Ich zögere, meine neuesten Versuchen mit Schnipselvernetzungsbildern zu zeigen, da es sich um erste Versuche handelt und ich noch nicht weiß, wohin es mich führen wird. Aber nun, Mut hat auch der kleine Muck.
Angefangen hat es mit einem Eintrag „Zerrissenes neu zusammenfügen“, den ich machte, als mir Susanne Haun ein Foto des Bildes schickte, das sie zerriss, um daraus Schnipsel zu machen. Ich legte die Schnipsel in gewohnter Weise zu einem Bild und begann dann, sie mit blauen Linien zu umkreisen.

Meinen nächsten Versuch machte ich gestern mit einem „Herbstbild“, indem ich die beiden Vorgaben der Schnipsel – ihre Binnenzeichnung und ihre Konturen – durch blaue und rot-orange Linien in den Raum fortführte.

Diese Linien überschneiden sich und bilden eine Art Netzwerk, das noch klarer hervortritt, wenn man die Schnipsel entfernt.

Ich schrieb als Erklärung dazu: „Ein heftiges Ruckeln – und die beiden Ebenen lösen sich von einander: das Netz hier, die Gestalten, nun ein kläglicher Haufen Schnipsel (Materie), dort. Was war, ist nur mehr eine leere Form, eine Schablone, oder richtiger: eine Matrix.“
Diese Trennung von „Materie“ (Schnipsel) und „Matrix“ (Linienzeichnung) setzte in mir eine lebhafte gedankliche Suchbewegung in Gang. Da war einmal die Assoziation mit dem Herbst und dem Vergehen der Blätter. Wenn sie vergehen, bleibt manchmal ein filigranes Gerüst stehen,wie hier beim Blatt des Feigenkaktus:

Im Unterschied zum harmonischen Aufbau das Stützgewebes handelt es sich bei meiner Zeichnung um Projektionen des Binnenmusters in den Außenraum (blau) und um Umrandung der Konturen (rot), und nicht um organische, sondern um willkürliche Lineamente. Genau das brachte nun die Idee in mir hervor, dass es einer Art unsichtbaren „Abdruck“ unseres Wesens und Handels, Denkens und Fühlens als Menschen in der Welt gleicht. Formen wir im Laufe des Lebens eine Art „Corpus“ (lat. Körper), der für jeden Menschen verschieden ist? Als „Fußabdruck“ ist uns diese Vorstellung inzwischen geläufig. Ich aber meine den gesamten Corpus unserer Lebensäußerungen und frage mich: Wie wäre denn meiner, zum gegenwärtigen Zeitzpunkt?
Diese Gedanken wollen Form annehmen, sind aber noch ganz unausgereift. Um ein bisschen weiterzukommen, begebe ich mich ins Atelier, nehme eine neue Unterlage, lege einen Schnipsel drauf und führe mit blauem Stift die inneren Linien in die Fläche weiter. Dann nehme ich einen zweiten Schnipsel, führe auch seine Linien weiter usw. und ziehe schließlich einige Umrisse mit Rot nach. Dabei gehe ich ohne Gedankenkontrolle zu Werk, neugierig, was dabei herauskommen wird. Möge das Unbewusste sprechen!
Und wenn ich die Schnipsel entferne und nur das Lineament stehenbleibt? (Wenn mein materieller Leib zerfallen ist und nur das bleibt, was ich in meinem Leben getan, gewollt, gefühlt und gedacht habe?)
Aha,das also bin ich in der Welt. Ich fülle einige der freien Flächen mit hellem und dunklerem Grau aus, lasse auch noch ein paar unausgegorene Gedanken als weißliche Pünktchen über dem Haupt meines Konterfeis schweben und betrachte mein Werk.



Dieser „Abdruck“ den wir hinterlassen: hat das nicht auch etwas mit Seele gemein?
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Ich meine, mit unserer gesamten Existenz (Denken, Fühlen, Wollen, Handeln) schaffen wir eine Art „Abdruck“. Unsere Seele ist natürlich daran beteiligt.
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Und wie sieht es mit den Gedanken aus?
Siehe hierzu den heutigen Beitrag von god.fish:
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Gedanken sind Energie in einer sehr feinen Form. Gedankenformen sind sehr beständig. Das Beispiel im verlinkten Text ist nicht gut gewählt, da handelt es sich nicht um einen Gedanken, sondern ein erinnertes Erlebnis. Aber auch das bleibt potentiell aktiv, meine ich. Falls sich niemand mehr erinnert, wird es nicht aktiviert, bleibt aber bestehen.
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Zum filigranen Gerüst: Das erinnert mich an Maries Arbeiten. Aber auch an eine Frau, die mit uns in Kürnach kürzlich ausstellte: Sie entwarf Strukturen, die sie von einer speziellen Firma ausschneiden lies aus Karton. So etwas gibt es also auch…
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Interessant. War es hinterher eine sichtbare dreidimensionale Form?
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Nein, es war eine plane Arbeit.
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