Meine bisherigen Beiträge zu dieser großen Ausstellung – Altern (1), Was vom Leben bleibt (2), Grauzone (3) – befassten sich schwerpunktmäßig mit nicht-griechischen Künstlern (Serbien, Schweiz, Österreich). Und die Griechen? werdet ihr fragen. Haben die nichts beizutragen? O doch! Ein paar ihrer Werke traf ja schon mein Streiflicht im Themenraum „AGEing“ (1), Werke der Künstlerinnen und Künstler Anthi Paraskeva Veloudogianni und Dimitris Halatsis, Elena Stigka und Giorgos Lintzeris.
Natürlich ist das Ambiente der riesigen Ausstellung durch das geprägt, was die griechischen Ausstellenden bewegt.
Und was ist das?
Mein Eindruck ist: Sie wollen Spaß haben. Sie wollen spielen. Die große Ernsthaftigkeit und die Bemühung um „Tiefe“ der nördlich geprägten Künstler ist ihnen eher fremd. Ausgeprägt ist ihre Neigung zu Spott, Ironie, surrealistischem Witz, Pointe. Man sieht Videos mit böse-augenzwinkernden Botschaften, politische Flankenangriffe, Installationen, die Lacher und witzige Kommentare herausfordern… Kunst ist, so die message, in erster Linie Spiel und Spaß, Leben und Kommunikation, Anekdote und Kommentar und seltener tiefgründige Weltbetrachtung und leidvolle Selbstbespiegelung.
Deine Aufmerksamkeit wird zum Beispiel angezogen durch eine große Installation von Babis Karalis mit dem chinesischen Titel Ni hao HCN, bestehend, so liest du, aus 60o Handschuhen zum einmaligen Gebrauch, 600 Plastikflaschen mit Blausäure gefüllt, Tisch und Stühlen.
Du bleibst davor stehen, die weißen Handschuhe auf ihren blau-flüssigen Sockeln winken dir lustig zu, du fragst dich, was der Titel wohl bedeutet, du hast allerlei Assoziationen, wenn du diese aufgeblasenen chirurgischen Handschuhe siehst und das Wort Cyanid (Blausäure) liest – es sind keine schönen Assoziationen. Die weißen Handschuhe winken dir zu, sie sind aufgeblasen, ein bisschen albern, ein wenig erschreckend, einladend, abwehrend, vor allem aber lächerlich. Der Witz überwiegt, du lächelst und runzelst die Stirn und es beschäftigt dich, doch nicht ernsthaft. Und du gehst weiter. Etwas rührt sich in dir, doch was?
Cyanid -Blausäure. Früher gewann man es aus dem Pigment Berliner Blau, daher der Name. In diesen Plastikflaschen ist natürlich keine Blausäure, es ist blaues Wasser. Aber da ist das Wort. Als Deutscher fällt mir dazu nicht nur die bittere Mandel ein, sondern das bittere Leid, das schändliche Verbrechen, zu dem es benutzt wurde, unter dem Namen Zyklon B in Auschwitz-Birkenau und in Majdanek oder schon vorher in Fort Posen zur Tötung „psychisch Kranker“, quasi ein Vorlaufexperiment, ob es sich zur Massentötung eigne. Denn eigentlich brauchte man es zur Entlausung. In Auschwitz probierte man es zunächst an 500 sowjetischen Kriegsgefangenen und 250 Kranken aus, und als es sich als „effektiver“ als Kohlenmonoxyd erwies, wurde es zum Favoriten der Tötungsmaschinerie.
Und der chinesische Titel? Du schaust nach, was “ Ni hao HCN“ wohl bedeutet. Aha: Ni hao ist eine chinesische Grußformel, vergleichbar unserem „hallo!“, und HCN ist die chemische Formel für Blausäure.
„Lustig, lustig, trallala!“ winken dir die weißen chirurgischen Handschuhe zu, und es schaudert dich. Wüsstest du doch nichts! so wärest du unschuldig und lächelnd vorbeigegangen und hättest zurückgewinkt.
Ein anderes Beispiel:
Am Fuße einer engen Stiege begrüßen dich duftende Kerzen, in deren Dunkel allerlei Puppen und trockene Kräuterbündel hängen.
Wohlgemut und neugierig steigst du hinauf, wirfst auch noch einen Blick zurück in den engen Gang davor. Rätselst vielleicht ein bisschen, was dieses Netz bedeutet und beinhaltet…
Unschuldig und lächelnd, wie eine Gestalt aus dem Märchenbuch, begrüßt dich die junge Künstlerin, die diese Räumlichkeiten gestaltet hat. Unmöglich, all die kleinen Dinge in Augenschein zu nehmen, die sich an den Wänden, am Boden, in den dunklen Ecken befinden.
Erinnerungsstuben des Unterbewussten, in denen Altes, Verworfenes aufbewahrt wird? Ein bisschen Mythos, ein bisschen Magie, Puppen und alter Hausrat. Eine Puppe in einer Ecke macht mir Eindruck. „Und die?“ fragst du. „Penelope“ sagt sie und lächelt.
Penelope also, die Frau des Odysseus, Archetyp der wartenden Frau. 10 Jahre wartete sie und webte und entwebte und wartete, belagert von Freiern, die auf ihren Königsthron scharf waren. Und als der Gatte dann kam und alle umgebracht hatte, blieb er etwa? Oder ging er von Neuem auf Reisen? Es wird berichtet, dass er wegging. Und Penelope sitzt auf der felsigen Inseln und wartet immer noch, das fertige Gewebe über die Schulter gelegt. Was bleibt ihr auch anderes über?








ich mag hübsche frauen. alles andere verblasst dagegen.
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Wie wärs mit instagram?
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Irgendwie viel gruseligen…
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Ja, so kann mans sehen.
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„Kunst ist, so die message, in erster Linie Spiel und Spaß, Leben und Kommunikation, Anekdote und Kommentar und seltener tiefgründige Weltbetrachtung und leidvolle Selbstbespiegelung.“
Mit dieser Definition kann ich zu 90% sehr viel anfangen, die restlichen 10 % sind dann das schwermütige, selbsbespiegelnde, düstere „Nördliche“ Aber ich denke, man kann mit einer Verbindung dieser beiden doch sehr gut zurechtkommen
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Auch im Spaß kann ja Tiefe sein, und im Düsteren Ironie….Also beide Pole undalles dazwischen ist erlaubt. Nur seicht sollte sie nicht sein, die Kunst.
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Das finde ich auch, aber manchmal liegt vielleicht die Seichtheit auch im Auge der Betrachter. Gerade solche Installationen kann man schließlich in viele Richtungen interpretieren und oftmals ist ein Werk für die einen seicht für den einen oder die andere aber voller Bedeutung. Das Werk kann mehr anstoßen als der Künstler, die Künstlerin hineingelegt hat.
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mehr … oder weniger. Genau. Erst der Betrachter macht das Werk komplett.
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Ich habe mir die Installation nochmals angesehen und finde, dass man sie im Hinblick auf den Titel, der ja nicht zufällig gewählt sein wird, durchaus auch tragisch sehen kann. Flehende, tote Hände, die aus dem Cyanid ragen. Das auf den ersten Blick fröhliche hat durchaus tragische Dimensionen.
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Danke, Myriade. Ich habe nicht eigentlich Tragisches, sondern einen Hinweis auf Verbrecherisches in der Installation gesehen, aber deine Interpretation ist durchaus auch stimmig für mich.
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