Ulli

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    • Avatar von gkazakou gkazakou sagt:

      Merkwürdig, wie stark sie gerade auch mich beschäftigen, mehr als die anderen Naturerscheinungen. Vielleicht ist es ihre Solidität, die mich anzieht. Oder das Abnehmen der eigenen Vitalkräfte.

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  5. Avatar von Gazelle3 afrikafrau sagt:

    Steine tragen die Vergangenheit in sich, besitzen eine hohe Anziehungskraft, andere gehen achtlos vorbei, woher kommt diese Anziehungskraft für einen naturverbundenen Menschen wohl, der vieles sieht, was andere nicht einmal wahrnehmen. oder hinschauen. Ein Stein in der Hand fühlt sich gut an. Manche behaupten er gäbe Kraft. Steinhäuser, Steingräber, vieles mehr. einige meiner Steinsammlung stammen von der Insel Bornholm, die Kontrolle ließ uns anstandslos weiter, als wir erzählten, wie wichtig uns diese gefunden Steine waren. Welche Bedeutung die dortigen seltsamen Steinhaufen – vielleicht Gräber- habe ich nicht herausfinden können.

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  6. Wunderschöne Steine. Ich glaube, sie fangen, uns ihre Geschichten zu erzählen, aus ihrer Sicht.

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  7. Avatar von Unbekannt Anonymous sagt:

    Steine sind so vielfältig interessant..

    als Handschmeichler, als Phantasieobjekt , als Spielzeug 😀 usw. usw….

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  8. Avatar von Unbekannt Anonymous sagt:

    dort würde ich gern mal rumprobieren und sammeln, ich liebe Steine, der Garten hier liegt voll mit Andenksteinen aus Welteneckchen …

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  9. Das erinnert mich an die Ogom-Steine. In Irland, auf der Insel Man, in Wales, in Cornwall, auf den Hebriden und dem schottischen Festland, überall finden sich seltsam behauene Steine, senkrecht aufgestellte schmale Stelen, die an ihren Kanten Ritzungen tragen, Schriftzeichen der Ogom-Runen. Der Runenforscher Helmut Arntz datiert sie auf eine Zeit zwischen 300 und 650 unserer Zeitrechnung. Etwas umständlich beschrieben von mir https://trittenheim.wordpress.com/2015/12/16/acht-omas-uzen-einen-igel-aber-warum/

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  10. Avatar von brigwords brigwords sagt:

    ach ja, ich hätte auch so viele Steine, die was zu erzählen hätten…

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  11. Avatar von PPawlo PPawlo sagt:

    Spannend, wie verschieden du zu mir an die Steine rangehst. Und trotzdem ist das Aufrichten etwas ganz typisch Menschliches! Wie oft kommt man an Strände mit aufrechten,übereinander stehenden Steinskulpturen! Und mich reizt das auch immer wieder einmal!

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  12. Avatar von Myriade Myriade sagt:

    Mir fallen dazu die Steinmännchen in den Bergen oder sonstwo ein, die als Wegweiser dienen oder als Schutz für hinterlassene Nachrichten. Aufgerichtete Steine als Botschaft. Steine stehen am Weg, den der Mensch beschritten hat als erstes Material für alles.
    Ich schicke den Kommentar wahrscheinlich wieder einmal ins Nirvana, habe ihn diesmal aber kopiert. Ich überlege ernsthaft auf meinem Blog eine Seite anzulegen „verschwundene Kommentare“ Dort kann man dann alles nachlesen, was verschwunden ist ….

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  13. Avatar von anneeulia anneeulia sagt:

    Jeder Stein erzählt was.💛

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  14. Avatar von m.mama m.mama sagt:

    Steine zu salben – das ist ja interessant

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  15. Avatar von Lopadistory Lopadistory sagt:

    Mit Steinen hab ich’s immer. Kann am Strand nie widerstehen welche mitzunehmen.

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  16. Ein aufgerichteter Stein zeigt mir an, hier war ein Mensch *lächel*
    Klingt so schön und einfach, liebe Gerda, und genau so ist es ja tatsächlich auch…

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