Tagebuch der Lustbarkeiten: Maroussi, zum anderen Postamt, am Friedhof vorbei

Was hat sie denn ständig auf der Post zu suchen? wirst du fragen. Ich antworte gern: Bilderpäckchen, die in Deutschland „nicht zustellbar“ waren, abholen. Gestern war ich auf dem für Maroussi zentralen Postamt, heute auf dem kleineren, das, wie ich gestern erfuhr, für mich zuständig ist. Also pilgerte ich heute zu diesem kleineren Postamt und nahm ein nicht zugestelltes Päckchen nach Berlin in Empfang.

Ja, leider ist die deutsche Post „auch nicht mehr das, was sie mal war“. Sie hat 2002 den US-Paketdienst DHL gekauft und sich 2022 in DHL Group umgetauft, wie ich beim ZDF nachlas (hier). Das inländische Briefgeschäft mache nur noch 7% des Umsatzes aus.  Dank ihres Auslandsgeschäfts konnte die Deutsche Post im vergangenen Jahr einen operativen Gewinn von 8,4 Milliarden Euro erzielen.“ (ebenda)

Diesen Gewinn erzielt die DHL nicht zuletzt dadurch, dass sie Niedriglöhner beschäftigt, die im Akkord arbeiten: je mehr Postsachen sie erledigen, desto besser für sie.

Eine der Folgen ist, dass von den neun von euch, liebe Bloggerfreunde, bestellten Bildern zwei wieder an mich zurückgingen. Es ist zum Lotteriespiel geworden, ob die Post zugestellt wird. Die abgehetzten Niedriglöhner lassen anscheinend manche Adressen gleich ganz aus. Jedenfalls wurden die Empfänger nicht benachrichtigt, und auf der Tracking-Seite kann man zwar sehen, wann das Päckchen in Deutschland ankam und auch, wann es auf den Rückweg nach Griechenland geschickt wurde, aber beeinflussen kann man es nicht. Nun sagt nicht, ich hätte es ja mit Einschreiben schicken können. Hab ich ja in dem Fall, der morgen ankommt, wie mir die freundliche Beamtin heute sagte. Morgen also da capo!

Und wo ist da die Lustbarkeit? wirst du vielleicht fragen. Nun, ich freue mich, dass das Bild, wenn es schon nicht beim Empfänger landete, jedenfalls nicht verloren ging. Außerdem wurde mir der Weg zur Post, den ich zu Fuß zurücklegte, wieder mit etlichen kleinen Überraschungen und hübschen Anblicken versüßt.

Da war zum Beispiel das Alpenveilchen, das jemand zu Füßen eines Straßenbäumchens anpflanzte, oder das einst sicher viel geliebte Schaukelpferd, das neben einer Mülltonne auf einen neuen Besitzer wartete.

Da war die tiefe Kluft der Sapphous – eines meist trockenen Zuflusses zum Kifissos – der mit seinen hohen Pinien und Zypressen eine grüne Schneise in die Stadt schlägt.

Da war der Töpfer, dessen Schalen im schmalen Hinterhof vor sich hintrockneten. Der Friedhof kommt gleich danach: vielleicht braucht man dort diese Pflanzschalen?

Der Friedhof selbst ist von einer sehr hohen Mauer umgeben, so dass man nicht hineinschauen kann.

Aber für mein Handy war das kein Hindernis.

Da ich schon mal da war, durchschritt ich auch die Pforte des Friedhofs (ein Verbotsschild ignorierte ich). Und so sah ich nicht nur die üblichen haus-artigen Gräber, sondern auch enge Durchgänge, die mit Blumen und kleinen Andenken geschmückt waren. Das waren offenbar die Aufbewahrungskästen für die Knochen, die aus den für neue Belegung gebrauchten Gräbern geschafft wurden und hier ein Zwischenlager erhalten haben. So etwas hatte ich bisher in griechischen Friedhöfen nicht gesehen, es gefiel mir. 

Wünschenswert bei Friedhofsbesuchen ist, sie auf den eigenen Füßen wieder verlassen zu können. Das gelang mir auch heute: Noch ist es für meine Knochen nicht an der Zeit, dort auszuruhen. Ich brauchte sie, um den Restweg zur Post und den Rückweg nach Hause zu schaffen. Etwas mühevoll war das, aber so ist das Leben nun mal.

 

 

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About gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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16 Responses to Tagebuch der Lustbarkeiten: Maroussi, zum anderen Postamt, am Friedhof vorbei

  1. Avatar von Linsenfutter Linsenfutter sagt:

    Die Probleme kenne ich. Nur Probleme.

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    • Avatar von gkazakou gkazakou sagt:

      Mir scheint, hier ist es besser als in Deutschland, weil wir hier noch viel Personal haben. Menschen, die dir weiterhelfen wollen und auch unkonventionelle Lösungen finden.

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  2. Avatar von Mitzi Irsaj Mitzi Irsaj sagt:

    Die Post ist – aus den von dir genannten Gründen – ein Graus. Da hatte ich wohl Glück. Schön, dass du das positive siehst und uns auf einen Spaziergang mit nimmst.
    Auch gut, dass das Pferdchen neben der Mülltonne steht. Wer weiß, vielleicht bekommt es ein neues Zuhause. Falls nicht, konnte es ein letztes Mal frische Luft schnuppern.

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    • Avatar von gkazakou gkazakou sagt:

      Du bevorzugst auch die optimistische Sicht, liebe Mitzi. Kriegst du das eine nicht, hast du doch jedenfalls das andere… 😉 Das Pferdchen war wirklich sehr reizend, rosa und weiß, plüschig, ich hoffe sehr, dass es eine neue Reiterin gefunden hat!

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  3. Ja. Gerda, es ist nicht alles ganz einfach, und Sorgen und Probleme gibt es haufenweise.
    Ach ja, die Post. So etwas ähnliches haben wir hier auch oft erlebt. Aber man lernt hinzu……
    Was nur irgendwie zu „funktionieren“ hat, ist unpersönlich geworden.
    Wo aber noch ein „Herz“ zu spüren ist, wie auf den engen Wegen auf dem Friedhof…u.a., da freut sich unser Herz.
    Solche unscheinbar kleinen „Freuden am Wege“ lassen uns Innehalten. 🙏🩷🧡🩵🌸🌌🙋💞🌱♥️

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  4. Enjoyed this post on the graveyard. Good practice reading all this German!

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  5. Toll, wie du es verstehst, den berechtigen Ärger über die Postzustellung in eine ansprechende Bildergeschichte eines Spaziergangs umzumünzen. Das muss man erst mal könen.

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  6. Avatar von Lopadistory Lopadistory sagt:

    Hab Dein Bild gerade gerahmt. Es bekommt im Womo einen Ehrenplatz 🙂

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