Ich möchte mich bei allen hier Mitlesenden und Kommentierenden, vor allem aber bei Gisela bedanken, die in ihrem Kommentar auf die beiden meinem letzten Eintrag beigefügten Miniaturen hinwies. Sie schrieb u.a.
„Was ich vor allem sagen wollte, ist, daß ich Deine lineare Zeichnung ausdrucksvoll und sehr lebendig finde, aber vor allem Dein Gemâlde mir sehr gut gefällt.(…)
Und das Linienspiel wirkt gelöst und frei fließend (…)“
Giselas Kommentar gibt mir Gelegenheit zu folgenden Anmerkungen:
Die beiden früher entstandenen Bilder – Farbzeichnung und Aquarell – habe ich dem „wütenden“ Text beigefügt, um ein visuelles Gegengewicht zu meinen Worten zu schaffen.
Das „Glasperlenspiel“ ist vor allem schön und fein ziseliert in der Zeichnung von Charakteren, Situationen und erdachten Welten. Es nimmt dich mit in ein aus Worten geschaffenes zugleich präzises wie auch luftig-schwebendes Weltgefüge, das der Schwere der „Wirklichkeit“ entbehrt. Darum die erste Zeichnung.
Dann aber gibt es einen seltenen Moment aufschäumenden Lebensgefühls, der Entgrenzung. Enthusiasmus (das Wort bedeutet „in-Gott-Sein“) erfüllt den Knaben Tito in seinem Sonnentanz, hingerissen ist er von sich selbst, von seiner Jugend und Freiheit, von der Größe und Herrlichkeit des Kosmos. Hier ist alles ungeteilt und in wogender Bewegung. Die tiefe Schwärze – der Gletschersee – ist noch verhüllt von den aufsteigenden Nebeln, die Szenerie für Leben und Tod ist bereitet. Leben wird dem Knaben, Tod dem Magister zugeteilt.
Mein „Zorn“ richtet sich nicht gegen den Autor. Hermann Hesse ist ja in keiner Weise verpflichtet, meine Erwartungen zu erfüllen und meine Lebensprobleme zu lösen. Der Roman dient mir lediglich als Projektionsfläche für einen Zorn, der mich angesichts der Weltverhältnisse und meiner Ohnmacht, irgend einen braucbaren Vorschlag zu ihrer Besserung zu machen, seit meiner Jugend beherrscht. Alles ist mir zuwider und alles ist hinreißend schön.
Und eine letzte Anmerkung:
Die Versuchung, in einem Gletschersee oder auch einem Meer zu ertrinken, weil mich der Konflikt zwischen Lebenslust und Weltschmerz zerreißt, ist mir durchaus nicht fremd. Immer lockt das Wasser mit seiner spiegelnden Fläche, lockt, sich ihm hinzugeben, zu versinken, sich aufzulösen und ganz zu verschwinden.
Vielleicht machte mich deshalb Hesses „einfache Lösung“ zornig. Dass er sich traut! Hätte er nicht standhalten müssen? Hätte er nicht, wie wir alle, den schweren Gang der Materie gehen müssen, um am Ende alt, resigniert und doch auch voll von gelebter Liebe, zur Erde zurückzusinken?




Das ist alles so berührend, was du erläuterst. Deine Gemälde voller Zauber. Und dein Beitrag über Hesses Glasperlenspiel hat mich auch ungeheuer beeindruckt, in die Zeit zurückgeführt, als ich das Buch las. Hesse ist für mich ein ganz besonderer Mensch, mit dem ich mich sehr beschäftigt habe, sogar nach Montagnola gereist bin, um ihn zu verstehen. Ich danke dir für deine Beiträge, die ihn mir jetzt wieder ganz nahe gebracht haben. Liebe Grüße zu dir, Christel
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Ich freue mich sehr über deinen Kommentar, hatte schon Sorge, ich wäre zu harsch mit ihm umgesprungen und wäre denen, die ihn lieben, mit meinen Bemerkungen unangenehm geworden.
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Gerda, meine Worte haben Dich zu weiteren bewegenden Bildern und Worten animiert. Auch diese Miniaturen sind sehr farbintensiv und das Gemüt stark bewegend. Und von daher begreift man (frau, ich) noch besser, was Du – ergänzend zuHesses Roman – zu bedenken gibst.
Es ist jedenfalls heldenhafter, das Leben mit allen Licht- und Schattenseiten zu erleben und zu erleiden, als sich einfach davonzumachen in einer Art Verzückung.
Aber – wie gesagt – ich habe das Buch nicht gelesen.
