Dora zum FünfundzwanzigstenSechsten: über Beleuchtung und Großtun. Bröckchenspiel (2)

„Lass uns wieder Bröckchen spielen“, fordert Dora mich auf, als ich meine aus Italien mitgebrachten Fotos durchscrolle und hier und da hängenbeibe. Na schön, warum nicht. Ich scrolle, Dora ruft Stopp, und es öffnet sich die Galerie Doria Pamphilj.

„Dora?“ freut sich Dora. Ich verzichte darauf, sie zu korrigieren und ihr die Geschichte der großen Genueser Adelsfamilie Doria herzubeten, dessen berühmtestem Spross Andrea Doria Schiller in seinem „repubikanischen Trauerspiel“ Die Verschwörung des Fiesco zu Genua ein Denkmal setzte (*).

Zusammen betrachten wir das Bildnis einer Frau, deren feine Gesichtszüge im flackernden Licht eines Öllämpchens  aufscheinen.

 

Wer es gemalt hat, kann ich nicht sagen, denn zu vieles strömte gleichzeitig auf mich ein. Da merkt man sich nur die großen Namen wie Caravaggio oder Tizian, Rubens oder Leonardo…

„Warum hast du es denn fotografiert, wenn der Maler nicht berühmt ist?“ fragt mich Dora. „Wegen der Beleuchtung“, sage ich. Denn ja, am Tag vor meiner Abreise hatte ich mich mit dem Kerzenlicht befasst (hier). „Schau mal, Dora, da gibt es noch ne Menge ähnlicher Bilder. Die damaligen Maler hatten das Thema entdeckt, ich weiß nicht, wer es zuerst war – vielleicht der Franzose Georges de La Tour, der von 1593 – 1652 lebte und viel draus machte. El Greco und andere Maler des Barock versuchten sich auch darin. Es gab damals ja noch keinen elektrischen Strom, und so wurde alles, sobald es dunkelte, von dem unsicher flackernden Licht brennender Materialien erleuchtet: Öl, Wachs, Holz, Pech, Schmalz …  die Reichen verbrannten sogar Bernstein, um Licht zu erzeugen. Irgendwann kam man dann drauf, dieses Licht selbst zum Thema von Bildern zu machen. Heute müsste man entsprechend ein Portrait malen, das von einer Neonröhre angestrahlt wird….“

 

Dora findet die Idee, ein Portrait unter Neonlicht zu malen, uncool,  ein Leben ohne Strom hingegen romantisch und abenteuerlich. „Na, warte mal ab“, sage ich und verziehe meinen Mund zu einem ironischen Grinsen. „Vielleicht erlebst du ja noch ein anständiges Black-out .“ Bei mir aber denke ich: „Bloß das nicht! Ich könnte ja nicht mal mehr ergoogeln, wie man Kerzen macht…

Schweigend scrolle ich weiter. Als Dora STOPP ruft, erscheint eine elegante Dame in Marmor. Aha, wir sind beim römischen Antikenstil gelandet! Ihm vertrauten sich die important persons an, die der hinfälligen Malerei misstrauten und sich lieber im haltbaren Marmor potraitieren ließen. Und so überdauerte diese Dame samt neckischer Stirnlocke die Zeiten

„Männer ließen sich auch gern eine Marmorbüste machen und verlangten möglichst lebenstreue Abbildung in römischer Toga, um ihre Bedeutung zu unterstreichen“, belehre ich Dora und zeige ihr ein paar Exemplare….

„Die Frauen, die offiziell gar keine Macht hatten, sondern nur als Mütter, Ehefrauen, Schwestern zählten, standen den Männern keineswegs nach. Genauso eitel, selbstgefällig und herrschsüchtig überlieferten sie sich ihrer Nachwelt, also uns“.

„Marmorne Selfies!“ witzelt Dora. Ich suche derweil nach moderneren  Beispielen solcher Selbstdarstellung, finde auch dies und das. Aber Dora hat genug davon. „Komm, noch mal scrollen, dann reicht es für heute!“ kräht sie.

Ich scrolle brav, sie ruft Halt!  und „Ha! Auch du bist Selfie-süchtig!“ Das finde ich ungerecht. Kann man meine bescheidene Selbstablichtung im vergoldeten Rahmen und bei Kerzenfestbeleutung tatsächlich mit den An- und Absichten der marmornen Herrschaften vergleichen? Hat Dora recht mit ihrem Verdacht, dass sich nur das Medium verändert hat, aber ansonsten alles so ziemlich beim Alten ist?

 

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*In meinem Romanfragment „Schwanenwege“ schwadroniert Herr Mercurius D. Pontevecchio (Wiederverkörperung des antiken Gottes): „Wie sagte Andrea Doria, dieser herrliche Greis? Schweig! Ich bin gewohnt, dass das Meer aufhorcht, wenn ich rede! Köstlich, köstlich. Welch superber Witz! Genützt hat ihm sein Großtun freilich auch nichts.“

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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12 Antworten zu Dora zum FünfundzwanzigstenSechsten: über Beleuchtung und Großtun. Bröckchenspiel (2)

  1. Gisela Benseler schreibt:

    Nun hat sich aber Dora selbst prächtig ins Bild gesetzt. Tatsächlich paßt sie genau zum Stil und in den Rahmen.
    Nun, wenn alle es tun, warum nicht auch sie??

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  2. Gisela Benseler schreibt:

    Die Kerzenbilder mag ich. Rembrandt hat dann ja später dies Licht im Dunkel zum neuen Kunststil erhoben.

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  3. afrikafrau schreibt:

    So wird aus Geschichte – Geschichten – die lese ich gerne

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  4. Mitzi Irsaj schreibt:

    Mamor Selfies…da hat Dora gar nicht so unrecht.

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  5. Ein schöner Bericht über einen Teil Deines Rombesuches, Gerda.
    Wie hast Du denn das allerletzte Bild so raffiniert hinbekommen? Dora , die in Lichtern steht *g*

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