Hermann Hesses Gedicht „Stufen“ aber steht in meinem Bewußtsein auf sehr hoher Stufe.🙏🌟
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Das Gedicht „Stufen“, das ursprünglich „Transzendieren!“ hieß, ist Teil des Romans. Es wurde angeblich von dem Romanhelden Joseph Knecht (in Wirklichkeit natürlich von Hermann Hesse) geschrieben.
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Deine Bilder sind wie immer ganz wundervoll, liebe Gerda, und Hesses Stufen mag ich sehr !
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Herzlichen Dank, liebe Bruni.
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Mir gefällt beides SEHR !!Sowohl dein zorniger Kommentar wie auch die sehr differenzierte Auseianderstzung mit dem „Glasperlenspiel“ in deinen eigenen künstlerischen Arbeiten. Spontan dachte ich, so „zweistimmig“ auf ein künstlerisches Werk eines Anderen zu reagieren- methodisch höchst anregend!!Hesse, tja—ich kann ihn heute nur noch historisch lesen : Aufbruch der Jugend, Wandervogel, Natursuche, Geistsuche, Verzweilflung im Politischen seiner Zeit… u.s.w.u.s.w….Jedenfalls hat mir immer SEHR imponiert, dass er in seiner Zeit und Generation ein konsequenter Antmilitarist war.Dafür Vaterlandsverräter und Schlimmeres geschimpft wurde. Den Kriegsdienst verweigerte, wo andere Künstler–Marc, Macke u.u. sich noch mit hinreißen ließen, in der Hoffnung auf “ ein reinigendes Gewitter“ für Europa.
So etwa mit 13-17 Jahren las ich Hesse meterweise.Dann fiel mir von KarlHeinz Deschner „Kitsch, Konverntion und Kunst“ in die Hand. Ein gnadenloser Verriss von Hesse § Co. Mit vielen konkreten Textbeispielen.Und ich war zutiefst erschrocken.Hatte ich soviel sprachlichen und weltanschaulichen Kitsch und soviel Konvention übersehen ? Deschner schwang dann vehement die Fahne für Hans Henny Jahnn, Kafka und Max Brod. Das hat mich beeindruckt -und auch sehr beeinflusst im weiteren Suchen, Lesen, Aufnehmen !
Allerdings ist natürlich Deschner auch nur vor allem –ein Kritiker! Und eine Stimme unter vielen.Aber seine konkreten Textbeispiele sprachen eben auch sehr für sich !
Beim Unterrichten habe ich die ERfahrung gemacht, dass Oberstufenschülerinnen und Schüler, wenn sie ein Referat in Literarurgeschichte zu selbstgewählter Persönlichkeit und Werk hielten, immer wieder auch GERNE Hesse gewählt wurde.
Natürlich habe ich dann nicht einfach meine Zunächst-Verehrung und dann Tausend-Fragezeichen-Haltung erst einmal für mich behalten.
Man kann das nur sachlich angehen: sprachlich, kompositorisch, inhaltlich. Die Wirkungsgeschichte ist dann wiederum auch noch eine ganz andere.Auch abzulesen an den vielen Übersetzungen von Hesses Werk in andere Sprachen.
Rückblickend frage ich mich : Gibt es so etwas wie eine „Hesse-Phase“, vor allem in der Jugendzeit ??
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Liebe Elsbeth, was für ein toller Kommentar wieder! Dass Hesse für viele eine „Jugendlektüre“ war (und vielleicht noch ist), ist mir durch die Kommentare aufgefallen. Es war mir nicht bewusst, weil ich keine Neigung in die Richtung verspürte. Wenn, dann eine Abneigung, denn sein Name verband sich mit dem, was die Generation, die dann so fröhlich im Nationalsozialismus landete, bewegt und erfreut hatte. Es hatte, so schien mir, an die Stelle politischer Wachheit eine „Verquastheit“, eine mir suspekte subjektive Seelensuche irgendwo im fernen Orient gesetzt, wirkte auf junge Menschen wie Marihuana, das den kritischen Verstand zersetzt. Witzig, dass auch dir Deschner, der inzwischen vermutlich ganz Vergessene, in die Hand fiel! Musil, Hans Henny Jahnn, Kafka waren ja auch meine Helden, schon bevor ich Deschner las, der mir mein Urteil bestätigte.
Ich bin froh, das Glasperlenspiel nun, im Alter, gelesen zu haben, und werde wohl noch eine Weile dranbleiben. Ich möchte das, was Hesse an Klugem sagte und zu bedenken gab, gerne behalten, jetzt, wo ich keine Sorge mehr haben muss, dass ich in einen „esoterischen Sog“ hineingerate, der von der Welt wegtreibt und die Willenskräfte lähmt. Und schließlich in Resignation und Weltflucht endet.
Liebe Grüße!
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